Henry G. Brandt sel. A. war ein ganz besonderer Mensch: eine Neschume, wie man sie in der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland kaum ein zweites Mal finden konnte. Zwar hat ein Jegliches seine Zeit, und ebenso auch jeder Mensch. Aber Henry Brandt wirkte nie wie jemand, dessen Zeit gekommen war. Wer ihn erlebte, der war im Gegenteil überwältigt von seinem Tatendrang und von seiner unerschöpflichen Energie – auch und besonders im hohen Alter.
Umso schmerzlicher ist der Abschied, den wir von ihm nehmen müssen. Als rabbinischer Gelehrter von außerordentlichem Ansehen, als Zeitzeuge der NS-Verfolgung und als prägende Figur der jüdischen Gemeinschaft in unserem Land hat er zeit seines Lebens Spuren hinterlassen, die niemand übersehen kann. Sein Leben war dabei ein Abbild des jüdischen 20. Jahrhunderts.
geburtsstadt Geboren 1927 als Heinz Georg Brandt in München, verlebte er eine – wie er selbst sagte – nur zum Teil beschwerte Kindheit in seiner Geburtsstadt; unter Mühen gelang es seinen Eltern lange Zeit, die schlimmsten Auswüchse des Hasses von ihren beiden Söhnen fernzuhalten.
Umso erschreckender waren für ihn die Ereignisse des Jahres 1938, als im Juni die Hauptsynagoge abgebrochen wurde und im November die orthodoxe Synagoge zerstört wurde. Einen besonders tiefen Einschnitt bedeutete es, als im Morgengrauen des 10. November sein Vater nach Dachau verschleppt wurde. Erst Wochen später kam er frei.
Die Familie konnte über England nach Tel Aviv fliehen. Henry Brandt diente in der neu gegründeten Marine und kämpfte im israelischen Unabhängigkeitskrieg. Doch dann entschied er sich für eine Ausbildung zum Rabbiner in London. Auf seinen weiteren Lebensstationen wurde er Landesrabbiner für Niedersachsen in Hannover, später Rabbiner in Augsburg.
gedächtnis Als langjähriger Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK) war er ein Gesicht des jüdischen Lebens in unserem Land. In seiner Geburtsstadt München bleibt er uns vor allem als prägendes Gesicht unserer Nachbarn in der Israelitischen Kultusgemeinde Augsburg-Schwaben im Gedächtnis.
Er kam immer wieder in seine Geburtsstadt, nicht zuletzt, um seine Mutter zu besuchen, die hier im Altenheim lebte. Dabei traf er auch Henny Seidemann sel. A., die langjährige Vorsitzende der Münchner Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, in der Henry Brandt sich ebenfalls engagierte.
Am 10. Februar fand er seine Ruhestätte auf dem Neuen Jüdischen Friedhof an der Garchinger Straße, wo sich auch das Grab seiner Mutter befindet. Die Trauer um den Verlust wird bleiben, aber auch die guten Erinnerungen, die großartigen Leistungen und die zahlreichen Errungenschaften eines langen, reichen Lebens.
Möge seine Seele eingebunden sein in den Bund des ewigen Lebens.