Rezension

Von Nürnbergern und Regensburgern

Synagoge in Worms Foto: dpa

Die Juden in Israel, die aus Deutschland stammen – liebevoll und manchmal etwas herablassend »Jeckes« genannt –, sind gut vernetzt. Die »Irgun Jeckes«, eine Jeckes-Organisation, lädt regelmäßig zu Kulturveranstaltungen ein. Das Magazin »Yakinton« behandelt Themen, die für Jeckes-Nachkommen von Interesse sind.

Was aber vor allem in Deutschland die wenigsten wissen: Gesetzestreue Jeckes betreiben ein »Machon Moreshes Aschkenaz«, ein Institut für deutsch-jüdisches Erbe, das seit 2006 ein vielseitiges Jahrbuch, »Yerushaseinu« (unser Erbe), herausgibt.

In diesem Jahr ist Band acht von »Yerushaseinu« erschienen. Wer sich für Tora-Erörterungen und für die Geistesgeschichte des deutschen Judentums interessiert, wird an diesem fast 400 Seiten starken Sammelband ohne Zweifel seine helle Freude haben. Leider ist es an dieser Stelle nicht möglich, die zahlreichen Beiträge angemessen zu würdigen; einige Artikel sollen aber doch in den folgenden Absätzen erwähnt werden. Die Redaktion des Jahrbuchs hat vorzügliche Arbeit geleistet und verdient uneingeschränktes Lob.

bräuche Sowohl im Heiligen Land als auch in der Diaspora gibt es einige Gemeinden, in denen die synagogalen Bräuche (Minhagim) der deutschen Juden praktiziert werden. Wie in jeder Ausgabe von »Yerushaseinu« ist auch im vorliegenden Band genau verzeichnet, was in diesem Jahr 5775 besonders zu berücksichtigen ist. So begleitet dieses Jahrbuch die frommen Leser vom Anfang bis zum Ende des jüdischen Jahres.

Mehrere Texte handeln von religiösen Vorschriften und Bräuchen. So erklärt ein Autor, warum es früher in Worms üblich war, am Schabbat und an Feiertagen die Haftara, den Prophetenabschnitt, aus einer handgeschriebenen Rolle vorzutragen, nicht aber an Tischa beAw, dem 9. Aw. An diesem wichtigen Trauer- und Fastentag las man die Haftara aus einem gedruckten Buch vor.

Eine andere Abhandlung geht der Frage nach, welches Gemüse man in der Sedernacht als Bitterkraut (Maror) verzehren sollte. Viele Leser werden überrascht sein, zu erfahren, dass es nach dem jüdischen Religionsgesetz vorzuziehen ist, die grünen Blätter des Meerrettichs zu essen statt Stücke der scharfen weißen Wurzel.

Lernweisen Erwähnt seien zwei hervorragende wissenschaftliche Aufsätze, die historische Sachverhalte darlegen. Das erste Beispiel: Im Mittelalter wurden in deutschen Talmudschulen bestimmte Lernweisen entwickelt, die man nach dem Entstehungsort »Nürnberger« beziehungsweise »Regensburger« nannte.

Hat es aber auch einen »Augsburger« gegeben, wie der Historiker Heinrich Graetz behauptet hat? Der Autor weist nach, dass der »Augsburger« die Fehldeutung einer bekannten Argumentationsfigur ist, die in Wirklichkeit auf Jiddisch »Ausbrenger« genannt wurde und nichts mit der Stadt Augsburg zu tun hat.

Das zweite Beispiel: Eine materialreiche Abhandlung führt aus, welche Völker im Laufe der Geschichte als »Amalek« bezeichnet worden sind. Der Autor bemerkt, dass man unterscheiden muss zwischen direkten Nachkommen der biblischen Amalekiter und denen, die im Geiste Amaleks handeln. Verständlicherweise hat man die mörderischen deutschen Nazis oft Amalek genannt, aber schon viel früher auch andere Völker, die Juden verfolgt haben; die Liste der Amalek-Inkarnationen ist erstaunlich lang.

Wie die zahlreichen Leserbriefe beweisen, findet »Yerushaseinu« durchaus eine kritische Beachtung. Aus meinem Bekanntenkreis weiß ich allerdings, dass es viele potenzielle Leser gibt, die noch nie von diesem etablierten Jahrbuch in hebräischer Sprache gehört haben. Und das ist sehr bedauerlich, denn diesen Menschen entgehen lehrreiche und mitunter herzerwärmende Beiträge zur jeckischen Torakultur.

Pekudej

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