Bei uns haben Machanot eine lange Tradition», sagt Conny, Mutter von Joschua (8) und Alisa (10). «Bevor meine Kinder zum ersten Mal hinfuhren, hörten sie von Freunden und Verwandten davon und konnten sich so dafür begeistern.» Die Familie lebt in Berlin und schickt ihre beiden Sprösslinge wie bereits im vergangenen Jahr auch diesen Sommer in Ferienlager. Und zwar nicht nur in eines, sondern gleich in drei verschiedene. «Dadurch sind sowohl der kulturelle, als auch der religiöse Part abgedeckt. In den Machanot sollen sie vor allem Spaß haben, aber auch Bräuche und Rituale kennenlernen», sagt Conny.
Sie ist neben ihrer Rolle als Mutter auch noch berufstätig. «Machanot sind ideal für die Kinder», sagt sie, weil sie so in ihren langen Sommerferien untergebracht sind und an einem intensiven Programm teilnehmen können. «Wir als Familie machen aber auch gemeinsam einige Wochen Ferien», fügt sie an.
AUSWAHL Die Angebote für Machanot sind vielfältig. Der wohl bekannteste und größte Anbieter ist die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST), an deren zweiwöchigen Machanot diesen Sommer rund 800 Kinder und Jugendliche teilnehmen. Je nach Altersgruppe geht es entweder nach Bad Sobernheim, Italien oder Spanien. Auch die Lauder Foundation bietet Machanot an. Die drei Ferienlager führt sie in Österreich für je rund 40 Kinder und Jugendliche verschiedener Altersgruppen durch. Neben weiteren Angeboten in ganz Deutschland können bei Chabad Berlin Drei- bis Zwölfjährige während drei Wochen tagsüber von einem abwechslungsreichen Freizeitprogramm profitieren.
Kinder und Jugendliche aus ganz Deutschland nutzen die verschiedenen Angebote, auch Mitglieder von Kleingemeinden und solche, die keiner Gemeinde angehören. Viele, die einmal dabei waren, kommen wieder, doch um Schüler ohne Machane-Erfahrung zum Teilnehmen zu überzeugen, ist eine gute Jugendarbeit wichtig. «Eine große Anzahl von Teilnehmenden einer Gemeinde ist häufig ein Indikator für die Qualität und Attraktivität der Jugendarbeit», meint ZWST-Direktor Benjamin Bloch. Doch die Familien, deren Kinder im entsprechenden Alter sind, müssen auch auf das entsprechende Angebot aufmerksam gemacht werden. Für die Machanot der ZWST wird beispielsweise mit Aushängen in den Gemeinden geworben. Elena Tanaeva, Sozialarbeiterin der Jüdischen Gemeinde Dresden, ruft sogar direkt bei den Eltern an, um auf die Möglichkeiten hinzuweisen.
Geldfrage Viele Familien wollen ihren Kindern die Möglichkeit geben, ins Ferienlager zu gehen. Doch die Kosten dafür betragen je nach Anbieter und Ort bis zu 600 Euro für zwei Wochen – eine große Summe für einkommensschwache Familien oder Alleinerziehende. Die Machane-Organisatoren bemühen sich darum, dass kein Kind aus finanziellen Gründen zu Hause bleiben muss. Für ZWST-Lager zum Beispiel können Bedürftige einen Antrag bei ihrer Gemeinde stellen. Die leitet ihn an die Sozialämter weiter. Von dort erhält die Familie dann je nach Situation einen Zuschuss. Bei Chabad bekommen Familien, die knapp bei Kasse sind, Ermäßigungen, die von privaten Spendern gedeckt werden. Die Lauder Foundation schließlich kommt Familien, die den Betrag nicht selbst aufbringen können, auf Anfrage entgegen. Denn viele sind auf Unterstützung angewiesen (vgl. Interview).
Identität Zum Programm in jedem Machane gehören neben Erholung, Spaß, spannenden Erlebnissen und thematischen Gruppenstunden auch vielfältige Freizeitaktivitäten. Je nach Altersgruppe und Organisator variieren die angebotenen Aktivitäten und das Programm. Alle Machanot vermitteln jüdische Kultur und Tradition und unterstützen dadurch die Identitätsfindung. Bei Chabad oder Lauder etwa wird verstärkt auf eine religiöse Komponente Wert gelegt.
Gary Weber (19) aus Bremen war als Teenager mehrmals in Feriencamps der ZWST. «Machanot waren für mich damals einer der Grundpfeiler meiner jüdischen Identität», sagt er. «Ich glaube, dass sie sehr wichtig sind für die jüdische Identitätsbildung, vor allem für Kinder und Jugendliche aus kleinen Gemeinden, wo die Möglichkeiten jüdischen Lebens beschränkt sind.» Auch Uli Ettinger aus Düsseldorf ist überzeugt, dass die Machanot seine jüdische Identität gestärkt haben. «Ich konnte sehr viel lernen über Themen wie Zionismus und Schoa. Zudem habe ich dauerhafte Freundschaften schließen können», sagt der 19-Jährige, der heute in seiner Freizeit als Madrich, Jugendleiter, arbeitet.
Deren Ausbildung ist bei jedem Machane-Organisator etwas anders geregelt. Bei der ZWST findet die Ausbildung Schritt für Schritt statt. Die Madrichim sammeln zuerst Erfahrung als Teilnehmer und nehmen dann an Vorbereitungsseminaren und Trainings teil. Die Ausbildung obliegt der ZWST. Bei Chabad kommen die Leiterinnen – es sind ausschließlich Frauen – aus dem Ausland. Dieses Jahr etwa sind sie aus den USA, wo sie eine spezielle Ausbildung für jüdische Erziehung absolviert haben. Bei Lauder wird neben den Führungsqualitäten auch Wert auf ein großes jüdisches Wissen gelegt. In Fellowship-Seminaren bereiten sich die angehenden Madrichim speziell auf ihre Aufgabe vor.
Vorfreude Joschua und Alisa freuen sich unterdessen auf ihre erste Machane-Woche im Chabad Day Camp. Sie erinnern sich noch an die intensive und erlebnisreiche Zeit im vergangenen Jahr. Ob sie denn kein Heimweh hätten? «Bis jetzt war’s nie ein Thema», meint ihre Mutter. «Wir telefonieren jeden Abend miteinander und können den Kindern gute Nacht wünschen.» Sie selbst sei früher auch ins Ferienlager gefahren, sagt Mutter Conny. «Das volle Programm und der Spaß lassen kaum Zeit für Heimweh.»