»Der Sieg über das Coronavirus ist es nicht, aber ein ganz entscheidender Schritt dazu.« Mit diesem Satz kommentierte Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG), die Impfaktion im Saul-Eisenberg-Seniorenheim.
Die Bewohner des Seniorenheims gehörten mit zu den ersten Münchnern, die den neu entwickelten Impfstoff gegen das Virus erhielten. Auch die IKG-Präsidentin zögerte keinen Augenblick und nahm an der Impfung teil. Damit wolle sie auch alle Zweifler davon überzeugen, die große Chance dieser Impfung wahrzunehmen, sagte Knobloch.
erleichterung Die Erleichterung über diesen medizinischen Fortschritt, der das Ende der Pandemie näher rücken lässt, ist Heimleiter Kristian Greite deutlich anzumerken. Auch wenn es noch einige Zeit benötigen wird, bis der Impfstoff seine volle Wirkung entfaltet, freut Greite sich vor allem darüber, dass 90 Prozent aller Senioren von der Möglichkeit Gebrauch machten, sich impfen zu lassen.
Eine spürbare Entschärfung wünscht sich Heimleiter Greite auch für die Mitarbeiter.
Ein Ende der Pandemie, zumindest eine spürbare Entschärfung der derzeitigen Situation, wünscht sich Greite nicht nur für die Bewohner, sondern auch für die Pflegekräfte und Mitarbeiter des Seniorenheims. »Alle arbeiten seit Wochen und Monaten an der absoluten Belastungsgrenze«, beschreibt er die aktuelle Lage.
Dieser Status quo, dem die Impfungen ein Ende setzen sollen, hat Greites Schilderungen zufolge eine dramatische Dimension angenommen. »Das komplette Leben musste auf ein Mindestmaß heruntergefahren werden«, beschreibt er die harten Zeiten in Form von unumgänglichen Besuchsverboten und Kontaktbeschränkungen.
akzeptanz Viele Senioren hätten diese Konsequenzen nicht nachvollziehen können. Umso zufriedener blickt er in diesem Zusammenhang jedoch auf das große Verständnis und die Akzeptanz, die die Angehörigen und Familien den Einschränkungen entgegenbrachten.
Zu den positiven Aspekten, die der Leiter des Seniorenheims der Corona-Krise abgewinnen kann, gehören das große persönliche Engagement jedes einzelnen Mitarbeiters und das hohe Maß an Solidarität untereinander. »Ohne dieses Team, ohne diese Teamfähigkeit, wäre das Krisenmanagement in dieser Form nicht möglich«, sagt Kristian Greite. Und über das Ergebnis der Anstrengungen kann sich die gesamte jüdische Gemeinde freuen. Denn im Saul-Eisenberg-Seniorenheim gab es bisher keinen einzigen Corona-Fall.
Die strikte und konsequente Umsetzung der Hygienemaßnahmen, die eine Verbreitung des Virus im Seniorenheim verhinderte, war alles andere als leicht und erforderte kurzfristige Entscheidungen. Eine davon war, den wegen Corona nicht genutzten Speisesaal in einen Raum umzufunktionieren, in dem sich Bewohner und Angehörige begegnen konnten, sofern dies aufgrund der jeweils geltenden Beschränkungen möglich war.
lockerungen An dem grundlegenden Problem der räumlich beengten Verhältnisse im Heim kam indes niemand vorbei. »Wir konnten im Verlauf der Krise einige Lockerungen in der Tat nicht umsetzen, weil dafür einfach nicht genügend Platz vorhanden ist«, beschreibt Greite das Dilemma, das bald der Vergangenheit angehören wird. Anfang 2023 nämlich wird das neue Seniorenzentrum der IKG eröffnet.
Bis dahin sollte nach Überzeugung von IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch das Thema Corona mit Blick auf die gerade angelaufene Impfaktion längst entschärft sein. Mit großer Sorge blickt sie indes auf die gesellschaftlichen Entwicklungen, die die Pandemie begleiten: »Der Irrsinn, der von Impfgegnern schrägster Art verbreitet wird, von Aluhut-Trägern etwa, ist die eine Seite. Die andere Seite ist die Instrumentalisierung der Szene durch rechte Extremisten, die Antisemitismus und Israelfeindlichkeit schüren. Sie nutzen die Krise dazu gnadenlos aus.«
Die strikte und konsequente Umsetzung der Hygienemaßnahmen, die eine Verbreitung des Virus im Seniorenheim verhinderte, war alles andere als leicht und erforderte kurzfristige Entscheidungen.
Eine weitere schwerwiegende Begleiterscheinung, die ein möglichst schnelles Ende der Notlage mehr als wünschenswert macht, hat Charlotte Knobloch bereits in einem frühen Stadium der Corona-Krise benannt: den Verzicht auf direkte persönliche Kontakte.
begegnung Die durchaus erfolgreiche Verlagerung fast aller Aktivitäten der Israelitischen Kultusgemeinde ins Internet, die schneller als geplant verlief, sieht Knobloch, die als Entscheidungsträgerin dabei selbst mitgewirkt hat, als durchaus angebracht, zeitgemäß und effektiv an. Aber ihr – und nicht nur ihr – fehlt die persönliche Begegnung.
Als gutes Zeichen, ja, Hoffnungsschimmer betrachtet sie die 90-Prozent-Beteiligung bei der Impfaktion im Saul-Eisenberg-Seniorenheim. Und so äußert sie auch den Wunsch, dass möglichst viele Bürger diesem Beispiel folgen und sich nicht von haltlosem Gerede beeindrucken lassen. Schließlich gehörten Impfstoffe »zu den größten Errungenschaften der Medizin«.