Die Koffer hatte Lisa Pitzschke schon fast gepackt, da kam die Hiobsbotschaft. »Das Reisebüro teilte uns kurz vor der Abreise mit, dass unser Flug nach Tel Aviv unsicher sei. Den Rückflug hatte man gleich ganz gestrichen«, sagt die 25-Jährige.
Eigentlich wollte die Studentin aus Berlin in diesem September zusammen mit ihrem Freund Felix für elf Tage nach Israel reisen. Nach ein paar Tagen Aufenthalt in Tel Aviv sollte es nach Jerusalem und ans Tote Meer weitergehen. »Ich hatte mich schon so auf den Urlaub gefreut. Ich wollte endlich die moderne City von Tel Aviv sehen, im Mittelmeer schwimmen und die heiligen Stätten in Jerusalem besichtigen«, sagt Pitzschke, die an der Freien Universität »Modern Judaism and Holocaust Studies« im dritten Mastersemester studiert. Doch daraus wurde nichts. Schuld war die Insolvenz von Air Berlin.
trostpflaster »Wir hatten Angst, dass wir in Tegel am Flughafen stehen und nicht abfliegen können oder aus Tel Aviv nicht wieder zurückkommen. Immerhin hatte man ja unseren Rückflug gecancelt«, erklärt Pitzschke. Die Reisedauer verkürzen und auch dann nicht sicher wissen, ob man vom Flughafen wegkommt, das wollte das Paar nicht.
Da alternative Verbindungen mit anderen Fluggesellschaften aufgrund der kurzfristigen Absage entweder ausgebucht oder zu teuer waren, entschieden sich die beiden schweren Herzens, die Reise zu stornieren. Einziges Trostpflaster: Der Veranstalter erstattete die Kosten. »Im nächsten Jahr will ich dann aber unbedingt nach Israel«, sagt Pitzschke enttäuscht.
So wie der jungen Frau dürfte es vielen Flugreisenden gegangen sein, die im September und Oktober von Berlin nach Tel Aviv oder umgekehrt fliegen wollten und schon lange vorher ein Ticket bei Air Berlin gekauft hatten. Dass die wirtschaftliche Situation der bis dato zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft schwierig war, war bereits seit Langem bekannt. Die Ankündigung der Insolvenz mitten in der Sommerferienzeit Ende August kam dann aber selbst für Experten überraschend.
one way Wie die aktuellen Zahlen des Flughafenbetreibers belegen, sind wegen der Pleite von Air Berlin im Oktober deutlich weniger Passagiere am Flughafen Tegel abgeflogen und gelandet als im Vergleichsmonat im Vorjahr. Demnach seien die Fluggastzahlen gegenüber Oktober 2016 um knapp zwölf Prozent zurückgegangen. Glücklich konnten sich diejenigen schätzen, die von vornherein bei anderen Airlines gebucht hatten. »Ich bin nie mit Air Berlin geflogen«, sagt Anastasia Kuzmin.
Die 23-jährige gebürtige Israelin lebt seit zwei Jahren in Berlin. Nach einem Deutschkurs will sie hier studieren. Mindestens drei bis vier Mal im Jahr fliegt sie in die Heimat, um in Aschkelon Freunde und Familie zu besuchen. Die Airlines ihres Vertrauens sind EL ALs Billig-Airline Up sowie easyJet. »Da war das Preis-Leistungs-Verhältnis immer schon besser als bei Air Berlin«, findet Kuzmin.
Beide Airlines fliegen ab Schönefeld nonstop nach Tel Aviv. Ein Ticket für Dezember kostet sowohl bei Up als auch bei easy-Jet mehr als 400 Euro – one way wohlgemerkt. Auch der irische Billigflieger Ryanair fliegt von Schönefeld nach Israel, allerdings nach Eilat ans Rote Meer. Ein Ticket Ende Dezember kostet hier rund 260 Euro.
slots Seit Anfang November hat auch die Fluggesellschaft Germania Israel ins Programm aufgenommen – eine direkte Folge der Air-Berlin-Pleite. Dreimal in der Woche steuert die Airline von Berlin-Tegel den Ben-Gurion-Flughafen an. Im Januar ist man ab 128 Euro mit an Bord. Ab Sommer 2018 will Germania das Angebot auf eine tägliche Verbindung ausweiten.
Andere Verbindungen von Berlin nach Israel, beispielsweise mit Lufthansa oder Turkish Airlines, sind jeweils mit einem Zwischenstopp verbunden. Ob Lufthansa, die das Gros der Air-Berlin-Flotte übernommen hat, die Direktverbindung Berlin–Tel Aviv wiederaufnehmen wird, ist derzeit noch völlig offen.
Inwieweit sich die Air-Berlin-Insolvenz auf den israelischen Tourismus in Berlin insgesamt ausgewirkt hat, sei schwer zu sagen, erklärt Sarah Mohr von der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft und Tourismus. »Es gibt keine Befragungen, die Auskunft darüber geben, warum Gäste ihren Flug oder ihr Hotel in einem bestimmten Zeitraum storniert haben«, sagt Mohr.
rückgang Allerdings stelle man mit Blick auf September einen Rückgang in den Besucherzahlen aus Israel fest. Kamen im September 2016 noch insgesamt 11.232 Besucher aus Israel nach Berlin, waren es in diesem Jahr noch 10.541. Das entspricht einem Minus von fast sechs Prozent. Die Zahlen für Oktober werden erst in den kommenden Wochen vom Statistikamt Berlin-Brandenburg veröffentlicht.
»Wir beobachten genau, wie sich der Wegfall des gesamten Air-Berlin-Flugangebots im Verlauf des Jahres auf den Tourismus in Berlin auswirken wird«, sagt Anja Mikulla vom offiziellen Berliner Reiseportal Visit Berlin. Bereits heute könne man aber feststellen, dass die Angebotsschwächung in den Verbindungen und die damit zu erwartende Verteuerung der Flugpreise auf der Strecke Berlin–Tel Aviv Einfluss nehme auf die Entwicklung der Gästezahlen aus Israel. »Berlins Popularität ist in Israel ungebrochen – unsere israelischen Gäste wollen auch in Zukunft entdecken, was Berlin zu bieten hat«, sagt Mikulla.
Der Ausbau der Flugverbindungen sei daher entscheidend. Sonst könnte ein Platz an Bord insbesondere an Feiertagen oder langen Wochenenden in Zukunft »knapp und teuer« werden. Der Bedarf sei groß. Sie erwarte, so Mikulla, dass weitere Airlines die Strecke Berlin–Tel Aviv zeitnah in ihr Programm aufnehmen.