Eine selbst gebaute Sukka kostet in der Regel nicht viel Geld. Ein paar Bretter, Zweige, Tische, Stühle – fertig. Aber die Jüdische Gemeinde Oranienburg kann sich selbst das nicht leisten, geschweige denn einen Rabbiner, eine Schule, einen Kindergarten oder eine Synagoge. Soziale Betreuung gibt es zwar, ebenso Sprach- und Integrationskurse, eine Bibliothek und einen Betraum im Gemeindezentrum. Dorthin verlegte Elena Miropolskaja dann auch den Kiddusch an Sukkot – kahle Wände statt Wüstengefühl. »Von den bisherigen Zuwendungen der brandenburgischen Landesregierung können wir gerade einmal die Miete für das Gemeindezentrum bezahlen, etwa 900 Euro im Monat«, erzählt ihre Vorsitzende. »Was übrig bleibt, knapp 180 Euro monatlich, verschlingen Betriebskosten, Internet und Telefon.«
Auch die anderen jüdischen Gemeinden in Brandenburg halten sich, trotz wachsenden Bedarfs, gerade so über Wasser. »Bis zu einer funktionierenden kulturellen und religiösen Infrastruktur ist es noch ein weiter Weg«, erklärt Gennadij Cusnir, Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Brandenburg. Vor allem den Gemeindezentren fehlte es bisher an Mitteln, der steigenden Mitgliederzahl, meist jüdischer Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion, gerecht zu werden.
aufstockung Doch das soll sich nun ändern. Denn mit der Neuregelung zur Förderung der jüdischen Landesgemeinden dürfen Miropolskaja und ihre Kollegen in Potsdam, Cottbus, Frankfurt (Oder), Barnim, Königs Wusterhausen und Brandenburg an der Havel von nun an mit deutlich mehr Zuwendungen rechnen. Rückwirkend für das gesamte Jahr 2010 hebt die Potsdamer Landesregierung die finanzielle Unterstützung jüdischer Gemeinden von 200.000 auf 500.000 Euro an, und zwar unabhängig von ihrer Mitgliedschaft im Landesverband. Neben den sieben Landesgemeinden mit insgesamt 1.300 Mitgliedern, die sich im Landesverband zusammengeschlossen haben, betrifft die Regelung demnach auch die darin nicht organisierte Gesetzestreue Jüdische Landesgemeinde in Potsdam.
Das Land Brandenburg reagiert damit auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen Jahr, das nach einer Klage dieser »Gesetzestreuen Gemeinde« eine Neuregelung der Geldverteilung gefordert hatte. Die Summe gewährleiste eine »angemessene Gemeindestruktur«, erklärt Antje Grabley vom Brandenburger Kulturministerium. Die erste Reaktion ist positiv. Die Neuberechnung sei »ein guter Anfang, der Türen öffne«, lobt Gennadij Cusnir. Beide Seiten betonen nachdrücklich ihre Erleichterung über die Einigung, schließen Nachbesserungen jedoch nicht aus.
Anpassung Mitte September unterzeichneten Cusnir und die Brandenburger Kulturministerin Martina Münch (SPD) eine Erklärung zur Neuregelung, wonach die jüdischen Gemeinden je nach Größe unterschiedlich stark unterstützt werden. Neben einer Grundsicherung für alle gilt dabei das Prinzip: je höher die Zahl der Mitglieder, desto größer die Zuwendungen.
Von den insgesamt 500.000 Euro zahlt die Potsdamer Landesregierung zunächst rund 200.000 Euro in einen Topf, aus dem jeder jüdischen Gemeinde mit mindestens 50 Mitgliedern ein einheitlicher Grundbetrag zusteht. Bei derzeit acht Gemeinden ergibt sich daraus eine monatliche Summe von 2.083 Euro. Allerdings: Sollte sich eine weitere Gemeinde gründen, verringert sich der jeweilige Anteil am Grundbetrag.
Jede Gemeinde mit mehr als 50 Mitgliedern erhält darüber hinaus künftig einen sogenannten Aufstockungsbetrag aus weiteren 200.000 Euro, der sich nach der Mitgliederzahl staffelt. Die Restsumme von 100.000 Euro schließlich soll direkt in die Verbandsarbeit fließen und neben administrativen Ausgaben auch Honorare für Rabbiner oder einen Landesrabbiner abdecken. »Das ist es, was wir am dringendsten brauchen – einen Landesrabbiner, der als Kurator den sieben Gemeinden zur Seite steht, in religiösen wie kulturellen Fragen«, erklärt Cusnir nachdrücklich.
Zersplitterung Vor allem jedoch hofft er darauf, dass das neue Zahlungssystem die bestehenden Gemeinden stabilisiert. Gerüchte, die Neuregelung führe bereits zur Bildung neuer Gemeinden, kommentiert er verhalten. »Juden müssen einander helfen, nicht sich abspalten. Zumal in einer Stadt. Das tut weh.« Cusnir spielt dabei auf die jüdische Gemeinde Potsdam an, die nunmehr in drei Guppen zerfallen ist. Aus Protest gegen den Synagogenbau hatte der in Israel geborene Dirigent Ud Joffe Ende Juni eine dritte Gemeinde in Potsdam gegründet. Ein Finanzierungsantrag für sie wurde bislang offensichtlich noch nicht gestellt. »Bisher ist noch niemand an uns herangetreten«, heißt es aus dem Potsdamer Kulturministerium. Das Geld werde daher zunächst einmal wie geplant unter den bestehenden acht Gemeinden verteilt.
Elena Miropolskaja ist erleichtert angesichts der bevorstehenden höheren Unterstützung vom Land. Auch wenn es in diesem Jahr nicht mehr für eine Sukka gereicht hat – endlich kann sie die Schulden ihrer Gemeinde bezahlen, zu Kulturabenden einladen und, wenn alles gut weiter läuft, im nächsten Jahr Sukkot in einer richtigen Laubhütte feiern.