Im Süden Neuenglands, wo ich lebe, steigt der Saft in den Ahornbäumen. Es ist Tu Bischwat, das Neujahr der Bäume. Es ist die Zeit, Saft für die Herstellung von Ahornsirup zu gewinnen. Um meine Eimer mit dem Saft zu füllen, muss ich wissen, welche Bäume Zuckerahornbäume sind. Ich muss also etwas über die Bäume um mich herum verstehen.
WINTER Man könnte denken, alle Bäume seien gleich: Ein starker, groß gewachsener Stamm mit Grün oben drauf – fertig. Aber genau, wie wir Menschen eben verschieden sind, ist Baum auch nicht gleich Baum. Wenn ich im Winter aus dem Fenster schaue, ist es recht einfach, zu unterscheiden: Einige Bäume sind blätterlos und andere nadelgrün.
Die Weisen des Talmud (Brachot 16a) lehren, dass die Fruchtpflücker, die oben in den Baumwipfeln arbeiten, das »Schma« beten können, ohne herunterzufallen.
Eine genauere Betrachtung ist jedoch erforderlich, um einen Zuckerahorn von einem Spitzahorn zu unterscheiden. Um die richtigen Bäume ausfindig zu machen, muss man schon genau hinschauen.
Die Weisen des Talmud (Brachot 16a) lehren, dass die Fruchtpflücker, die oben in den Baumwipfeln arbeiten, das »Schma« beten können, ohne herunterzufallen.
Die »Amida« jedoch – die mehr Konzentration erfordert – sollen die Plantagenarbeiter nur dann beten, wenn sie in den Wipfeln von Oliven- oder Feigenbäumen stehen. Andere Baumarten werden nicht genannt. Es scheint, dass Oliven- und Feigenbäume ihre Äste dicht beieinander tragen, damit es möglich ist, im Baum zu stehen und sich zu konzentrieren, ohne sich immer Gedanken machen zu müssen, hinunterzufallen.
HALACHA Aber andere Baumarten mit spärlicherem Zweigbewuchs können eine Person nicht ausreichend stützen, daher müssen die Fruchtpflücker mit beiden Beinen auf dem Boden stehen und dort beten. Um also die Halacha befolgen zu können, müssen die Baumkletterer genau wissen, auf welche Art von Baum sie hinaufsteigen.
Um Bäume ganzheitlich verstehen zu können, ist noch eine weitere Unterscheidung erforderlich: Was passiert im Inneren eines Baumes? Der Saft steigt nach oben, aber was passiert darüber hinaus? Bäume sind unterirdisch miteinander verbunden. Was kommunizieren sie miteinander, wenn jemand auf ihnen steht und betet?
Ich weiß es nicht. Wenn ich mich an einen Baum lehne, fühle ich ein Gefühl von Verbundenheit. Ich fühle Liebe und Fürsorge. Und ich fühle mich traurig. Traurig darüber, was so vielen Bäumen angetan wird.
Meine Nachbarn haben gerade zehn Kiefern gefällt. Sie hatten Angst, dass die Bäume auf ihr Haus stürzen könnten. In unserem Garten befinden sich auch große Kiefern. In stürmischen Nächten fürchten wir uns, dass die Bäume auf unser Haus stürzen könnten. Doch wir sagen nein! Wir fällen sie nicht. Zu stark ist unsere Verbindung mit den Bäumen.
BAUMJAHR Es ist Tu Bischwat und damit Zeit, die Bäume zu feiern. Auch wenn es hier in Neuengland immer noch Winter ist. Das Neujahr der Bäume kann auf den Januar oder auf den Februar fallen. Warum entschieden die Weisen, dass der Winter der beste Zeitpunkt für das Ende eines Baumjahres und der Beginn des nächsten ist?
Sie brauchten ein Neujahr für die Bäume, um Steuern für Obst festzulegen. Im Talmud (Rosch Haschana 14a) erklären die Weisen, dass zu Beginn des Monats Schwat die meisten Regenfälle des Jahres, die für Wachstum und Produktion in der kommenden Saison erforderlich sind, bereits gefallen sind.
Wir müssen uns dem Fakt stellen, dass der Klimawandel nicht nur das Problem anderer ist, sondern ein Problem der Menschheit.
Sie stellten fest, dass jedes nach dem Ende des Regens geerntete Erzeugnis als Erzeugnis des nächsten Jahres angesehen werden kann. Das Obst, das vor Tu Bischwat (15. des Schwat) geerntet wurde, gehörte zum alten Steuerjahr. Das Obst, das nach dem Feiertag geerntet wurde, wurde zum neuen Jahr gezählt.
Aber Raschi, der mittelalterliche Kommentator, verstand die Zeiteinteilung von Tu Bischwat komplexer. Er sagt uns, dass das Neujahr dann begangen wird, wenn der Saft anfängt, in den Bäumen zu steigen. Zu wissen, wann der Saft in den Pflanzen aufzusteigen beginnt, ist ein erster Anfang, um zu verstehen, was wir nicht sehen können.
Schlaf Der Saft steigt. Die Bäume erwachen aus ihrem Schlaf. Auch wir müssen aus unserem Winterschlaf und aus unserer Verweigerungshaltung ausbrechen. Wir müssen zulassen, dass unser spirituelles Wachstum zu einem Lernprozess führt.
Wir müssen uns dem Fakt stellen, dass der Klimawandel nicht nur das Problem anderer ist, sondern ein Problem der Menschheit. Lasst uns damit beginnen, nicht nur einen Baum zu pflanzen, sondern viele. Lasst uns mit diesen Bäumen wachsen.
Die Autorin Katy Z. Allen ist Rabbinerin in Boston und leitet das Jewish Climate Action Network.