Als Tamar ihrem Schwiegervater Jehuda Siegel Schnur und Stab schickt mit den Worten »Von dem Mann, dem diese Dinge gehören, bin ich schwanger«, da zweifelt Jehuda keinen Augenblick daran, dass sie die Wahrheit sagt. Und er erkennt seine Verpflichtung Tamar gegenüber an. Dabei hätte er die Vaterschaft leicht abstreiten können. Denn wer hätte es ihm nachweisen wollen, ohne die genetischen Vaterschaftsnachweise, die wir heute zur Verfügung haben?
Die Frage nach dem Vater eines Kindes ist vermutlich so alt wie die Menschheit. Daher war sie auch zu talmudischen Zeiten Gegenstand der Diskussion. Freilich, unter Einhaltung der Nidda-Regeln war der Zeitpunkt der Empfängnis für die werdende Mutter und vor allem für den dazugehörenden Vater eines Kindes relativ genau nachzurechnen, zumindest für ein verheiratetes Paar.
schwangerschaftstests Da es aber damals noch keine Schwangerschaftstests gab, musste man sich darauf verlassen, dass sich die »anderen Umstände« erst nach drei Monaten zweifelsfrei bemerkbar machten, wie es an mehreren Stellen im Talmud heißt.
Im Umkehrschluss konnte eine Schwangerschaft auch erst nach Ablauf von drei Monaten ausgeschlossen werden. Daher durfte eine Witwe erst drei Monate nach dem Tod ihres Ehemanns wieder heiraten. Damit wollte man sichergehen, dass ein Kind, das in der neuen Ehe geboren wurde, nicht doch den verstorbenen ersten Mann zum Vater hatte, insbesondere dann, wenn das Kind bereits sieben Monate nach der neuen Heirat zur Welt kam.
Dies war nicht nur eine ganz persönliche Frage, sondern durchaus auch eine rechtlich relevante, insbesondere in Erbschaftsfragen, wie die Tosafot zu Bava Metzia am Beispiel eines Sohnes aus einer Leviratsehe darlegen.
VERHEIRATET Nun waren aber auch zur talmudischen Zeit nicht alle werdenden Mütter verheiratet. In Ketubot 13b/14a lesen wir von einem Fall, der vor Rabbi Josef gebracht wurde: Ein Mann und seine schwangere Verlobte kamen zu ihm. Die Frau gab an, von ihrem künftigen Ehemann schwanger zu sein, und der Verlobte bestätigte das.
Die Frage der Vaterschaft war auch entscheidend für den Status des Kindes.
Für Rabbi Josef war dies ein klarer Fall: »Worüber sollen wir uns hier Gedanken machen?« Und selbst wenn der Mann es abgestritten hätte, könne man sich doch immer noch darauf stützen, dass sich die Halacha nach Rabban Gamliel richte, der entschieden habe, die Aussage einer Mutter sei als glaubwürdig anzunehmen. »Nicht so schnell«, sagte Rabbi Abaye, »die Frau kann ja viel erzählen. Wer weiß denn, ob sie nicht noch mit anderen Männern Verkehr hatte?«
MAMSER Die Frage der Vaterschaft war auch entscheidend für den Status des Kindes. Könne man wirklich ausschließen, dass dieses Kind nicht doch ein Mamser ist, also aus einer verbotenen Beziehung stammt, selbst wenn der angebliche Vater das Kind anerkenne? Wie sei denn sonst der Leumund der werdenden Mutter?
Es ging dabei nicht nur um die Ehre der Mutter, sondern auch um den Status des Vaters und damit den rechtlichen Stand des Kindes. Die Klärung der Vaterschaft war wohl jeweils eine individuelle Entscheidung des Beit Din, wobei der Standpunkt von Rabban Gamliel sicherlich zum häuslichen Frieden beigetragen haben dürfte, zumindest aus Sicht der Kindsmutter.
Und wenn der Vater nicht bekannt war? Auch solche Fälle kennt der Talmud. Ein solches Kind nannte man Schetuki, »weil seine Mutter es still sein heißt, wenn es nach seinem Vater fragt« (Tosafot zu Ketubot 13b/14a).
pflichten Immerhin, wenn sich denn ein Vater so seinen Pflichten entzog, hatte auch der Sohn ihm gegenüber keinerlei Verpflichtung, selbst wenn er später den Namen seines Vaters erfuhr. Er konnte diesen Vater sogar straflos verwünschen, wie der Sefer Hachinuch in Bezug auf Maimonides, den Rambam, ausführt.
Letztlich bleibt festzuhalten, was Jevamot 54b nahelegt mit den Ausführungen zum Verbot einer Beziehung mit der Schwester des Vaters, nämlich dass eine Vaterschaft niemals zweifelsfrei feststeht.