Der Krieg dauert schon drei Wochen. Leider scheint er noch lange nicht zu Ende zu sein, und wir sehen uns hier in Westeuropa mit immer mehr Flüchtlingen konfrontiert. In manchen Teilen der Ukraine können die Menschen noch die unter Beschuss stehende Heimat verlassen, in anderen ist ihnen das nicht mehr möglich.
Juden kennen Geschichten von Flucht und Vertreibung nur zu gut. Heute, an Purim, erinnern wir uns daran, dass die Juden damals in der persischen Diaspora nirgendwohin konnten. Sie befanden sich im Reich von Achaschwerosch und Haman, es drohte die Vernichtung.
Ägypten Aber vor 3334 Jahren haben wir Ägypten verlassen. Wir wurden vom Pharao und seinen Dienern vertrieben. Jedes Jahr gedenken wir an Pessach unseres Auszugs. Offenbar ist es wichtig, sich von Zeit zu Zeit daran zu erinnern, dass wir alle ein bisschen Flüchtlinge sind.
In der Flüchtlingskrise zeigt sich der Moment der humanen Wahrheit in der europäischen Geschichte.
Das aktuelle Flüchtlingsproblem in Europa hat viel Mitgefühl, aber auch Angst ausgelöst. Die westeuropäischen Länder öffneten ihre Grenzen und versprachen echte Hilfe, anders als für unsere Großeltern während der Schoa. Hat Westeuropa endlich etwas aus der Geschichte und aus der Tora gelernt?
Für uns Juden ist eine Leitlinie klar, die Tora ist in dieser Hinsicht sehr eindeutig: »Du sollst einen Fremden nicht unterdrücken und ihn nicht bedrängen, denn ihr seid Fremde im Land Ägypten gewesen.« Wir dürfen Flüchtlinge nicht unterdrücken. Wir dürfen sie nicht sich selbst überlassen. Wir müssen ihnen helfen und sie bei uns aufnehmen.
herausforderung In der Flüchtlingskrise zeigt sich der Moment der humanen Wahrheit in der europäischen Geschichte. Das ist eine große moralische Herausforderung.
Eine proportionale Verteilung von Flüchtlingen auf Westeuropa folgt dem biblischen Grundsatz. Jetzt, wo Westeuropa geeint ist, ist dies ein moralisches Gebot. Die Flüchtlingsfrage ist letztlich eine Frage unserer Gastfreundschaft und unserer Opferbereitschaft.
Der Autor ist Rabbiner und lebt in Israel.