Die Jüdische Gemeinde im südbadischen Emmendingen hat mit etlichen Jubiläumsveranstaltungen in diesem Jahr gezeigt, wie lebendig und engagiert jüdisches Leben in einer Kleinstadt aussehen kann. Beim Festakt zum 300-jährigen Bestehen der Gemeinde am Dienstag in der Steinhalle sagte Emmendingens Oberbürgermeister Stefan Schlatterer, dass er sich auch über den weltoffenen interreligiösen Dialog mit Muslimen und Christen freut.
Wolf-Dietrich Hammann, Ministerialdirektor vom Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg, sagte, er sei dankbar für das Vertrauen der Gemeinde, das keineswegs selbstverständlich sei. Der Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden, Rami Suliman, lobte die »sehr gute Kinder- und Jugendarbeit«, die zu vielen Erfolgen bei der Jewrovision führe. Und Carola Grasse, die Vorsitzende des Vereins für Jüdische Geschichte und Kultur Emmendingen, ist froh, dass sich »die schmerzhafte Lücke« nach dem Nationalsozialismus seit 1995 wieder mit Leben füllt.
jubiläum Dass dieser Neubeginn möglich war, zeige, dass Gott es so gewollt habe, sagte der Emmendinger Gemeinderabbiner Yakov Yudkowsky: »Das war so geplant!« Nun solle sich alles gut weiterentwickeln. Das wünscht sich auch Moshe Flomenmann, der Landesrabbiner von Baden: »In 200 Jahren, wenn die Nachkommen der jetzigen Gemeinde das 500-Jahre-Jubiläum feiern, sollen sie sagen, dass vor 200 Jahren alles richtig gemacht wurde.«
»Große Blüte und verheerende Tragödien« kennzeichneten laut Olga Maryanovska, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Emmendingen, die vergangenen 300 Jahre. Hanno Hurth, der Landrat des Landkreises Emmendingen, beschrieb die Geschichte der Gemeinde von der überwiegend feindseligen Umgebung, mit der die ersten jüdischen Bewohner konfrontiert waren, über die Zeit, in der immer wieder liberal gesinnte Menschen – wie etwa der Unternehmer Carl Helbing – für die Gleichstellung der jüdischen Bürger eintraten bis zu den zwölf Jahren des Nationalsozialismus, als es mit alledem wieder vorbei war, als die Synagoge brannte und die Gemeinde ausgelöscht wurde.
Aufarbeitung Der pensionierte evangelische Pfarrer Karl Günther erzählte von eigener Betroffenheit und von seinen Erfahrungen aus einem Nachkriegs-Emmendingen, das sich weigerte, sich mit seiner Geschichte auseinanderzusetzen, von Konflikten um Gedenktafeln für den alten jüdischen Friedhof sowie für den ehemaligen Gemeindevorsitzenden Simon Veit, nach dem auch eine Gasse benannt werden sollte, und die Proteste im Umfeld. Er habe lange überlegt, ob er nun daran erinnern solle, sagte Günther. »Ich mache es deshalb, weil diese Mentalität bis heute nicht verschwunden ist. Wir brauchen Entschiedenheit und Entschlossenheit, um dagegen anzugehen.«
»Wir dürfen das Feld nicht den Hetzern überlassen«, warnte auch die Offenburger Oberbürgermeisterin Edith Schreiner: Rechtspopulistische Parteien und Bewegungen gälten in ganz Europa wieder als wählbar, und in den USA sei ein Mann mit populistischen Parolen Präsident geworden.