Talmudisches

Wenn die Hitze zum Fluch wird

Für den Menschen schwer zu ertragen: Temperaturen über 40 Grad Foto: Guenter Albers

Solange die Erde besteht, sollen Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht nicht aufhören. So verspricht es der Ewige nach der großen Flut. Sommer, Sonne und Hitze gehören untrennbar zusammen, wie schon das hebräische Wort für Sonne, chama, besagt. Wir freuen uns über angenehme Wärme, zu viel Hitze ist jedoch unerträglich.

Die heiße Mittagszeit verbringt man am besten im Schatten, wie Awraham, der in der Tageshitze am Eingang seines Zeltes saß, als ihm der Ewige im Hain von Mamre erschien. Was genau bedeutet hier »Tageshitze«?

Der Talmud erklärt, es sei der dritte Tag nach Awrahams Beschneidung gewesen, und der Ewige habe es an jenem Tag besonders heiß werden lassen, damit keiner die Ruhe des gastfreundlichen Rekonvaleszenten durch einen Besuch stört.

Waldbrände Ist es also der Ewige, der für die Hitze verantwortlich ist? Unsere Weisen sind sich da gar nicht so sicher, denn Hitze kann ja mitunter auch Schaden verursachen, wie wir an den verheerenden Waldbränden im Mittelmeerraum sehen.

Der Talmud (Avoda Sara 3ab) fragt, wie dies denn angehen könne; der Ewige gehe doch nicht wie ein Tyrann mit Seinen Geschöpfen um oder treibe gar Mutwillen mit ihnen. In Ketubot 30a antwortet die Gemara darauf mit der Baraita, dass tatsächlich alles in der Hand des Himmels liege – außer Kälte und Hitze.

Der Talmud beruft sich auf das biblische Buch Mischlej (Sprüche): »›Zinim pachim‹ sind auf dem Weg des Falschen. Wer sein Leben bewahren will, halte sich von ihnen fern« (22,5). Zwar übersetzt man in Mischlej »Zinim pachim« mit »Dornen und Schlingen«, doch wenn der Ausdruck im Talmud verwendet wird, deuten Raschi und andere Kommentatoren ihn als »Kälte und Hitze«. Damit wären sie menschengemacht, mitsamt dem Schaden, der durch beides erzeugt werden kann, und noch dazu in böser Absicht.

Rav Adda bar Ahava vermutet dagegen, der Ausdruck beziehe sich hier ganz allgemein auf Schaden, der von Menschenhand verursacht wird.

Klimawandel Tatsächlich kann es der Mensch wohl nicht Sommer und Winter werden lassen, aber Hitze und Kälte kann er erzeugen, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Vielleicht denken wir dabei unwillkürlich auch an den Klimawandel. Von Korach, dem Sohn Jitzhars, heißt es (Sanhedrin 109b), er habe den glühenden Zorn der ganzen Welt auf sich gezogen wie die Mittagshitze (Zohorajim), und so sei er folgerichtig auch vernichtet worden durch das Feuer, das vom Ewigen ausging. Welch drastische Warnung!

Gleichzeitig lesen wir in Sanhedrin 108b, dass es einen Engel der Hitze und einen Engel der Kälte gebe, was nahelegt, dass beides wohl doch himmlischen Ursprungs sein müsse.

Entscheidend ist, wie der Mensch damit umgeht. So erklärt Raba den zum Mörder, der einen Menschen gebunden und damit hilflos in der Hitze oder Kälte zurückgelassen und so dessen Tod verursacht hat. Auch Qualen können durch beides gewollt oder ungewollt erzeugt werden, beim Mitmenschen ebenso wie bei einem selbst. Die Hitze kann wie ein Fluch sein, aber man kann sich durchaus vor ihr schützen. Und auch für die Tiere ist ein angemessener Schutz vor der Hitze zu gewährleisten, wie uns Bava Kamma belehrt.

Gleichgewicht Hitze ist für die Erde genauso notwendig wie Kälte. Doch beide müssen sich die Waage halten, damit die Welt bestehen kann, im kosmischen Gleichgewicht zwischen der »Hitze des Orion« und der »Kälte der Plejaden«, wie Berachot 58b lehrt.

Und auch Sonne und Regen müssen sich abwechseln zum Erhalt der Schöpfung. Wie Rabina ben Ada und Raba ben Ada im Namen von Rabbi Jehuda sagten: Möge es Dein Wille sein, Ewiger, dass es in diesem Jahr Hitze und Regen gebe (Taanit 24b).

Der Ewige möge uns also in einem heißen Jahr auch ausreichend Regen und Tau geben – zum Segen, nicht zum Fluch, wie wir im Birkat HaGeschem, der Bitte um Regen, beten.

Ki Tissa

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