Talmudisches

Vom Sterbealter

Was unsere Weisen über die Art des Todes lehrten

von Rabbiner Avraham Radbil  17.06.2022 08:09 Uhr

»Unsere Tage sind 70, oder wenn wir Kraft haben, 80 Jahre« (Tehilim 90,10). Foto: Getty Images

Was unsere Weisen über die Art des Todes lehrten

von Rabbiner Avraham Radbil  17.06.2022 08:09 Uhr

Im Traktat Moed Katan 28a diskutieren die Weisen, worauf die Art des Todes eines Menschen hinweisen könnte. Rabbi Ami sagt: »Warum wurde der Abschnitt der Tora, der den Tod von Mirjam beschreibt, dem Teil, der sich mit der Roten Kuh befasst, gegenübergestellt? – Um zu sagen: So wie die Rote Kuh für die Sünde sühnt, so sühnt auch der Tod des Gerechten für die Sünde.«

Daraufhin sagt Rabbi Elazar: »Und warum wurde der Teil der Tora, der den Tod Aharons beschreibt, dem Teil, in dem es um die priesterlichen Gewänder geht, gegenübergestellt? – Dies lehrt, dass, so wie die priesterlichen Gewänder für die Sünden sühnen, der Tod der Gerechten für die Sünden sühnt.«

Entreissen Die Weisen lehrten folgende Baraita: »Wenn jemand plötzlich stirbt, ohne krank gewesen zu sein, ist dies ein Tod durch Entreißen.« Der Mensch wird quasi aus dem Leben herausgerissen. »Wenn er einen Tag lang krank gewesen ist und starb, ist dies ein beschleunigter Tod. Rabbi Chananja ben Gamliel sagt: ›Dies ist der Tod auf einen Schlag, wie es heißt: Menschensohn, siehe, ich bin dabei, dir mit einem Schlag die Wonne deiner Augen zu nehmen‹ (Jeheskel 24,16)«.

Wenn er zwei Tage lang krank war und starb, ist dies aus Sicht der Weisen ein beschleunigter Tod. Wenn er drei oder vier Tage lang krank war und starb, sei es ein Tod der Zurechtweisung. Stirbt man nach einer fünftägigen Krankheit, so sei dies der gewöhnliche Tod aller Menschen.
Rabbi Chanin sagt: »Aus welchem Vers stammt dies? Es heißt: ›Siehe, deine Tage nähern sich, dass du sterben musst‹ (5. Buch Mose 31,14).

Dieser Vers wird folgendermaßen erklärt: ›Siehe‹ (Hen) weist auf einen (Tag) hin. ›Nähern sich‹ (karvu), ein Begriff im Plural, weist auf zwei (Tage) hin. ›Deine Tage‹ (Jamecha), ebenfalls ein Begriff im Plural, weist auf zwei weitere Tage hin; und somit insgesamt fünf. Wie zeigt das Wort ›Hen‹ einen (Tag) an?« Die Antwort: »In der griechischen Sprache nennen sie die Zahl eins ›Hen‹.«

BESTRAFUNG Die Weisen diskutierten auch, was es damit auf sich hat, in welchem Alter ein Mensch stirbt: Wenn er mit 50 Jahren stirbt, so sei dies der Tod durch »Karet« – die göttliche Bestrafung dadurch, dass der Mensch aus dem Leben gerissen wird. Diese Bestrafung werde für schwerste Übertretungen verhängt. Stirbt man jedoch mit 52 Jahren, sei dies etwas anderes, denn dies sei der Tod des Propheten Schmuel. Und wenn jemand im Alter von 60 Jahren stirbt, dann sei dies der Tod durch die Hand des Himmels.

Mar Sutra sagt: »Was ist der Vers, von dem dies abgeleitet ist? Wie geschrieben steht: ›Du wirst in einem reifen Alter zu deinem Grab kommen‹« (Hiob 5,26). Das Wort »bechelach« (»reifes Alter«) hat den Zahlenwert 60, und es wird darauf angedeutet, dass das Sterben in diesem Alter eine göttliche Strafe mit sich bringt.

Wer mit 70 Jahren stirbt, hat das hohe Alter erreicht. Jemand, der mit 80 stirbt, stirbt in Kraft, wie geschrieben steht: »Unsere Tage sind 70, oder wenn wir Kraft haben, 80 Jahre« (Tehilim 90,10).

Rabba sagt: Nicht nur der Tod im Alter von 50 Jahren sei ein Zeichen der Bestrafung durch Entreißen, sondern auch der Tod im Alter von bis zu 60 Jahren. Dass all diese Jahre nicht in Verbindung mit dieser Strafe gezählt wurden, liegt an der Ehre von Schmuel, der im Alter von 52 starb.

KARET Der Talmud berichtet, dass Rav Josef, als er 60 wurde, die Weisen zu einer Feier einlud. Er erklärte den Grund für seine Feier: »Ich habe das Karet-Alter überschritten.« Da sagte Abaje zu ihm: »Meister, bist du denn, obwohl du das Karet der Jahre hinter dir hast, dem Karet der Tage entkommen? Denn auch der plötzliche Tod wird als eine Form von Karet angesehen.« Da sagte Rav Josef zu Abaje: »(…) Ich bin zumindest einer Art von Karet entkommen.«

An anderer Stelle berichtet der Talmud, dass Rav Chuna plötzlich starb und die Weisen besorgt waren, dass dies ein schlechtes Zeichen sei. Da sagte der Weise Zuga aus Hadajeiv: »Wenn er (Rav Chuna) das Alter der Kraft (das 80. Lebensjahr) erreicht hat und dann plötzlich gestorben ist, dann ist dies der Tod durch einen g’ttlichen Kuss.«

Studium

»Was wir von den Rabbinern erwarten, ist enorm«

Seit 15 Jahren werden in Deutschland wieder orthodoxe Rabbiner ausgebildet. Ein Gespräch mit dem Gründungsdirektor des Rabbinerseminars zu Berlin, Josh Spinner, und Zentralratspräsident Josef Schuster

von Mascha Malburg  21.11.2024

Europäische Rabbinerkonferenz

Rabbiner beunruhigt über Papst-Worte zu Völkermord-Untersuchung

Sie sprechen von »heimlicher Propaganda«, um Verantwortung auf die Opfer zu verlagern: Die Europäische Rabbinerkonferenz kritisiert Völkermord-Vorwürfe gegen Israel scharf. Und blickt auch auf jüngste Papst-Äußerungen

von Leticia Witte  19.11.2024

Engagement

Im Kleinen die Welt verbessern

Mitzvah Day: Wie der Tag der guten Taten positiven Einfluss auf die Welt nehmen will

von Paula Konersmann  17.11.2024

Wajera

Offene Türen

Am Beispiel Awrahams lehrt uns die Tora, gastfreundlich zu sein

von David Gavriel Ilishaev  15.11.2024

Talmudisches

Hiob und die Kundschafter

Was unsere Weisen über die Ankunft der Spione schreiben

von Vyacheslav Dobrovych  15.11.2024

Gebote

Himmlische Belohnung

Ein Leben nach Gʼttes Regeln wird honoriert – so steht es in der Tora. Aber wie soll das funktionieren?

von Daniel Neumann  14.11.2024

New York

Sotheby’s will 1500 Jahre alte Steintafel mit den Zehn Geboten versteigern

Mit welcher Summe rechnet das Auktionshaus?

 14.11.2024

Lech Lecha

»Und du sollst ein Segen sein«

Die Tora verpflichtet jeden Einzelnen von uns, in der Gesellschaft zu Wachstum und Wohlstand beizutragen

von Yonatan Amrani  08.11.2024

Talmudisches

Planeten

Die Sterne und die Himmelskörper haben Funktionen – das wussten schon unsere Weisen

von Chajm Guski  08.11.2024