Chanukka

Wir brauchen das Licht!

Die Kerzen sind ein Zeichen der Hoffnung. Foto: Getty Images

Chanukka ist – normalerweise – ein fröhliches und familienfreundliches Fest. Man muss keine aufwendigen Gebote erfüllen, trifft sich mit Familie und Freunden, isst leckere Latkes oder Sufganiot. Man kann auch problemlos nichtjüdische Bekannte oder Kollegen einladen und muss ihnen keine komischen Bräuche erklären.

Doch was ist mit Chanukka in diesem Jahr? Können wir wirklich so unbeschwert feiern wie sonst? Schließlich sitzt der Schock vom 7. Oktober immer noch tief, der Krieg im Gazastreifen tobt weiter, und auch hierzulande liegt ein dunkler Schatten über dem jüdischen Leben. Sind Chanukka-Feiern gut für unsere mentale Gesundheit? Auf all diese Fragen kann man ruhigen Gewissens mit einem »Ja« antworten. Wenn uns gerade jetzt etwas helfen kann, dann ist es Chanukka.

Denn das Fest hält zwei positive Aspekte bereit, und zwar einen militärischen Sieg und das Wunder mit dem Öl im Tempel. Für unsere Brüder und Schwestern in Israel ist aktuell der erste Aspekt sehr wichtig. Einfache Priester, ohne militärische Ausbildung und gute Waffen, haben eine erfahrene und mit allerlei Kriegsgerät ausgerüstete griechische Armee besiegt. Dies zeigt sehr eindrücklich, dass es nicht auf Stärke, Erfahrungen oder Ausrüstung ankommt, sondern dass es darum geht, auf welcher Seite Gʼtt kämpft.

Doch am 7. Oktober wurde die israelische Hightech-Armee mit all ihren Panzern, Kampfhubschraubern und Drohnen vom schwächeren Feind so überrumpelt, als würde sie nicht existieren. Das hätte so nicht passieren dürfen. Allerdings hat König David uns schon vor 3000 Jahren gewarnt: »Wenn Gʼtt die Stadt nicht hütet, wacht der Wächter vergeblich« (Tehillim 127,1). Vielleicht hatten innerisraelische Konflikte den gʼttlichen Schutz geschwächt und den Feind zum Angriff ermutigt? Chanukka ist ein guter Zeitpunkt, um die Verbindung zum Schöpfer zu erneuern. Die Gesellschaft muss sich wieder vereinen. Dann kann der Feind besiegt werden.

Was aber ist mit uns Juden in der Dia­spora? Auch wir spüren die Auswirkungen sehr deutlich. Noch sucht die Politik nach den richtigen Ansätzen im Kampf gegen den grassierenden Judenhass, und die Kosten für die Sicherheit jüdischer Veranstaltungen steigen deutlich. Können wir da überhaupt noch feiern?

Juden in der Diaspora

In diesem Kontext hilft uns der zweite Aspekt von Chanukka, und zwar das Ölwunder. So würde ein Wanderer, der im Wald übernachtet, einen fatalen Fehler begehen, auf ein Lagerfeuer zu verzichten, nur um »nicht aufzufallen«. Er könnte zur leichten Beute von Raubtieren werden. Auch den Juden in der Diaspora hat diese »Nicht auffallen«-Taktik nie geholfen.

Die leuchtende Chanukkia lehrt uns: Seid bewusste und stolze Juden! Füllt die Synagogen, feiert jüdische Simches! Deshalb ist die Entscheidung des Zentralrats der Juden in Deutschland, trotz allem den Gemeindetag in Berlin zu veranstalten, absolut richtig. Und es ist kein Zufall, dass dieser mit dem Zünden der achten Kerze beginnt, wenn die Chanukkia mit maximalem Licht brennt.

Es ist übrigens auch kein Zufall, dass wir in der Diaspora jetzt solche schwierigen Zustände haben. Juden sind eine (Schicksals-)Gemeinschaft. Deshalb kann es nicht sein, dass wir uns hier in Sicherheit wähnen, während Juden in Israel leiden. Die Antisemiten sorgen unbewusst dafür, dass die Ereignisse in Israel uns sehr nah sind. Auch hier hilft Chanukka uns, wieder Boden unter den Füßen zu bekommen. Nur zu Sukkot und zu Chanukka wird acht Tage lang ein ganzes »Hallel« gesagt. So wie Sukkot die »Zeit unserer Freude« ist, sollte es auch Chanukka sein.

Wir dürfen uns von unseren Feinden nicht unterkriegen lassen, sondern sollen mit unseren Familien, Freunden und Kollegen ordentlich feiern. Das jüdische Volk ist ein ewiges Volk und hat schon schlimmere Zeiten erlebt. Unsere Vorfahren haben Chanukka auch in der Zeit der Kreuz­züge, der Inquisition, während Pogromen und der Schoa gefeiert. Wenn wir unser Chanukka­fest nicht aufgeben, sondern mit viel Licht und Freude begehen, dann werden es auch unsere Nachkommen feiern, wenn Hamas und Hisbollah schon längst Geschichte sind.

Wir haben mit viel Dunkelheit zu kämpfen, doch die Dunkelheit vertreibt man am besten mit viel Licht. Und das Licht von Chanukkakerzen ist das beste Mittel dagegen.

Purim

Doppelter Feminismus

Waschti und Esther verkörpern zwei sehr unterschiedliche Strategien des Widerstands gegen die männliche Dominanz

von Helene Braun  13.03.2025

Megilla

Wegweiser in der Fremde

Aus der Purimgeschichte leitete ein mittelalterlicher Rabbiner Prinzipien für das jüdische Überleben in der Diaspora ab, die erst in der Moderne wiederentdeckt wurden

von Rabbiner Igor Mendel Itkin  13.03.2025

Militärseelsorge

Militärrabbiner Ederberg: Offenes Ohr für Soldaten im Norden

Arbeit bei der Bundeswehr sei Dienst an der Gesellschaft insgesamt, den er als Rabbiner gerne tue, sagt Ederberg

 11.03.2025

Fest

Mehr als Kostüme und laute Rasseln: Purim startet am Donnerstagabend

Gefeiert wird die Rettung der Juden vor der Vernichtung durch die Perser

von Leticia Witte  11.03.2025

Tezawe

Kleider, die die Seele formen

Was es mit den prächtigen Gewändern der Hohepriester auf sich hat

von Rabbiner Jaron Engelmayer  07.03.2025

Talmudisches

Heilen am Schabbat

Was unsere Weisen über Notfälle und Pikuach Nefesch lehren

von Rabbinerin Yael Deusel  07.03.2025

Meinung

Übersehene Prophetinnen

Zum Weltfrauentag fordert die Rabbinatsstudentin Helene Braun mehr Sichtbarkeit für jüdische Vorreiterinnen

von Helene Braun  06.03.2025

Truma

Der tragbare Sinai

Warum das Stiftszelt kein heiliger, aber ein geheiligter Ort ist

von Chajm Guski  28.02.2025

Neuauflage

Ein antizionistischer Zionist

Das Denken des deutsch-jüdischen Religionsphilosophen Isaac Breuer lässt sich nun gründlicher erschließen

von Yizhak Ahren  28.02.2025