Laubhüttenfest

Wer jetzt kein Haus hat ...

Sukkabau in Berlin Foto: Gregor Zielke

Die Tora lehrt uns: Zuerst soll der Mensch ein Haus bauen, dann einen Weinberg pflanzen und zuletzt heiraten. Ein Haus ist ein Wohnort, eine Stätte des Rückzugs für Familie, Freunde und für uns selbst. Der Gedanke, ein Haus zu bauen, zum Schutz, zur Begegnung oder als Rückzug, ist uralt und ein konstantes menschliches Bedürfnis. Das war von Anbeginn unserer Existenz der Fall: Zuerst wohnten wir in Höhlen, dann in Hütten (Sukkot) und später in Häusern. Und nicht nur das – wir bauten auch Häuser für unsere Tiere.

Dach Die Faszination, ein Haus zu bauen, finden wir nicht nur in der Tora. Ein Haus soll uns Sicherheit geben und ein Dach über dem Kopf, damit wir geschützt sind vor Witterungen und der wilden Natur. Denken wir an die unterschiedlichen Höhlen mit ihren Malereien, die dem Menschen vor langer Zeit als Wohn- und Kultstätte dienten, und an prunkvolle Paläste oder auch Pyramiden.

All das waren Behausungen, die Menschen bauten, um sich ein Heim zu schaffen, aber auch, um späteren Generationen in Erinnerung zu bleiben und zivilisatorisch einen Fingerabdruck für ihre Nachwelt zu hinterlassen. König David hatte zum Beispiel die Idee, ein besonderes Haus zu bauen: einen Tempel für den Ewigen. Er wollte einen Ort schaffen, damit Gott einen physischen Platz auf Erden hat. Doch erst König Salomon, sein Sohn, sollte diese ehrwürdige Aufgabe erfüllen dürfen.

In der heutigen Zeit sprechen wir weniger von zivilisatorischen Fingerabdrücken, die wir unserer Nachwelt hinterlassen wollen. Heute beschäftigen wir uns eher mit dem Phänomen der unzureichenden Wohnmöglichkeiten und dem Mangel an Wohnraum.

Mietpreis In diesem Zusammenhang geht es auch um Mieten, die in den Großstädten Deutschlands enorm angestiegen sind. Solche Preisexplosionen treffen vor allem Menschen, die ohnehin wenig verdienen: Studenten und Familien mit geringem Einkommen.

Als Konsequenz mieten sich diese Gruppen oft Wohnungen, die kleiner sind, jedoch zu einem viel höheren Preis – wenn sie denn überhaupt eine Wohnung finden. Mietpreise in Ballungszentren wie München, Frankfurt und Berlin sind teilweise schon auf bis 20 Euro pro Quadratmeter angestiegen – und teilweise sogar darüber.

Studenten Die Folge ist, dass Studenten mehr arbeiten müssen, um sich eine Wohnung leisten zu können, oder sie bleiben gleich bei ihren Eltern wohnen. Auch Durchschnittsverdiener stoßen in vielen Städten auf Probleme bei der Suche nach einer finanzierbaren Mietwohnung.

Selbst die Mittelschicht kann sich viele Neubaumieten nicht mehr leisten. Deshalb fordern Verbände, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, unter anderem deutlich mehr Sozialwohnungen. Das wiederum erregt mitunter den Neid von Nicht-Transferleistungsempfängern, die aus eigener Kraft eine Wohnung weder kaufen noch neu anmieten können.

Wohnraum Ein Sprichwort sagt: »Im Sturm tut es jeder Hafen.« Vielleicht passt dieses Zitat am besten zu unserem heutigen Problem mit Wohnraum. Unsere Vorfahren kannten dieses Problem kaum. Man baute ein Haus, um sich von anderen abzuheben. Oder um überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben.

Das Absurde an der heutigen Zeit ist: Wir haben zwar die Technik und das Know-how, um uns schnell und effizient ein Dach über dem Kopf zu errichten, doch wir tun es nicht, weil Bau- und Grundstücke so teuer geworden sind, dass wir es finanziell nicht stemmen können.

Herbst Was können wir also tun? Wir sollten an den Sukkot-Feiertagen in der Laubhütte darüber nachdenken. Aber eine Sukka ist eine vorübergehende Behausung, die der herbstlichen Witterung nicht gerecht wird.

Die Spanne zwischen Laubhütten bis hin zum Turmbau zu Babel, von bezahlbarem Wohnraum bis hin zu maßlos überteuertem Wohnraum, bleibt riesig und spiegelt die unterschiedlichen Facetten des menschlichen Könnens wider. Wir müssen uns überlegen, wie wir dieses Können zum Wohle aller einsetzen – und nicht nur derjenigen, für die ein eigenes, möglichst großes Haus ein Prestigeobjekt ist.

Ki Tissa

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