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Aliens

Wenn ein UFO kommt ...

Unbekanntes Flugobjekt: In Talmud und Tora gibt es keine eindeutigen Hinweise auf die Existenz von Außerirdischen. Foto: Thinkstock

Der Astronaut Alexander Gerst – er wird im Jahr 2018 der erste deutsche Commander der Internationalen Raumstation ISS werden – hält es für wahrscheinlich, dass es außerirdisches Leben gibt, und dabei ist er bei Weitem nicht der Einzige. Aktuelle Studien und Umfragen in Deutschland, England und den USA haben ergeben, dass etwa 60 Prozent aller Erwachsenen an die Existenz von Aliens glauben.

Noachiden? Doch wie steht das Judentum dazu? Finden wir in unseren heiligen Texten Anhaltspunkte für die Existenz von Aliens oder gar Diskussionen über Außerirdische? In Talmud und Tora gibt es keine eindeutigen Hinweise darauf, doch in späteren Quellen haben Rabbiner den Status hypothetischer Aliens diskutiert – zum Beispiel, ob für sie die sieben Noachidischen Gebote gelten oder nicht (Verbot von Mord, Diebstahl, Götzenanbetung, Ehebruch, Brutalität gegenüber Tieren und G’tteslästerung sowie das Gebot der Einsetzung von Gerichten als Ausdruck des Rechtsprinzips).

In diesem Zusammenhang könnten sich weitere Probleme auftun. Zum Beispiel: Was würde passieren, wenn ein UFO auf der Erde landete – und seine Insassen zum Judentum übertreten wollten?

Bevor wir uns jedoch mit den Ansichten der Rabbiner zu Aliens auseinandersetzen, sollten wir uns einer grundsätzlichen Frage widmen. Wenn man die Kulturgeschichte der vergangenen 200 Jahre betrachtet, kann man eine interessante Entwicklung feststellen: Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es (mit wenigen Ausnahmen) so gut wie keine Werke, die sich mit extraterrestrischem Leben oder Phänomenen beschäftigten.

Hollywood Heutzutage dagegen handelt, zumindest gefühlt, jeder dritte Hollywoodstreifen von Außerirdischen, seien es nun Klassiker von Steven Spielberg wie E.T. – der Außerirdische von 1982, Roland Emmerichs Independence Day von 1996 oder der neuste Star Trek-Film Beyond, der vor Kurzem in den Kinos angelaufen ist. Woher kommt dieses anhaltende Interesse an Leben außerhalb unserer Erde? Und warum ist ausgerechnet in den vergangenen 200 Jahren das Interesse an außerirdischem Leben so stark gewachsen?

Sicherlich haben in früheren Zeiten Sagen und Märchen, die von übernatürlichen Kreaturen handeln, das Interesse für das »Andere« abgedeckt. Doch heute glauben nicht nur 60 Prozent der Erwachsenen an die Existenz von Aliens, sondern laut Studien sind in Deutschland sogar 37 Prozent der Meinung, dass Außerirdische uns schon besucht haben. Ein UFO selbst bereits gesehen zu haben, glauben immerhin noch vier Prozent aller Befragten.

Eine Veranschaulichung dieses Phänomens kann man in der Serie Akte X beobachten. Dort sehen wir im Büro der Hauptfigur Fox Mulder ein Plakat, auf dem ein UFO zu sehen ist, und den Text »I want to believe« (»Ich möchte daran glauben«). Doch welches Grundbedürfnis der menschlichen Psyche bedient der Glaube an extraterrestrisches Leben?

abhöraktion Es wurden bereits gigantische Summen investiert, um Aliens aufzuspüren. Der russische Oligarch Jurij Milner hat vor Kurzem erst eine 100-Millionen-Dollar-Initiative angekündigt, um zehn Jahre lang das Universum abzuhören. Hinzu kommen noch die Investitionen staatlicher Stellen. So hat zum Beispiel alleine die US Air Force über 12.000 angebliche Sichtungen von Aliens akribisch untersucht und alles im »Project Blue Book« auf 120.000 Seiten zusammengefasst. Welchem inneren Verlangen versucht unsere Gesellschaft dabei gerecht zu werden?

Die Antwort lautet meiner Meinung nach: In der Vergangenheit hat die Mehrheit der Bevölkerung an G’tt geglaubt. Heute glauben in Deutschland gemäß aktueller Studien und Umfragen nur noch etwa 55 Prozent der Befragten an G’tt, also weniger als an Aliens.

Säkularisierung In den vergangenen 200 Jahren hat in der westlichen Welt eine immer stärkere Säkularisierung stattgefunden. Das heißt, dass alle Funktionen, die Religionen vorher innehatten, anders aufgefangen werden müssen. Das Verlangen in uns, das durch die »Ersatzreligion« Ufologie befriedigt wird, ist der Wunsch, nicht allein im Universum zu sein. Dadurch wird der Glaube an extraterrestrisches Leben sinnstiftend.

Im Judentum aber sind G’tt und die Tora sinnstiftend. Ein Grundsatz des Judentums ist es, dass das gesamte Universum für den Menschen erschaffen wurde. Im Talmud wird beschrieben, dass es 10 hoch 18 Sterne im sichtbaren Universum gibt, die alle für den Menschen gemacht wurden.

Natürlich könnte man jetzt fragen, warum die Menschheit, die auf einem kleinen Planeten namens Erde lebt, das Zentrum des Universums sein soll. Unsere Weisen wussten, dass es eine für uns kaum vorstellbare Anzahl an Sternen gibt, viele von ihnen ungleich größer als die Erde und unser Sonnensystem (siehe Rambam, Grundlagen der Tora, 38).

Eine mögliche Antwort auf diese Frage wäre, dass Größe und Anzahl G’tt nichts bedeuten. Für G’tt ist es eine ebenso große Anstrengung, ein Sonnensystem zu erschaffen, wie eine Zentilliarde (eine Eins gefolgt von 603 Nullen). Trotzdem müssen wir uns fragen, zu welchem Zweck unser unermessliches Weltall entstanden ist. Maimonides sagt dazu, dass das überwältigende Universum den Menschen dazu bringen soll, mehr Ehrfurcht vor G’tt zu haben, der alles erschaffen hat. Wenn man aber die Frage erörtert, ob es außerirdisches Leben gibt oder geben kann, reicht das als Antwort nicht aus.

18.000 Welten Die erste eindeutige Quelle, die wir zu Außerirdischen finden können, stammt von Rabbiner Chasdai Kreskas (1340–1410). In einem seiner wichtigsten Werke, Or Haschem, das 1555 in Italien veröffentlicht wurde, widmet er ein ganzes Kapitel dieser Frage.

Er kommt zum Schluss, dass es nichts in der Tora, weder der schriftlichen noch der mündlichen, gibt, das der Existenz von außerirdischem Leben widerspricht. Im Gegenteil, es gebe viele Stellen, die zwar keine absoluten Beweise führten, die aber trotzdem diesen Schluss als den wahrscheinlicheren erscheinen ließen. So zitiert er zum Beispiel eine Stelle im Talmud, laut der G’tt »18.000 Welten besucht«. Falls es auf diesen Welten kein Leben gibt, warum sollte G’tt ihnen Aufmerksamkeit schenken?

Wir finden aber auch andere Ansichten. So sagt zum Beispiel Rabbiner Josef Albo in seinem 1485 postum veröffentlichten Werk Sefer Ha’ikkarim, dass unter keinen Umständen Leben auf anderen Planeten existieren kann.

Freier Wille Er untermauert seine These mit folgendem Argument: Da das Universum für den Menschen erschaffen wurde, kann kein anderes Wesen mit freiem Willen existieren. Da es also auf anderen Planeten kein Wesen gibt, das einen freien Willen besitzt, kann es dort auch keine anderen Formen von Leben geben – auch keine Geschöpfe ohne freien Willen, denn deren Zweck besteht darin, für Geschöpfe mit freiem Willen zu existieren.

Zwischen diesen Extremen finden wir die Meinung von Rabbiner Pinchas Elijahu von Wilna, der in seinem Hauptwerk Sefer Habrit (Wilna 1797) schreibt, dass außerirdisches Leben zwar existiert, aber keinen freien Willen hat – etwas, das nur wir Menschen besitzen. Die weiter oben erwähnten 18.000 Planeten versteht er als bewohnte, wirklich existierende Welten.

meros Der Beleg des Rabbiners für seine These ist außergewöhnlich und kreativ: Wir lesen im Buch der Richter, dass Debora in ihrem bekannten Dankeslied an G’tt folgenden Satz sagt: »Verflucht sei Meros … verflucht seine Bewohner« (Richter 5,23). Unsere Weisen fragten sich in diesem Zusammenhang, wer oder was Meros war oder ist.

Im Talmud finden wir eine Meinung, dass Meros der Name eines Planeten sei. Demnach wäre dies ein Beweis für extraterrestrisches Leben. Aber auch das kann nicht als hundertprozentiger Beweis gelten. Denn der Sohar versteht den Satz »verflucht seine Bewohner« als das restliche Sonnensystem des Planeten, nicht als Bewohner desselbigen.

Rabbiner Elijahu warnt uns in jedem Fall davor, zu erwarten, dass Leben auf anderen Planeten unserem ähnlich sei. Außerdem stellt er fest, dass dortige Lebewesen keinen freien Willen haben können, obwohl sie durchaus intelligent sein mögen – vielleicht sogar intelligenter als wir Menschen. Doch der freie Wille ist etwas intrinsisch Menschliches, da nur uns Menschen die Tora gegeben worden ist.

Rabbinat
Falls also eines Tages ein UFO landen sollte und die Insassen alsbald beim Rabbinat anklopfen, um zum Judentum überzutreten, wird unsere Antwort leider negativ ausfallen müssen – weil wir nicht davon ausgehen können, dass die Aliens über einen freien Willen verfügen.

Der Autor ist Rabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Fürth.

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