Kaum sind die Hohen Feiertage vorbei, steht ein weiteres Fest an. Sukkot, das Laubhüttenfest, ist ein besonders freudiges Ereignis, denn gerade für diese Tage gebietet uns die Tora, »dass du ganz in Freuden sein sollst« (5. Buch Mose 16,15).
Doch wie froh können wir eigentlich sein, wenn wir Sukkot im Herbst feiern? Ausgerechnet dann, wenn es kälter geworden ist, verlassen wir unsere feste Wohnung und ziehen für sieben Tage in die Sukka – unsere vorübergehende Wohnung. Und nicht nur das, wir feiern Sukkot gleich im Anschluss an Jom Kippur. Nur vier Tage trennen die »Tage der Furcht« von den Tagen der Freude.
Termin Sukkot soll uns an den Auszug aus Ägypten erinnern. »In den Hütten sollt ihr wohnen sieben Tage lang … damit eure künftigen Geschlechter wissen, dass ich in den Hütten weilen ließ die Kinder Israel, als ich sie aus dem Land Mizraim führte«, heißt es im 3. Buch Mose 23,42. Wenn das so ist, sollten wir dann nicht lieber im Frühling in der Sukka sitzen, Pessach feiern und Mazza essen? Warum legt die Tora den Beginn von Sukkot ausgerechnet auf den 15. Tischri?
Viele Gelehrte haben sich mit dieser Frage auseinandergesetzt und antworten, dass nichts Besonderes daran wäre, würden wir Sukkot im Frühling feiern, denn im Frühling verlassen die Menschen üblicherweise ihre Häuser und verbringen ihre Zeit lieber in der Natur. Und so wäre uns gar nicht bewusst, dass die Sukka dazu dient, ein wichtiges historisches Ereignis in unseren Herzen zu verewigen.
Schatten Jedoch beantwortet das nicht die Frage, warum Sukkot ausgerechnet am 15. Tischri beginnt. Wir müssen daher verstehen, dass mit »Sukka« nicht nur die eigentliche Laubhütte gemeint ist – es steckt mehr dahinter. In der Tat vertritt Rabbi Eliezer die Meinung, dass die Hütten, die von der Tora erwähnt wurden, in Wirklichkeit die »Wolken der Herrlichkeit seien« (Talmud Sukka 11b), die unsere Vorfahren 40 Jahre lang durch die Wüste begleiteten, Schutz und Schatten spendend.
Nicht nur Rabbi Eliezer, sondern auch Raschi – der bedeutendste Kommentator – schreibt in seiner Anmerkung zum Vers im 3. Buch Mose 23,43, dass es sich hierbei um die Wolken der Herrlichkeit des Ewigen handelt.
Neben Raschi haben diese Interpretation auch ansehnliche Poskim (halachische Autoritäten) wie Rabbiner Jakov Ben Ascher und Rabbiner Josef Karo gewählt. Und so steht auch im Schulchan Aruch (Orach Chaim 625), dass »Sukkot« die Wolken der Herrlichkeit waren.
Goldenes Kalb Basierend auf dieser Ansicht erklärt der Gaon von Wilna, Rabbiner Elijahu ben Schlomo Salman (1720 –1797), dass gemäß des Midrasch die Wolken der Herrlichkeit gleich nach der Sünde mit dem Goldenen Kalb verschwanden und erst zurückkehrten, als mit dem Bau des Stiftzeltes begonnen wurde.
Dabei macht der Gaon folgende Rechnung auf: Mosche Rabejnu beauftragte die Kinder Israels mit der Errichtung des Stiftzeltes »am Tage nach Jom Hakippurim« (Raschi 2. Buch Mose 35,1) – dem 11. Tischri. Laut dem Midrasch, der sich auf den Vers »Diese aber brachten ihm noch freiwillige Gaben Morgen für Morgen« (2. Buch Mose 36,3) bezieht, hat man die Gaben des Volkes für den Bau des Mischkan nur an zwei Morgen gesammelt, also am 12. und 13. Tischri.
Am darauffolgenden Tag, dem 14. Tischri, wurde ausgerufen, dass das Volk keine Gaben mehr bringen soll. Gleich am nächsten Morgen, am 15. Tischri, begann man mit der Errichtung des Mischkan, und die Wolken der Herrlichkeit kehrten zurück.
Schechina Bekannt ist, dass diese Wolken auch als Symbol für die Schechina, die g’ttliche Gegenwart, stehen. Als Menschen die Wolken wiedersahen, verstanden sie, dass die Schechina wieder unter ihnen weilte, was bedeutet, dass die Sünde des goldenen Kalbs verziehen wurde. Diese Tatsache hat die Herzen der Menschen mit übermäßiger Freude erfüllt. Als Erinnerung daran bestimmte die Tora, dass wir Sukkot genau am 15. Tischri feiern sollen.
Sicher ist, dass uns an Jom Kippur verziehen wurde, und dass wir auch die nötige Kraft aufgebracht haben, unseren Mitmenschen zu verzeihen. Es freut uns zu wissen, dass wir wieder von Neuem beginnen können, und dass uns keiner die Sünden des vergangenen Jahres nachträgt.
Mit diesem Gefühl betreten wir die Sukka, den Treffpunkt mit der Schechina, denn in einer Gesellschaft, in der die Menschen im Reinen miteinander sind, fühlt sich auch die Schechina heimisch. Wir erinnern uns dann an die Wolken der Herrlichkeit – und auch, wenn es in der Sukka ab und zu etwas kühl oder nass ist, strahlen unsere Gesichter, denn unsere Herzen sind von Freude übervoll.