»Natürlich sind wir eine große Familie …«, da hat Zentralratspräsident Dieter Graumann schon recht, aber das Mädchen muss schlucken, ein Mädchen aus irgendeinem Jugendzentrum, aber eben nicht aus München, Berlin oder Köln. Es macht sich davon, nach draußen ins Entrée der Kleinen Olympiahalle in München. Da ist Party. Da endlich lässt die Anspannung nach. »Doch die mit diesem oder jenem Bändchen am Arm« müssen nach Hause ins Bett, einfach weil sie erst 13 Jahre oder jünger sind, hat Marat Schlafstein, der Organisator der Jewrovision, gesagt. Die Älteren machen weiter.
»Köln war echt nicht schlecht«, hört man, und das Jugendzentrum Jachad aus Köln wurde ja auch Erster mit dicken 120 Punkten. Die hatten Stimmen zu bieten, die die noble Olympiahalle ausfüllten. Während die Jewrovision im vergangenen Jahr noch im fabrikmäßigen Münchner »Zenith« stattfand, hat das Ambiente nun gewechselt.
premiere Noch etwas hat sich geändert, etwas Wesentliches. Der Veranstalter der Jewrovision 2013 ist erstmals der Zentralrat der Juden in Deutschland. Das und vieles andere macht den Präsidenten Dieter Graumann »richtig glücklich«. Er eröffnet das große Fest der jüdischen Jugend Deutschlands. »Wir übernehmen das und machen es immer noch schöner, noch besser.« Die Jewrovision »präsentiert das Judentum von seiner besten Seite«, davon ist Dieter Graumann überzeugt. Und die Show vom Samstagabend gibt ihm recht.
Köln ist der große Sieger. Dorthin wandert also der Pokal. Zum dritten Mal übrigens. Adele und ihr James-Bond-Song als Vorlage zu nehmen, war eine gute Idee. Wer wagt, gewinnt. Berlin wurde Zweiter. Die Berliner Fans waren wie immer die Größten. Das JuZe Olam brachte Queen-Atmosphäre auf die Bühne und erklärte zukunftsweisend: »Ich bin einfach nicht zu stoppen, bin fürs Helfen bereit.« Wie man überhaupt sagen muss, dass ausnahmslos alle Jugendzentren überlegt und zielstrebig das Motto der diesjährigen Jewrovision »The Future is Now« umgesetzt haben. Das Vorstellungsvideo der Berliner wurde zum besten des Abends gekürt. Es gab auf sehr witzige, berlinerische Art Einblick ins Gemeindeleben.
Jüdischkeit Zur Jewrovision gehört ja viel mehr als nur »der Act«. An die 800 Kinder und Jugendliche sind nach München gekommen. Kinder und Jugendliche aus über 40 Gemeinden haben an dem begleitenden Mini-Machane teilgenommen. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, hat sie gerne in ihrer Stadt zur »größten jungen, jüdischen Party der Welt« empfangen.
In der Olympiahalle hat sie sich, weil sie verhindert war, durch Vizepräsidentin Judith Epstein und den Vizepräsidenten Michael Fischbaum vertreten lassen. Der Vorsitzende der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, Ebi Lehrer, und ihr Direktor Benjamin Bloch schreiben in ihrem Grußwort, dass man bei der Jewrovision die »jüdische Seele förmlich spüre«, die Veranstaltung sei ein »Wochenende voller Jüdischkeit«.
Für Jüdischkeit sorgte in der Olympiahalle mit ihrer frischen Art auch die liebenswürdige Susan Sideropoulos. Moderieren ist ihr Ding und Erzählen aus ihrer Zeit als Madricha auch. Der Job in der Jury, den sie in den letzten Jahren gemacht hatte, war ihr zu stressig geworden.
fachjury Aber irgendjemand muss ja entscheiden. Das tat dann die Fachjury mit Gil Ofarim, der zur allgemeinen Begeisterung während der Auswertung auch noch auf der Bühne als Sänger zu hören war, und Nachumi Rosenblatt, Jugendreferent der ZWST. Dritter wurde dann also München, das Jugendzentrum Neshama, die alten Hasen mit ihrem speziellen Sound, mit dem sauberen Gesang und der ausgeklügelten Choreografie. Für den Special Act des Abends sorgte donnernd wie schon vergangenes Jahr die Band »Merlin Penniston«.
Im Entrée wird gefeiert. Alle waren gut: das JuZe Ekew aus Freiburg mit der mutigen Songzeile »Wir wollen nicht mehr Marionetten sein!«; das JuZe Oz aus Wiesbaden mit dem Riesengeschenk auf der Bühne, eine Superidee; das JuZe Mehalev aus Nürnberg von elegant bis rockig; das JuZe Amichai aus Frankfurt, clever und mit guten Stimmen; das JuZe Emuna aus Dortmund, außerirdisch auch die Stimme dieser zierlichen Person; das JuZe Chasak aus Hamburg, gutes Zusammenspiel auf allen Ebenen; das JuZe Agada aus Recklinghausen, nachdenklich und stimmgewaltig; das JuZe Kadima aus Düsseldorf mit einem echten Mutmachsong; und Mannheim, das JuZe Or Chadasch, es war nach Jahren wieder zurück. Die Mannheimer haben sich in ihr Künstlerteam Verstärkung aus anderen badischen Gemeinden geholt, aus kleinen, die »keinen eigenen Jewro-Auftritt realisieren können«. Das ist nun wirklich eine gute Sache. In ihrer Show brachten sie Cheerleader-Begeisterung auf die Bühne.
»Wir haben einen wunderbaren Abend mit viel Begeisterung erlebt«, resümiert Dieter Graumann, der mit Kuturstaatsminister Bernd Neumann auch Schirmherr der Veranstaltung ist. »Die
Kreativität und Begabung der jungen Leute ist bewundernswert. Ich bin stolz auf unsere jungen Talente. Nicht nur die Sieger, sondern alle Gruppen haben tolle Show-Acts gezeigt und sind somit allesamt Sieger unserer Herzen. Die Jury hatte es nicht leicht. Ich freue mich jetzt schon auf die nächste Jewrovision.«
Unterdessen wird draußen weiter gefeiert. Alle tauchen ein ins Fest. Und hier klappt es dann tatsächlich. »Wir sind eine Familie«. Jewrovision funktioniert.