Verbraucher

Was ist koscher?

Koscher-Listen können den Einkauf erleichtern. Noch besser wäre es, wenn sie auch als App für das Smartphone verfügbar wären. Foto: Thinkstock

Um koscher leben zu können, ist es nicht zwingend notwendig, neben einen koscheren Supermarkt zu ziehen. Das würde die Angelegenheit zwar stark vereinfachen, aber es gibt eine ganze Reihe von koscheren Lebensmitteln, die man in den meisten »normalen« Supermärkten auch kaufen kann.

Die große Frage aber ist: Woher weiß man, was koscher ist und was nicht? In Deutschland gibt es bisher – im Gegensatz zu Israel, Großbritannien und den USA – keine einheitlichen Koscher-Siegel. Ein eigenes Siegel herauszugeben, würde unter anderem bedeuten, dass die Verwendung bestimmter Inhaltsstoffe und Produktionsabläufe bei den Herstellerfirmen ständig überwacht werden müssten. Allerdings gibt es hierzulande verschiedene Koscher-Listen, die sich auch auf die bekannten Siegel beziehen.

Zudem finden sich »lokale Lösungen«, wie zum Beispiel in Frankfurt am Main. Man kann dort in einem Edeka-Markt nicht nur Regale mit importierten koscheren Lebensmitteln, Weinen, gefrorenem Fleisch und Backwaren finden. Nein, der Markt weist auch mit kleinen »Koscher«-Schildchen alle Waren aus, die darüber hinaus koscher und keine speziellen Importwaren sind.

Ketchup Ketchup-Sorten der Firma Heinz etwa tragen das »MK« des Beit Din von Manchester, und einige Pringles-Sorten tragen oft ein U in einem Kreis auf dem Etikett. Dieses U im Kreis ist das Kaschrut-Symbol der »Orthodox Union« aus den USA. Diese Einrichtung ist im Bereich der Kaschrut-Zertifizierung sehr aktiv.

Da es ein derartiges Angebot aber nicht in jeder Stadt gibt, erstellen jüdische Verbände und verschiedene Gemeinden im deutschsprachigen Raum Kaschrut-Listen. Diese führen eine ganze Reihe von Lebensmitteln auf, die koscher sind und zuweilen auch solche, die ausdrücklich nicht koscher sind. Falls Produktionsprozesse dauerhaft »überwacht« werden, kann man dies in der Liste nachlesen.

Zertifizierer Gerade im Bereich der Kaschrut macht sich die Globalisierung bemerkbar – in diesem Fall positiv. Zahlreiche Lebensmittel werden von großen Konzernen für viele Märkte produziert, deshalb werden sie auch zentral zertifiziert und zeigen irgendwo auf der Umverpackung einen »Stempel«, also eines der Symbole der großen Kaschrut-Zertifizierer. Das scheint es für die Hersteller erschwinglich und attraktiv zu machen, sich zertifizieren zu lassen und sich darauf einzulassen.

Je größer der Konzern, desto größer die Chance: Eine Nachfrage bei der Firma »Rügenwalder Mühle« bezüglich der Kaschrut veganer Produkte ergab, dass die Firma kein Interesse an einer solchen Zertifizierung hat. Vielleicht, weil hier der Markt einfach zu klein ist.

Auf lokaler Ebene, also der Ebene der Einkaufenden, sind die Kaschrut-Listen von besonderer Wichtigkeit. Durch sie behält man den Überblick: Wo kann man etwas Koscheres kaufen? Selbst Eigenmarken von großen Discountern tauchen in den lokalen Listen auf. In der Regel sind alle Listen nach Themen geordnet.

Berlin Unter dem Eintrag »Nudeln« findet man dementsprechend alle Firmen und deren Produkte, bei denen der Kunde beruhigt zugreifen darf. In Berlin bietet zum einen die Gemeinde Kahal Adass Jisroel eine modern gestaltete und umfangreiche Liste an. Die Liste von Rabbiner Shlomo Afanasev steht im Internet sogar zum Download zur Verfügung und enthält auch Waren von Lidl und Aldi.

Eine andere Berliner Einrichtung, der Bet Din Berlin mit Rabbiner Yehuda Teichtal von Chabad Lubawitsch, hat ebenfalls eine Kaschrut-Liste veröffentlicht. Für diejenigen, die es genau wissen wollen, ist hier für jede Marke das entsprechende Kaschrut-Zertifikat angegeben.

Auch die Israelitische Kultusgemeinde Wien veröffentlicht jährlich eine Kaschrut-Liste unter dem Namen »Hamadrich« (»der Helfer«) zu Pessach und für das folgende Jahr. Auch diese kann man kostenlos im Netz herunterladen. Und die Israelitische Religionsgesellschaft Zürich hat im Januar 2017 wieder eine Neufassung der »Kaschrus-Liste« ihres Rabbinats im Internet veröffentlicht.

ord Die Liste »Rabbi, ist das koscher?«, die die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland für das Jahr 2017 herausgegeben hat, übertrifft im Umfang die anderen Listen. Sie enthält die meisten koscheren Lebensmittel, die man in Deutschland kaufen kann, wenngleich ohne die einzelnen Zertifikate: übersichtlich nach Warengruppen geordnet und anschließend nach Herstellern sortiert.

Eine echte Hilfe ist die Abbildung der Bildmarke über den Produkten. Als umfangreichen Anhang enthält diese Liste auch eine Tabelle mit den gängigsten Lebensmittelzusätzen wie Beta-Carotin oder Gummi arabicum. Natürlich ist auch angegeben, ob die Zusätze koscher sind.

e-nummern Im Anschluss daran sind »E-Nummern« aufgelistet, die gemeinhin in Lebensmitteln verwendet werden. Die Liste nennt die E-Nummer, etwa E-333, die Substanz, die sich dahinter verbirgt, in diesem Fall also Calciumcitrate, und gibt Auskunft darüber, ob der Stoff koscher ist. In unserem Fall lautet die Auskunft: »Produkt mit Bedenken, aber eine Reihe von Rabbinern erlauben es.« Diese Liste bringt auch gleich eine englische, eine russische und eine hebräische Übersetzung mit.

Das Büchlein von immerhin 252 Seiten wurde in einem freundlichen Format herausgegeben und ist auch von der Gestaltung näher an modernen Messekatalogen als an einem langweiligen Listenwerk. Die Schrift ist innerhalb der langen Auflistung gut lesbar. Auf der Homepage der Orthodoxen Rabbinerkonferenz ist die Liste online verfügbar, allerdings ist sie nicht ganz leicht zu finden. Wenn die Seite auch noch mobil lesbar wäre, würde man vermutlich zahlreichen Einkäufern entgegenkommen. Eine App wäre die perfekte Lösung.

App Es gibt bereits, das mag nicht überraschen, eine App für mehrere Länder in mehreren Sprachen: »Is it kosher?«. Die App zeigt zwar Werbung, informiert aber nach Scannen des Barcodes, ob das Produkt, welches man gerade in der Hand hat, koscher ist. Bei einigen Produkten funktioniert das tatsächlich, bei anderen Produkten aus dem Koschermarkt meldete die App nichts zurück. Die Daten der App sind Kaschrut-Listen entnommen, die öffentlich zugänglich sind. Dies sind laut Angabe des Herausgebers 60 Länder, darunter Deutschland. Ob die Daten aus der Liste der Orthodoxen Rabbinerkonferenz stammen, wird aber nicht klar.

Beide Modelle machen den Alltag leichter, jede Variante hat jedoch auch ihre Nachteile. Im einen Fall muss der Kunde mit einer Liste in der einen und dem Einkaufswagen in der anderen Hand durch den Supermarkt laufen. Bei der anderen Option muss jedes einzelne Produkt erst gescannt werden, um dann ermitteln zu können, ob man nun einen Treffer gelandet hat oder nicht.

Format Optimal wäre natürlich, wenn es eine App gäbe, die anhand der Warengruppe automatisch koschere Alternativen vorschlagen könnte. Hierzu müssten nicht einmal die Organisationen selbst tätig werden. Es würde reichen, wenn sie die Daten in einem einheitlichen Format zur Verfügung stellen würden. Den Rest könnte man freien App-Entwicklern überlassen.

Das wäre übrigens ein weiteres Argument für eine Kaschrut-Zertifizierung: die Reichweite. Man bliebe nicht auf die lokale Wirksamkeit eines entsprechenden »Stempels« beschränkt. Und eine App, die europaweit genutzt wird, würde dafür sorgen, dass sich noch mehr jüdische Kunden am Koscher-Zertifikat orientieren.

Aktuelle Koscherlisten im Internet:
1. www.ord.feldmann-web-und-mehr.de/wordpress/koscherliste
2. www.mbd.org.uk/site/kosher-products
3. www.kaj-berlin.de/wp-content/uploads/2016/01/Kahal_Adass_Jisroel_Koscherliste_2016.pdf
4. www.ikg-wien.at/koscheres-leben
5. www.irgz.ch/koscherliste
6. www.betdin.de

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