Haggada

Zwei Pessachlieder und ihre Geschichten

Eine Pessach-Haggada Foto: Uwe Steinert

Das Textbuch der ersten beiden Pessachabende, die Haggada, beinhaltet Gleichnisse, Gedanken und exegetische Anmerkungen zur Geschichte des Auszuges unserer Vorfahren aus der Knechtschaft Ägyptens. Es ist ein Volksbuch, das von einigen namhaften und vielen namenlosen Autoren über viele Jahrhunderte geschrieben und verfasst wurde.

Am Ende der Haggada finden wir verschiedene Lieder aus unterschiedlichen europäischen Ländern. Bis zum Mittelalter war der Sederabend mit der Mahlzeit und dem Tischgebet danach zu Ende. Erst in der Neuzeit, etwa ab dem 15. Jahrhundert, haben deutsche Juden den Abend ausgedehnt und unterschiedliche Lieder eingefügt, häufig in ihrer Umgangssprache, auf Jiddisch oder sogar auf Aramäisch.

Zahlenspiel »Echad Mi Jodea« ist ein sehr verbreitetes Zahlenspiel. In Dialogform werden Zahlen von eins bis 13 aufgeführt und ihnen eine Bedeutung gegeben: »Wer weiß, was eins ist?« Die Antwort: »Eins ist der liebe G’tt, der Himmel und Erde erschuf!« Es folgt die zweite Frage: »Wer weiß, was zwei ist?« »Zwei sind die Tafeln des Bundes vom Berge Sinai!« »Wer weiß, was drei ist?« »Drei sind die Väter: Abraham, Isaak und Jakob!« So geht es weiter bis zur 13. Zu jeder Zahl werden Eigenschaften und Besonderheiten aus der jüdischen Gedankenwelt hinzugefügt.

Die Urform dieses Liedes war ein Katechismuslied aus dem Rheinland, das christlichen Kindern die wesentlichen Elemente ihres Glaubens in allgemein verständlicher Form beibrachte. In dieser Fassung wurden die christlichen Elemente zu den Zahlen hinzugefügt, zum Beispiel die vier Evangelisten, die Seligsprechungen et cetera. Mit feinem pädagogischen Gefühl wurde dieses Lied für den Sederabend umgewandelt und gegen Ende der Zeremonie eingesetzt. Heute wird »Echad Mi Jodea« in aller Welt gesungen.

Kettenmärchen Ein weiteres, nicht minder beliebtes populäres Lied heißt »Chad Gadja«. Es ist ein Kettenmärchen, das bei Kindern sehr verbreitet war. Wir finden »Chad Gadja« in der Prager Haggada, die im 15. und 16. Jahrhundert gedruckt wurde: »Ein Zicklein kaufte mir mein Vater für zwei Groschen. Da kam die Katze und fraß das Zicklein, dann kam der Hund und biss die Katze, dann schlug der Stock den Hund, und Feuer verbrannte den Stock. Das Wasser löschte das Feuer, eine Kuh trank das Wasser, der Schächter schlachtete die Kuh, der Tod holte den Schächter. Am Ende vertilgt der Herrg’tt den Tod.«

In einem handschriftlichen Siddur aus dem Jahre 1406 fand man die beiden Lieder »Echad Mi Jodea« und »Chad Gadja«. In dieser Handschrift wird erwähnt, dass die Texte bis dahin im Lehrhaus des berühmten Rabbi Eleasar ben Jehuda (»Rokeach«) in Worms verborgen waren. Der »Rokeach« war ein Schüler von Jehuda Chassid, dessen Werk Sefer Hachassidim viele deutsche volkstümliche Elemente und Traditionen aufbewahrt hatte.

Daher scheint es bestätigt zu sein, dass die Spuren dieser Lieder im damaligen Deutschland zu finden sind. Wirkung und Wechselwirkung zwischen deutschen und jüdischen Elementen sind nachweisbar. In der Volksliedersammlung Des Knaben Wunderhorn von Achim von Arnim und Clemens Brentano ist eine vollständige deutsche Übersetzung des »Chad Gadja« zu finden.

Allemania Judaica Vor Kurzem entdeckte ich in der Allemania Judaica aus Dörzbach im Hohenlohe in Württemberg eine Version als Kinderlied in fränkischem Dialekt. Die Wormser Juden, die »Chad Gadja« zum Abschluss des Sederabends sangen, wollten so zum Ausdruck bringen: Was uns auch immer bedrohen mag, der Herrg’tt herrscht über alle Kräfte, Gewalt und Geschehen, und nur bei Ihm ist Gerechtigkeit zu finden.

Eine wichtige Rolle bei der Begründung der Aufnahme beider Lieder ist, dass man bemüht war, die Kinder in den Familien noch zu später Stunde wachzuhalten und ihnen auch ihrem kindlichen Gemüt Entsprechendes anzubieten. Dies ist weitgehend gelungen.

Bereschit

Die Freiheit der Schöpfung

G’tt hat für uns die Welt erschaffen. Wir haben dadurch die Möglichkeit, sie zu verbessern

von Rabbiner Avichai Apel  17.10.2025

Talmudisches

Von Schuppen und Flossen

Was unsere Weisen über koschere Fische lehren

von Detlef David Kauschke  17.10.2025

Bracha

Ein Spruch für den König

Als der niederländische Monarch kürzlich die Amsterdamer Synagoge besuchte, musste sich unser Autor entscheiden: Sollte er als Rabbiner den uralten Segen auf einen Herrscher sprechen – oder nicht?

von Rabbiner Raphael Evers  17.10.2025

Mussar-Bewegung

Selbstdisziplin aus Litauen

Ein neues Buch veranschaulicht, wie die Lehren von Rabbiner Israel Salanter die Schoa überlebten

von Yizhak Ahren  17.10.2025

Michael Fichmann

Essay

Halt in einer haltlosen Zeit

Wenn die Welt wankt und alte Sicherheiten zerbrechen, sind es unsere Geschichte, unsere Gebete und unsere Gemeinschaft, die uns Halt geben

von Michael Fichmann  16.10.2025

Sukka

Gleich gʼttlich, gleich würdig

Warum nach dem Talmud Frauen in der Laubhütte sitzen und Segen sprechen dürfen, es aber nicht müssen

von Yizhak Ahren  06.10.2025

Chol Hamo’ed Sukkot

Dankbarkeit ohne Illusionen

Wir wissen, dass nichts von Dauer ist. Genau darin liegt die Kraft, alles zu feiern

von Rabbiner Joel Berger  06.10.2025

Tradition

Geborgen unter den Sternen

Mit dem Bau einer Sukka machen wir uns als Juden sichtbar. Umso wichtiger ist es, dass wir unseren Nachbarn erklären können, was uns die Laubhütte bedeutet

von Chajm Guski  06.10.2025

Sukkot

Fest des Vertrauens

Die Geschichte des Laubhüttenfestes zeigt, dass wir auf unserem ungewissen Weg Zuversicht brauchen

von Rabbinerin Yael Deusel  06.10.2025