Im Jahr 2010 gab es in den USA eine Diskussion über die Kaschrut bestimmter Fischarten. Dabei ging es um Fische, die häufig Fadenwürmer (Anisakis) enthalten. Diese verursachen Anisakiasis, eine Krankheit des Magendarmtrakts. Betroffen ist davon etwa der Hering.
Die gesamte Diskussion hat ihren Ursprung im Talmud (Chullin 67b). Dort wird gesagt, derartiger Fisch sei erlaubt, da der Wurm seine erkennbare Form im Fleisch des Fisches selbst erreicht und er nicht von außen in den Fisch gelangt. In den Worten des Talmuds: »Ein Tier wird durch die Schlachtung koscher. Und da die Schlachtung für diese Würmer nicht wirksam ist, behalten sie ihren verbotenen Status. Aber Fische sind dann erlaubt, wenn man sie nur sammelt. Wenn diese Würmer also aus dem Fisch selbst stammen, sind sie erlaubt.«
»Tola’at« oder »Rimma«
Hier verwendet der Talmud das Wort »Tole’ah«. Es begegnet uns in den Quelltexten auch als »Tola’at« oder »Rimma«. Beide Begriffe meinen keine spezielle Wurmart, sondern umfassen nahezu jedes kriechende Insekt ohne Beine. Es kann eine Made, eine Larve, ein Wurm oder eine Raupe sein, wie beim bekanntesten Wurm des Tanach, im Buch Jona.
Dort heißt es: »Und der Ewige, Gʼtt, entbot einen Kikajon, dass er aufwuchs über Jona, dass Schatten sei über seinem Kopf, um ihm seinen Verdruss zu vermindern. Und Jona hatte über den Kikajon eine große Freude. Da entbot Gʼtt einen Wurm, als das Morgenrot aufstieg am Tag darauf, und er stach den Kikajon, dass er verdorrte« (4, 6–7).
Den Baum Kikajon gibt es nur im Buch Jona. Es handelt sich vermutlich um einen Rizinusbaum. Dessen Samenschalen sind für Tiere und Menschen giftig. Das einzige Tier, das sich von ihm ernähren kann, ist der Nachtfalter Olepa Schleini. Er lebt heute in den Küstengebieten Israels und wurde erst 2005 von Yosef Schlein entdeckt.
In der Tora verzehren Würmer das überzählig gesammelte Manna
Würmer finden wir auch in der Tora. Sie verzehren das überzählig gesammelte Manna im 2. Buch Mose 16,20: »Aber sie (die Kinder Israels) hörten nicht auf Mosche, sondern einige ließen davon bis auf den folgenden Morgen übrig, doch es krochen Würmer heraus, und es war stinkend.«
Auch auf Noachs Arche soll es Würmer gegeben haben. Sie wurden gezüchtet, so erzählt es Elieser dem Schem (Noachs Sohn) laut dem Talmud: »Beim Chamäleon wusste Vater nicht, was es frisst. Eines Tages saß er und zerschnitt einen Granatapfel, und als aus diesem ein Wurm herausfiel, verzehrte es ihn. Von nun ab stampfte er für dieses Kleie ein, und als sie Würmer bekam, aß es (das Chamäleon) sie« (Sanhedrin 106b).
Einige Wurmarten sind mit ihren Namen im Talmud überliefert
Einige Wurmarten sind mit ihren Namen im Talmud überliefert, etwa der Regenwurm. Im Traktat Chullin (40a) finden wir ihn als »Schilschul«. An dieser Stelle wird berichtet, dass es wohl Opfer für den Wurm gegeben haben könnte.
Im Traktat Sota (3b) begegnen wir einem Wurm mit der Bezeichnung »Karja«: »Raw Chisda sagt: Unzüchtiges Verhalten in einem Haushalt ist wie Karja im Sesam.« Raw Chisda meint damit: Wie der Wurm den Sesam zerfrisst, so zerstört der Ehebruch das Gefüge der Familie. Ähnlich verhält es sich mit anhaltendem Zorn: »Und Raw Chisda sagt: Zorn in einem Haus ist wie Karja im Sesam.« Hier ist der Wurm also eine Metapher. Ebenso in Tehillim 22,7: »Ich aber bin ein Wurm, weniger als ein Mensch, der Menschen Hohn und von den Leuten verachtet.«
Wenngleich der Wurm weniger ist als der Mensch, wird der Wurm das sein, was vom Menschen eines Tages übrig bleibt. So endet das Buch Jeschajahu mit dem Wurm (66,24): »Sie werden hinausgehen und schauen auf die Leichen derer, die sich gegen mich auflehnten: Ihre Würmer werden nicht sterben, noch soll ihr Feuer gelöscht werden; sie werden ein Schrecken sein für alles Fleisch.«
Es wurde also genau beobachtet, dass die kleinen Wesen durchaus das Potenzial für großen Schaden haben, und wie wir heute wissen, auch für großen Nutzen, der über die Verfütterung auf der Arche hinausgeht.