In unserem Zeitalter sehnen sich viele Menschen danach, Mitglied im »Ein-Prozent-Club« der Superreichen zu werden – mit Glamour, Reisen, tollen Beziehungen und prall gefüllten Bankkonten.
In sozialen Medien wird diese Art von Neid durch angeberische Posts gefördert, wenn User in Bild und Text verkünden: »Hier bin ich mit den Tickets fürs Endspiel! Hier fliege ich gerade in ein exotisches Urlaubsparadies – Business Class! Hier wird mir eine Auszeichnung überreicht. Schaut, wie herrlich mein Leben ist! Ihr würdet bestimmt gern so wie ich sein, oder?«
Missgunst entsteht, wenn wir sehen, dass jemand anderes mehr erreicht hat als wir und unsere Seele erkennt, dass sie weit davon entfernt ist, ihr Potenzial auszuschöpfen. Doch anstatt die Verantwortung dafür zu übernehmen und selbst besser zu werden, versuchen wir die »Quelle« unserer Unzufriedenheit zu beseitigen, indem wir andere herabsetzen.
Konflikt Missgunst ist die Wurzel jedes menschlichen Konflikts. Der erste Mord in der Geschichte drehte sich um Neid: Kain war neidisch, weil Gott Abels Opfer angenommen hatte. Als Josef von Jakob bevorzugt wurde, erfüllte Eifersucht die Brüder, und sie versuchten, ihn zu beseitigen.
Es gibt auch eine bezeichnende Geschichte von einem Neidhammel, dem eine Fee erschien: »Wünsche dir, was du willst, und es wird dir gewährt. Allerdings«, fügte die Fee hinzu, »was immer du dir wünschst, dein Nachbar wird doppelt so viel davon bekommen.« Jetzt steckte der Neidhammel in der Zwickmühle: »Wenn ich mir eine Million Dollar wünsche, kriegt er zwei Millionen. Wenn ich eine Villa mit 25 Zimmern verlange, kriegt er einen Palast mit 50 Zimmern!«
Endlich kam der neidische Mensch zu einer Entscheidung: »Reiß mir ein Auge aus«, sagte er. Darin liegt echte Tragik: Es gibt tatsächlich Menschen, die lieber große Schmerzen erleiden, als zuzulassen, dass der Nachbar mehr hat als sie selbst.
Diese Haltung des »Ich werde nicht glücklich sein, bis ich das habe, was er hat« zerrüttet einen Menschen innerlich, und das Ergebnis ist ein geringes Selbstwertgefühl. Vielleicht ist es das, was der talmudische Ausspruch zum Ausdruck bringen will: »Missgunst schafft einen Menschen aus der Welt.« Wenn wir anderen den Erfolg nicht gönnen, sind wir diejenigen, die am meisten leiden. Wer das eigene Leben ständig mit dem Leben anderer vergleicht, hat schon verloren.
Rat Nehmen wir die Geschichte von dem Mann, dessen Geschäft nur einen Bruchteil der Kundschaft anzog, die ein ganz ähnlicher Laden gegenüber in der Straße hatte. Der Ladenbesitzer suchte den Rat eines Rabbis, der – nachdem feststand, dass Lage, Erreichbarkeit und die Waren der Läden praktisch identisch waren – zum Kern des Problems vordrang: »Der andere Ladenbesitzer kümmert sich um sein eigenes Geschäft«, erklärte er. »Du aber schaust ständig die Straße hinüber und kümmerst dich um zwei Läden!«
Daran erkennen wir: Was ein anderer Mensch hat, verringert nicht das, was ich habe: die Fähigkeit Gottes, reiche Fülle zu schenken, ist unendlich. Das zu vergessen, steht im Gegensatz zum Glauben an Gott.
Sehr bekannt ist die Geschichte von Sussja, dem großen chassidischen Meister, der weinend auf dem Totenbett lag. Seine Schüler fragten: »Rabbi, warum bist du so traurig?« Und Sussja sagte: »Ich habe mich mein ganzes Leben lang immer mit anderen verglichen. Aber in der kommenden Welt wird man mich nicht fragen: Warum bist du nicht Mosche gewesen? Man wird mich auch nicht fragen: Warum bist du nicht David gewesen? Man wird mich fragen: Warum bist du nicht einmal Sussja gewesen?«
An dieser großartigen Geschichte erkennen wir: Das Leben ist nicht ein Wettbewerb gegen jedermann, sondern nur ein Wettbewerb mit uns selbst. So wie Moses sein eigenes Potenzial ausschöpfte, so müssen wir uns bemühen, unser eigenes Potenzial vollständig zu nutzen.
Talent Jeder von uns ist mit einer Vielzahl einzigartiger Talente und Instrumente geboren. Einige sind reich, andere sind arm. Einige sind groß, andere klein. Einer ist ein großartiger Sänger, ein anderer Schriftsteller. Doch diese grundlegenden Eigenschaften machen Größe nicht aus. Sie hängt vielmehr davon ab, wie wir unsere speziellen Talente und Verhältnisse nutzen. Wer zu schätzen weiß, was er gewonnen und was er erreicht hat, besitzt wahren Selbstwert.
Wie alle Charaktereigenschaften hat Missgunst auch eine positive Seite. Wenn wir andere um ihre Freundlichkeit, Sensibilität, ihren Anstand, ihr Verständnis, ihr Wissen und ihren Fleiß beneiden, kann das ein Antrieb sein, unseren eigenen Charakter zu verbessern.
Im Gegensatz zum Materialismus, der endlich ist, ist Spiritualität unendlich; sie kann multipliziert werden, ohne dass sich der Anteil, den jeder daran hat, verringert. So wie die Flamme einer Kerze, mit der man eine andere Flamme entzündet, nicht geringer wird. Im Talmud steht: »Kinat Sofrim Tarbe Chochma« – »Wer auf die Weisheit eines anderen eifersüchtig ist, wird selbst weiser«.
Die Konzentration auf das, was andere erreicht haben, kann dazu dienen, sich über die eigenen Ziele klarer zu werden – sozusagen ein Fingerzeig, wie wir ähnliche Höhen erklimmen können. Wenn ein anderer Großes geleistet hat, müssen wir uns fragen: Was macht er richtig? Was mache ich falsch? Das bedeutet, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen.
Vor ein paar Jahren traf ich mich mit einem alten Schulfreund. Er hatte auf seinem Gebiet international Anerkennung gefunden, die Medien umgarnten ihn, und er tafelte mit Präsidenten. Ich fragte mich: Was ist der Unterschied zwischen ihm und mir? Wie hat er sein Potenzial zu einem solchen Grad ausgeschöpft? Und was kann ich tun, um ihm nachzueifern? Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen, kann harte Arbeit sein. Doch am Ende ist es der wahre Weg zu Erfüllung und Freude.
Gegengift Ein Gegengift zum Neid ist auch die Erkenntnis, dass alle Menschen Probleme und Schwächen haben, dass alle Heimsuchungen und Schicksalsschläge erleben – genau wie wir selbst. Niemand ist ohne Fehler; das ist das, was uns menschlich macht.
Das letzte der Zehn Gebote lautet: »Du sollst nicht begehren deines Nächsten Hab und Gut.« Der Vers enthält eine lange Liste von Besitztümern – Tiere, Haus, Ehepartner, »und alles, was dein Nachbar hat«. Was bedeutet dieser letzte Abschnitt?
Die Exegeten erklären: Vielleicht begehren wir nur einen isolierten Aspekt im Leben eines anderen – seinen großartigen Job, seine gut aussehende Freundin oder sein elegantes Ferienhaus. Doch die Tora warnt davor, die Dinge aus dem Zusammenhang zu reißen. Vielmehr sollten wir die Dinge unter dem Aspekt des »Alles, was dein Nachbar hat« betrachten – also sein ganzes Leben mit allem, was dazugehört. Wie oft haben wir gesehen, wie das »glamouröse« Leben eines Prominenten in Skandal und Chaos endet. Auch wenn es oft nicht so aussieht: Alle haben Probleme.
Vor einigen Jahren wurde ein bekanntes Experiment veranstaltet. Eine Gruppe von Leuten wurde in einem Kreis aufgestellt. Dann wurde jeder Teilnehmer gebeten, ei-ne Liste seiner oder ihrer persönlichen Probleme zu schreiben. Die Papiere wurden in identische, nicht markierte Umschläge ge-steckt. Versiegelt wurden die Umschläge in die Mitte des Kreises gelegt. Daraufhin verkündete der Moderator: »Jeder hat jetzt ei-ne Wahl: Wählen Sie einen zufälligen Um-schlag aus dem Stapel oder behalten Sie Ihren eigenen.« Alle entschieden sich dafür, den eigenen Umschlag zu behalten.
In der Begegnung zwischen den Zwillingsbrüdern Jakob und Esau beschreibt die Tora ihre unterschiedlichen Perspektiven. Der spirituell orientierte Jakob sagt: »Ich habe alles« – er ist zufrieden mit seinem Teil. Der materialistische Esau sagt: »Ich habe eine Menge«, aber im Grunde ist er unzufrieden – für ihn ist das Glas halb leer. Wie der weise König Salomo sagte: »Der Liebhaber von Geld ist nie zufrieden.«
Wenn Sie an Ihrer Einstellung arbeiten wollen, zählen Sie sich selbst all Ihre Segnungen auf. Ein paar Minuten am Tag konzentrieren Sie sich darauf, dankbar für das zu sein, was Sie haben. Legen Sie eine Liste an und versuchen Sie, jeden Tag eine Sache hinzuzufügen.
Seien Sie großzügig mit Ihrem Geld und Ihrer Zeit. Leisten Sie Freiwilligenarbeit in Ihrer Gemeinschaft. Unterstützen Sie den Kampf für eine gute Sache. Wenn Sie mehr Zeit mit jenen verbringen, die weniger haben, werden Sie den immensen Reichtum, den Sie besitzen, schätzen lernen.
Böser Blick Jüdische Quellen fassen das Problem des Neids in einer Gegenüberstellung zusammen: »Autes Auge« – das heißt, wir feiern den Erfolg eines anderen aus ganzem Herzen – versus »Böser Blick«, wenn wir dem anderen seinen Erfolg missgönnen.
Der Talmud stellt Abrahams »gutes Auge« dem »bösen Blick« Bileams gegenüber. Abraham beeilt sich, drei fremden Wanderern zu helfen, da er ständig bemüht ist, anderen Gutes zu tun. Dagegen wurde Bileam durch den König von Moab angestellt, um die Juden spirituell zu besiegen. Bileam hätte sein Ziel verfolgen können, indem er Moab segnet; stattdessen wählte er den einfachen Weg, die Juden zu verfluchen.
Achten Sie auf Ihre Reaktion, wenn Sie mitbekommen, wie anderen Gutes widerfährt. Wenn Ihr Nachbar in einem glänzenden neuen Auto angefahren kommt, begrüßen Sie ihn dann freudig mit einem aufrichtigen »Herzlichen Glückwunsch«? Oder werden sie, innerlich kochend, spöttisch lächeln und seinen Kauf als »Angeberei und überflüssige Mätzchen« abtun? Wie Sie auf den Erfolg eines anderen reagieren, definiert Ihr eigenes Gefühl der Zufriedenheit und Ihres Selbstwerts.
Laptop Vor ein paar Jahren war ich auf der Suche nach einem neuen Laptop. Am Ende entschied ich mich für ein HP-Modell mit allen Funktionen, die ich brauchte. Es gab aber einen Nachteil: Geprägt auf dem Computer, für alle sichtbar, stand der Name des Modells: ENVY (NEID).
Wenn Sie mit Leuten verkehren, die ständig über ihr Gehalt, ihr neues Auto, ihren tollen Urlaub reden, laufen Sie Gefahr, Ihren eigenen Besitz mit dem der anderen zu vergleichen. Halten Sie sich von solchen Gesprächen fern und finden Sie neue Freunde, die Dankbarkeit zeigen können, ohne zu prahlen.
Am besten ist es, im Alltag nur sehr wenig über die eigenen Erfolge zu sprechen – sei es Wohlstand, Familie oder Glück jeglicher Art. In Anbetracht der traurigen Realität der Missgunst ist es unvermeidlich, dass einige Ihnen Misserfolg wünschen. Wir sollten weder paranoid sein noch zurückgezogen leben. Aber es ist sinnvoll, bescheiden, diskret und wählerisch zu sein, wenn wir persönliche Informationen mitteilen. Herumzustolzieren und zu prahlen, fordert den »bösen Blick« heraus.
Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal den Drang verspüren, ein »Angeberfoto« auf Facebook zu posten. Was haben Sie eigentlich davon?
Übersetzung und Abdruck mit freundlicher Genehmigung von www.aish.com