Tora ist Leben – darüber sind sich die Jüdische Landesgemeinde Thüringen, die Evangelische Kirche Mitteldeutschland und das Bistum Erfurt einig. Das Projekt »Tora ist Leben« ist zugleich einer der Höhepunkte des Themenjahres »900 Jahre Jüdisches Leben in Thüringen«, das am 1. Oktober offiziell eröffnet wurde.
Innerhalb dieses Themenjahres ist »Tora ist Leben« ein umfangreiches Projekt, das am Montag vorgestellt wurde, in erster Linie Bildung vermitteln soll und mit einem besonderen Geschenk der beiden Landeskirchen an die Jüdische Gemeinde einhergeht: einer neuen Torarolle.
Reinhard Schramm, Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, ist beeindruckt von diesem Geschenk, an dem der Sofer Reuven Yaacobov insgesamt zwei Jahre lang schreiben wird. »Jetzt ist eine Zeit, da die christlichen Kirchen und die Jüdische Landesgemeinde in Freundschaft verbunden sind«, so Schramms Überzeugung. Damit sei eine neue Qualität des Miteinanders von Juden und Christen erreicht. Die Idee dieses Geschenks zeige, mit wie viel Respekt Christen heute die Hebräische Bibel sehen.
IDEE Oberkirchenrat Christhard Wagner von der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands erzählte, wie es zu der Idee der neu zu schreibenden Tora kam. 2018 traf sich Reinhard Schramm mit dem katholischen Bischof Ulrich Neymeyr und der damaligen evangelischen Landesbischöfin Ilse Junkermann, um über gemeinsame Wege gegen wachsenden Antisemitismus zu beraten. Das äußere Zeichen für die Verbundenheit von Juden und Christen sei eben die Tora.
Wagner betonte, dass die Kirche »viel zu lange totgeschwiegen hat, dass Juden und Christen aus der gleichen Wurzel glauben«. »Wir danken deshalb der Jüdischen Landesgemeinde, unsere Umkehr und unser Bekenntnis zur Schuld anzunehmen«, erklärte er.
»Die 304.805 Buchstaben leben zu können, ist ein Zeichen der Freiheit.«
Landesrabbiner Alexander Nachama
»Die Tora ist vollkommen und erfreut die Seele«, sagt Landesrabbiner Alexander Nachama. Er verweist auf die 613 Gesetze der Tora, die Grundlage für jüdisches Leben seien. Die 304.805 Buchstaben leben zu können, sei ein Zeichen der Freiheit. Der Sofer ist Rabbiner Reuven Yaacobov. Er wurde 1977 in Usbekistan geboren und lebt mit Frau und Kindern in Berlin. Yaacobov überwacht die koschere Küche und ist zudem auch Schochet.
Den letzten Buchstaben für die neue Tora wird er öffentlich am 30. September 2021 in Erfurt schreiben. Anschließend soll die Tora durch die Stadt getragen werden, ehe sie in die Synagoge eingebracht wird.
Alexandra Husemeyer aus Eisenach ist die Projektkoordinatorin der Reihe »Tora ist Leben«. Darin werden namhafte Persönlichkeiten aus ganz Deutschland über die Tora und jüdisches Leben heute referieren.
UMFRAGE Eröffnet wird die Reihe von Zentralratspräsident Josef Schuster. Husemeyer hat in Eisenach eine Umfrage gestartet: »Was fällt Ihnen zum Judentum ein, wenn Sie sofort reagieren und nicht groß nachdenken sollen?« Die Antworten waren ernüchternd: Krieg, Konzentrationslager, Holocaust. Kaum kamen Antworten zu den Leistungen jüdischer Wissenschaftler und Künstler.
»Dieses Wissen müssen wir zurückholen«, so Husemeyer. Für 700 Schulkinder der 7. bis 10. Klasse gibt es deshalb während des Themenjahres Workshops unter anderem über die Tora, das hebräische Alphabet und jüdische Kultur. Dafür entwickelt wurde beispielsweise ein Übungsheft mit dem Alefbet. Die ersten Termine sind bereits ausgebucht. Zugleich kann man an diesen Tagen dem Sofer dabei zusehen, wie er einige der 304.805 Buchstaben schreibt.