Die Umbenennung der Treitschkestraße in Berlin-Steglitz ist vorerst vom Tisch. In einer Anwohnerbefragung sprachen sich mehr als drei Viertel der Anwohner (78 Prozent) gegen einen neuen Straßennamen aus, wie das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf am Mittwoch mitteilte. Bezirksamt und Bezirksverordnetenversammlung werden sich nochmals mit der Umbenennung befassen und dazu eine abschließende Entscheidung treffen, hieß es.
Insgesamt beteiligten sich 320 wahlberechtigte Anwohner der Treitschkestraße (71 Prozent) an der am 5. November gestarteten Umfrage der Bezirksverordnetenversammlung: 64 stimmten für eine Umbenennung (22 Prozent), 226 sprachen sich dagegen aus (78 Prozent), 15 Stimmabgaben seien aus formalen Gründen nicht zugelassen worden, hieß es.
Meinungsbildung »Die große Beteiligung von fast drei Viertel der abstimmungsberechtigten Anwohnerinnen und Anwohner zeigt, dass es richtig ist, die Betroffenen in den Meinungsbildungsprozess mit einzubeziehen«, sagte Bezirksstadträtin Cerstin Richter-Kotowski (CDU). Dies könne Anregung auch für andere Angelegenheiten der zuständigen Fachämter sein.
Bis Anfang Dezember hatten die wahlberechtigten Anlieger der Straße Gelegenheit, per Brief für oder gegen eine Umbenennung zu votieren. Der Anwohnerbefragung ging eine jahrelange kontroverse Debatte voraus. Der im 19. Jahrhundert lebende Historiker Heinrich von Treitschke (1834–1896) gilt als Wegbereiter des Antisemitismus im deutschen Bürgertum. Zu seinen Publikationen gehören Schriften wie Die Juden sind unser Unglück.
Votum Seit Jahren setzen sich Anwohner, darunter das Aktionsbündnis »Treitschkestraße umbenennen«, für einen neuen Straßennamen ein. In der Vergangenheit gab es dazu immer wieder Medienberichte, Briefe und Veranstaltungen. »Das Bürgervotum ist eindeutig« und werde ernst genommen, erklärten die Grünen-Landesvorsitzende Bettina Jarasch, Kreisvorsitzende Annika Schmidt-Kotsch und Fraktionsvorsitzender Uwe Köhne.
Die Grünen waren für eine Umbenennung der Straße. Sie kündigten an, sich auch in Zukunft »für einen kritischen Umgang« mit historischen Persönlichkeiten wie von Treitschke einzusetzen. Die Debatte über eine angemessene Erinnerungskultur sei mit dem Umfrageergebnis nicht beendet.
Im Falle einer Umbenennung wären den Anwohnern keine Kosten für neue Ausweise oder Briefpapier entstanden. Unter anderem hatte eine Druckerei angeboten, die Kosten für neue Briefbögen oder Visitenkarten zu übernehmen. epd