Talmudisches

Von Menschen und Hunden

Schätzungen zufolge gibt es heute etwa 500 Millionen Hunde, die mit Menschen zusammenleben. Foto: Thinkstock

Talmudisches

Von Menschen und Hunden

Wann ist ein Vierbeiner gefährlich – nur, wenn er beißt?

von Konstantin Schuchardt  09.07.2018 18:41 Uhr

Der Haushund (Canis lupus familiaris) stammt vom Wolf ab und wurde vor Zehntausenden Jahren domestiziert. Schätzungen zufolge gibt es heute etwa 500 Millionen Hunde, die in einem mehr oder weniger engen Verhältnis mit dem Menschen zusammenleben. Die Bandbreite reicht vom halbwilden Tier bis zum fast vermenschlichten Familienmitglied.

»Dackelblick« Obwohl die Wissenschaft belegt hat – was Hundehalter ohnehin schon immer wussten –, dass die Tiere empathiefähig sind und der berühmte »Dackelblick« mehr als menschliche Projektion ist, sind Hunde Eigentum ihrer Besitzer und keine eigenständigen Personen.

Der Begriff des Eigentums bezeichnet die rechtliche Zuordnung von Gütern zu einer natürlichen oder juristischen Person sowie die Anerkennung der beliebigen Verfügungsgewalt des Eigentümers. Der Eigentümer eines Hundes, der Tierhalter, hat aber nicht nur Verfügungsgewalt über seinen Vierbeiner, sondern ist auch verantwortlich für sein Handeln, denn ein Tier ist grundsätzlich unberechenbar und eine Gefahr für andere, da es »kein vernünftiges Wesen« ist, wie sich der Gesetzgeber hierzulande ausdrückt. Der Besitzer ist demnach verpflichtet, dafür zu sorgen, dass von seinem Schützling keine Gefahr für andere ausgeht.

In der rabbinischen Literatur finden wir ein ähnliches Konzept. So heißt es im Talmud (Baba Kamma 15b): »Rabbi Nathan sagte: Von wo leiten wir ab, dass niemand einen gefährlichen Hund in seinem Haus halten und keine instabile Leiter aufstellen darf? Von dem Vers ›Du sollst keine Blutschuld auf dein Haus laden.‹«
Dieser Vers steht im 5. Buch Mose und lautet vollständig: »Wenn du ein neues Haus baust, sollst du um die Dachterrasse eine Brüstung ziehen, damit du keine Blutschuld auf dein Haus legst, falls jemand herunterfiele« (22,8).

Leiter Der berühmte zeitgenössische Rabbiner Adin Steinsalz kommentiert dies in seiner Talmudübersetzung wie folgt: »Der Besitzer eines Hauses muss dafür sorgen, dass es in seinem Haus zu keiner gefährlichen Situation durch einen schadhaften Gegenstand« – in diesem Fall die Leiter oder ein aggressives Tier, zum Beispiel ein Hund – »kommt, sonst verletzt er genanntes Gebot aus dem Buch Dewarim (5. Buch Mose), und ein Beit Din kann ihn dafür ausschließen.«

Die Frage, die sich daraus ergibt, ist nun, wann eine Leiter instabil ist und ein Hund gefährlich. Es kann angenommen werden, dass eine Leiter stabil ist, wenn jemand kürzlich darauf gestiegen ist und sie ihn getragen hat. Aber wann ist ein Hund gefährlich?

In Deutschland gilt ein Hund als gefährlich, wenn Tatsachen den Verdacht rechtfertigen, dass von dem Hund eine Gefahr ausgeht. Es gibt dabei eine Vielzahl von Anzeichen, die auf eine Gefährlichkeit hindeuten, zum Beispiel, dass der Hund »zum Ziel einer gesteigerten Aggressivität ausgebildet, gezüchtet oder gekreuzt worden« ist (Landeshundegesetz Nordrhein-Westfalen).

Fehlgeburt In der rabbinischen Literatur existieren verschiedene Ansichten darüber, welche Hunde als gefährlich einzustufen sind. Raschi (1040–1105) schreibt, dass ein gefährlicher Hund bellt und beißt und daher bei schwangeren Frauen eine Fehlgeburt auslösen kann. Raschis Aussage ist im hebräischen Original allerdings zweideutig: Es ist nicht klar, ob er einen Hund meinte, der bellt und beißt, oder einen Hund, der bellt oder beißt.

Rabbi Jischmael, ein Freund von Rabbi Akiwa, spricht sich dafür aus, nur kleinere Dorfhunde zu halten. Da wisse jeder, dass sie harmlos sind, auch wenn sie bellen. Doch auch diese kleinen Hündchen waren, im Gegensatz zu ihren heutigen Nachfahren, keine Freunde des Menschen, sondern dienten nur der Dezimierung von Nagetieren. Hunde als Haustiere in unserem heutigen Verständnis sind dem Talmud überhaupt nicht bekannt. Es ist lediglich überliefert, dass sich Kinder zahme Vögel und Heuschrecken als Spielgefährten hielten.

Pekudej

Eine Frage der Hingabe

Warum Gʼtt den Künstler Bezalel auswählte, das Stiftszelt in der Wüste zu bauen

von Rabbiner Joel Berger  28.03.2025

Talmudisches

Scheidungsurkunden im Krieg

Was unsere Weisen über eine ungewöhnliche Maßnahme lehren

von Yizhak Ahren  28.03.2025

Gebet

Beim ersten Hahnenschrei

Morgens soll der Mensch eine Reihe von Segenssprüchen sprechen, um Gʼttes Welt »zu seiner« zu machen

von Rabbiner Avraham Radbil  27.03.2025

Rabbinerausbildung

»Wenn es kriselt: durchatmen«

Dmitrij Belkin ist Vorstand der neuen Nathan Peter Levinson Stiftung. In seinem ersten Semester am Potsdamer Standort, der durch den Homolka-Skandal vorbelastet ist, hat er gelernt, Ruhe zu bewahren

von Mascha Malburg  27.03.2025

Talmudisches

Brot

Was unsere Weisen über das wichtige Nahrungsmittel lehren

von Chajm Guski  21.03.2025

Wajakhel

Kraft des Aufbaus

Was wir aus dem Konzept kreativer Gemeinschaftsarbeit lernen können

von Yonatan Amrani  21.03.2025

Bekleidung

Das richtige Outfit

Warum beim Synagogenbesuch Stilsicherheit gefragt ist

von Daniel Neumann  21.03.2025

Ki Tissa

Aus Liebe zum Volk

Warum Mosche die Bundestafeln nach dem Tanz der Israeliten um das Goldene Kalb zerbrach

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  14.03.2025

Talmudisches

Der Turm in der Luft

Die Weisen der Antike diskutierten anhand eines besonderen Schranks über rituelle Reinheit

von Vyacheslav Dobrovych  14.03.2025