Der bekannteste Hahn des jüdischen Lebens wird täglich genannt. Im Morgengebet heißt es am Anfang der Birkot HaSchachar, der Segenssprüche am Morgen: »der dem Hahn Verständnis schenkte, zwischen Tag und Nacht zu unterscheiden«.
Die Birkot HaSchachar sind dem Talmud entnommen (Berachot 60b) und sollen den Blick auf das richten, was wir alle für selbstverständlich halten, auch den Ruf des Hahns am Morgen.
Das passt dazu, dass der Talmud empfiehlt (Schabbat 35b), sich in Städten am Verhalten des Hahns zu orientieren, wenn man kurz vor Schabbat nicht sehen kann, wie tief die Sonne schon gesunken ist. Setzen sich die Hähne auf ihre Stangen, dann bricht der Abend an.
SUPPE Vielleicht konkurriert die Bekanntheit dieses Hahns mit dem Hahn aus der Suppe, mit der man bekanntlich Krankheiten heilt. Das war schon zu Zeiten des Talmuds der Fall. Im Traktat Awoda Zara (14a) wird darüber diskutiert, ob man einem Nichtjuden einen weißen Hahn verkaufen dürfe. Rabbi Jehuda legt fest, unter welchen Umständen dies auf jeden Fall gestattet sei: »Wenn aber der Nichtjude zu Hause für seinen Sohn ein Gastmahl bereitet, oder wenn er zu Hause einen Kranken hat, so ist es erlaubt.«
Etwas unkonventioneller ist der Behandlungsvorschlag für Migräne. Hierzu solle man einen wilden Hahn verwenden (Gittin 68b) und »ihn mit einem silbernen Dinar schlachten, über der Seite des Kopfes, die schmerzt. Und er soll sich vor seinem Blut in Acht nehmen, damit sein Auge nicht blind wird. Und er soll ihn an den Türpfosten seines Hauses hängen, damit er sich daran reibt, wenn er hineingeht, und er soll sich daran reiben, wenn er hinausgeht.«
Wir sehen, Hähne und Hennen waren beliebtes Nutzgeflügel und wurden auch in den Städten gehalten. Eine Ausnahme soll Jerusalem gewesen sein. Im Traktat Bawa Kamma (79b) heißt es: »Man darf in Jerusalem keine Hühner halten. Kohanim dürfen das im gesamten Land Israel nicht.« Man befürchtete offenbar, dass die pickenden Hühner Unrat aufwühlen und Unreinheit verursachen könnten.
gesteinigt In der Mischna (Edujot 6,1) heißt es hingegen, dass Rabbi Jehuda ben Bawa fünf Dinge bezeugte. Eines von ihnen betraf einen Hahn, der in Jerusalem gesteinigt wurde, weil er einen Menschen getötet hatte.
Da Hähne und Hühner zum Alltag gehörten, hielten die Rabbinen nur wenig zum Verhalten des Geflügels fest. Es wurde jedoch für bemerkenswert gehalten, wie Hähne bei der Paarung vorgehen. So sagte Rabbi Jochanan: »Würde die Tora nicht verliehen worden sein, so könnten wir Keuschheit von der Katze, das Verbot des Raubens von der Ameise, das Verbot des Ehebruchs von der Taube und Anstand vom Hahn lernen, der die Henne zunächst besänftigt und sie erst danach begattet« (Eruwin 100b).
In anderen Aufzählungen wird ebenfalls deutlich, wie man den Hahn, aber auch andere Dinge, einschätzt. So wird in Pessachim (113b) gesagt, dass die Weisen gelehrt hätten: »Angehörige dreier Gruppen hassen die anderen in der gleichen Gruppe: Hunde, Hähne und die persischen Priester.«
In Beitza (25b) wird ein anderer Zusammenhang hergestellt. So habe Rabbi Schimon ben Lakisch gesagt: »Es gibt drei Freche: das jüdische Volk unter den Völkern, den Hund unter den Tieren und den Hahn unter den Vögeln. Und einige sagen: auch die Ziege unter dem Kleinvieh.«
Spricht man also das nächste Mal die Birkot HaSchachar, so hat man noch einiges mehr, woran man beim Hahn denken kann.