Neulich beim Kiddusch

Wenn Namen Angst machen

»Feigi Elischewa bat Mordechai Schulem we Janki Jossef Matitjahu ben Mordechau Schulem we …« Wie? Foto: fotolia

Vergangenes Wochenende war ich der Schabbes-Vertreter in einem jüdischen Altersheim. Ich musste den Kiddusch brüllen, Schabbeslieder schreien und das Tischgebet sehr laut vorsingen. Ich gab mein Letztes und wurde von den meisten erhört.

Außerdem war ich der Gabbe in der kleinen Altersheimsynagoge. Wenn man mir Verantwortung überträgt, ist man normalerweise selber schuld. Ich mag es nicht sonderlich, zum Vorlesepult zu gehen und dort die Segenssprüche vorzutragen.

Meistens mache ich einen Fehler und verwechsle die Stelle, an der man angibt, wie viel man spenden will mit der Stelle, an der man die Familienangehörigen segnen muss. Wenn der Vorbeter mich also auf Hebräisch fragt, was ich denn der Gemeinde spenden möchte, antworte ich immer: »Ischti – meine Frau«.

Nuscheln Hier war jetzt alles umgekehrt. Ich war der Gabbe und rief die Menschen zur Tora auf. Zuvor mussten sie mir immer ihre jüdischen Namen und die ihrer Väter ins Ohr flüstern. Der erste war Elieser ben Efraim Mendel Hakohen. Was? Elieser ben Efraim Mendel Hakohen. Ich nuschelte: »Es komme zum Vorlesepult Reb Elieser Mendel Hakohen ben Efraim?« Beim dritten Versuch klappte es.

Der zweite hieß noch komplizierter: Mordechai Schulem ben Hachower Aron Jissachar Levi. Ich schwitzte Blut. Die alten Leute guckten mich an. Ich zitterte: »Mordechai … Schulem ben – Entschuldigung, wie hieß Ihr Vater noch mal?« Jemand lachte. Ein anderer guckte auf die Uhr. Ich versuchte zu lächeln und jetzt alles richtig zu machen: »Mordechai Schulem ben Hachower Aron Jissachar Levi«. Ich staunte. So viele Namen in der richtigen Reihenfolge, das habe ich schon lange nicht mehr geschafft. Ich guckte hinüber in die Frauenabteilung und strahlte meine stolze Frau an.

Doch dann begann Mordechai die Namen seiner Kinder runterzurattern: »Feigi Elischewa bat Mordechai Schulem we Janki Jossef Matitjahu ben Mordechau Schulem we …« Mist. Ich hielt mein Ohr auf seinen Mund und stotterte nach, Silbe für Silbe.

Stammeln Ich fühlte mich sehr alt und wollte nur noch nach Hause. Doch nichts da! Mit jedem Beter wurde es schlimmer. Wenn einer nur zwei jüdische Namen hatte, so konnte ich Gift darauf nehmen, dass sein Vater mindestens vier auf dem Geburtsschein hatte. Es wurde immer schlimmer.

Bald standen auch die nichtjüdischen Pfleger in der Synagoge und später selbst das Küchenpersonal. Es muss sich herumgesprochen haben, dass da jemand Junges noch tattriger als die Heimbewohner wäre. Was mich auch nicht beruhigte: Meine Frau war verschwunden und ließ mich allein stammeln.

Als Letzter kam ein Vierzehnjähriger nach vorne. Wie heißt du? Eli ben Mosche. Und weiter? Was? Du hast sicher noch mehr Namen, mach schon! Eli ben Mosche sah mich ängstlich an. Nein, Herr Frenkel, ich heiße wirklich nur Eli ben Mosche. Ich schaute ihn unsicher an. Ein Jude mit nur einem Namen? Meine Augen suchten seinen Vater. Der erwiderte meinen Blick mit einem Nicken. Also beglaubigt. Eli ben Mosche, tatsächlich, komm nach vorn und lass dich von mir umarmen!

Debatte

Rabbiner für Liberalisierung von Abtreibungsregelungen

Das liberale Judentum blickt anders auf das ungeborene Leben als etwa die katholische Kirche: Im jüdischen Religionsgesetz gelte der Fötus bis zur Geburt nicht als eigenständige Person, erklären liberale Rabbiner

von Leticia Witte  11.12.2024

Vatikan

Papst Franziskus betet an Krippe mit Palästinensertuch

Die Krippe wurde von der PLO organisiert

 09.12.2024

Frankfurt

30 Jahre Egalitärer Minjan: Das Modell hat sich bewährt

Die liberale Synagogengemeinschaft lud zu einem Festakt ins Gemeindezentrum

von Eugen El  09.12.2024

Wajeze

»Hüte dich, darüber zu sprechen«

Die Tora lehrt, dass man ein Gericht anerkennen muss und nach dem Urteil nicht diskutieren sollte

von Chajm Guski  06.12.2024

Talmudisches

Die Tora als Elixier

Birgt die Tora Fallen, damit sich erweisen kann, wer zur wahren Interpretation würdig ist?

von Vyacheslav Dobrovych  06.12.2024

Hildesheimer Vortrag 2024

Für gemeinsame Werte einstehen

Der Präsident der Yeshiva University, Ari Berman, betonte die gemeinsamen Werte der jüdischen und nichtjüdischen Gemeinschaft

von Detlef David Kauschke  05.12.2024

Naturgewalt

Aus heiterem Himmel

Schon in der biblischen Tradition ist Regen Segen und Zerstörung zugleich – das wirkt angesichts der Bilder aus Spanien dramatisch aktuell

von Sophie Bigot Goldblum  05.12.2024

Deutschland

Die Kluft überbrücken

Der 7. Oktober hat den jüdisch-muslimischen Dialog deutlich zurückgeworfen. Wie kann eine Wiederannäherung gelingen? Vorschläge von Rabbiner Jehoschua Ahrens

von Rabbiner Jehoschua Ahrens  05.12.2024

Chabad

Gruppenfoto mit 6500 Rabbinern

Tausende Rabbiner haben sich in New York zu ihrer alljährlichen Konferenz getroffen. Einer von ihnen aber fehlte

 02.12.2024