Erfurt

304.805 Buchstaben als Geschenk

Die Thüringischen Landeskirchen lassen für die Jüdische Gemeinde eine neue Torarolle anfertigen

von Esther Goldberg  29.10.2020 11:44 Uhr

Die Tora als Zeichen der Verbundenheit Foto: Esther Goldberg

Die Thüringischen Landeskirchen lassen für die Jüdische Gemeinde eine neue Torarolle anfertigen

von Esther Goldberg  29.10.2020 11:44 Uhr

Tora ist Leben – darüber sind sich die Jüdische Landesgemeinde Thüringen, die Evangelische Kirche Mitteldeutschland und das Bistum Erfurt einig. Das Projekt »Tora ist Leben« ist zugleich einer der Höhepunkte des Themenjahres »900 Jahre Jüdisches Leben in Thüringen«, das am 1. Oktober offiziell eröffnet wurde.

Innerhalb dieses Themenjahres ist »Tora ist Leben« ein umfangreiches Projekt, das am Montag vorgestellt wurde, in erster Linie Bildung vermitteln soll und mit einem besonderen Geschenk der beiden Landeskirchen an die Jüdische Gemeinde einhergeht: einer neuen Torarolle.

Reinhard Schramm, Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, ist beeindruckt von diesem Geschenk, an dem der Sofer Reuven Yaacobov insgesamt zwei Jahre lang schreiben wird. »Jetzt ist eine Zeit, da die christlichen Kirchen und die Jüdische Landesgemeinde in Freundschaft verbunden sind«, so Schramms Überzeugung. Damit sei eine neue Qualität des Miteinanders von Juden und Christen erreicht. Die Idee dieses Geschenks zeige, mit wie viel Respekt Christen heute die Hebräische Bibel sehen.

IDEE Oberkirchenrat Christhard Wagner von der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands erzählte, wie es zu der Idee der neu zu schreibenden Tora kam. 2018 traf sich Reinhard Schramm mit dem katholischen Bischof Ulrich Neymeyr und der damaligen evangelischen Landesbischöfin Ilse Junkermann, um über gemeinsame Wege gegen wachsenden Antisemitismus zu beraten. Das äußere Zeichen für die Verbundenheit von Juden und Christen sei eben die Tora.

Wagner betonte, dass die Kirche »viel zu lange totgeschwiegen hat, dass Juden und Christen aus der gleichen Wurzel glauben«. »Wir danken deshalb der Jüdischen Landesgemeinde, unsere Umkehr und unser Bekenntnis zur Schuld anzunehmen«, erklärte er.

»Die 304.805 Buchstaben leben zu können, ist ein Zeichen der Freiheit.«

Landesrabbiner Alexander Nachama

»Die Tora ist vollkommen und erfreut die Seele«, sagt Landesrabbiner Alexander Nachama. Er verweist auf die 613 Gesetze der Tora, die Grundlage für jüdisches Leben seien. Die 304.805 Buchstaben leben zu können, sei ein Zeichen der Freiheit. Der Sofer ist Rabbiner Reuven Yaacobov. Er wurde 1977 in Usbekistan geboren und lebt mit Frau und Kindern in Berlin. Yaacobov überwacht die koschere Küche und ist zudem auch Schochet.

Den letzten Buchstaben für die neue Tora wird er öffentlich am 30. September 2021 in Erfurt schreiben. Anschließend soll die Tora durch die Stadt getragen werden, ehe sie in die Synagoge eingebracht wird.
Alexandra Husemeyer aus Eisenach ist die Projektkoordinatorin der Reihe »Tora ist Leben«. Darin werden namhafte Persönlichkeiten aus ganz Deutschland über die Tora und jüdisches Leben heute referieren.

UMFRAGE Eröffnet wird die Reihe von Zentralratspräsident Josef Schuster. Husemeyer hat in Eisenach eine Umfrage gestartet: »Was fällt Ihnen zum Judentum ein, wenn Sie sofort reagieren und nicht groß nachdenken sollen?« Die Antworten waren ernüchternd: Krieg, Konzentrationslager, Holocaust. Kaum kamen Antworten zu den Leistungen jüdischer Wissenschaftler und Künstler.

»Dieses Wissen müssen wir zurückholen«, so Husemeyer. Für 700 Schulkinder der 7. bis 10. Klasse gibt es deshalb während des Themenjahres Workshops unter anderem über die Tora, das hebräische Alphabet und jüdische Kultur. Dafür entwickelt wurde beispielsweise ein Übungsheft mit dem Alefbet. Die ersten Termine sind bereits ausgebucht. Zugleich kann man an diesen Tagen dem Sofer dabei zusehen, wie er einige der 304.805 Buchstaben schreibt.

Chanukka-Umfrage

»Wir brauchen das Licht«

Was für Lieblingssymbole haben Gemeindemitglieder? Und wie verbringen Familien das Fest, wenn ein Partner Weihnachten feiern möchte? Wir haben nachgefragt

von Brigitte Jähnigen, Christine Schmitt  25.12.2024

Berlin

Wenn Hass real wird

Die Denkfabrik Schalom Aleikum beschäftigt sich mit dem gesellschaftlichen Einfluss sozialer Medien

von Alicia Rust  23.12.2024

Interview

»Wir sind neugierig aufeinander«

Amnon Seelig über die erste Konferenz des Kantorenverbandes, Lampenfieber und das Projekt Call a Kantor

von Christine Schmitt  22.12.2024

Porträt der Woche

Ein Signal senden

David Cohen ist Geschäftsführer eines Unternehmens und setzt sich gegen Judenhass ein

von Matthias Messmer  22.12.2024

Soziale Medien

In 280 Zeichen

Warum sind Rabbinerinnen und Rabbiner auf X, Instagram oder Facebook – und warum nicht? Wir haben einige gefragt

von Katrin Richter  20.12.2024

Hessen

Darmstadt: Jüdische Gemeinde stellt Strafanzeige gegen evangelische Gemeinde

Empörung wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024 Aktualisiert

Debatte

Darmstadt: Jetzt meldet sich der Pfarrer der Michaelsgemeinde zu Wort - und spricht Klartext

Evangelische Gemeinde erwägt Anzeige wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024

Hessen

Nach Judenhass-Eklat auf »Anti-Kolonialen Friedens-Weihnachtsmarkt«: Landeskirche untersagt Pfarrer Amtsausübung

Nach dem Eklat um israelfeindliche Symbole auf einem Weihnachtsmarkt einer evangelischen Kirchengemeinde in Darmstadt greift die Landeskirche nun auch zu dienstrechtlichen Maßnahmen

 19.12.2024

Ehrung

Verdiente Würdigung

Auf der Veranstaltung »Drei Tage für uns« wurde der Rechtsanwalt Christoph Rückel ausgezeichnet

von Luis Gruhler  19.12.2024