Talmudisches

Vom Schenken

Der Beschenkte sollte den Wohltäter kennen – damit er weiß, wem er eine Gegenleistung schuldet. Foto: Getty Images/iStockphoto

Im Talmud lesen wir, dass Gott den Schabbat dem Volk Israel als ein Geschenk geben wollte, und Er bat Mosche, dies den Israeliten mitzuteilen. Basis dieser Erzählung sind die Verse: »Und der Ewige sprach zu Mosche: Du aber rede zu den Kindern Israels: Doch Meine Schabbatot sollt ihr wahren, denn ein Zeichen ist es zwischen Mir und euch in allen Geschlechtern, dass man wisse, dass Ich, der Ewige, es bin, der euch heiligt« (2. Buch Mose 31, 12–13). Die Gemara erläutert: »Der Heilige, gepriesen sei Er, sprach zu Mosche: Ich habe ein kostbares Geschenk in meiner Schatzkammer, dessen Name ist Schabbat, und Ich will es den Israeliten schenken, geh und tue es ihnen kund« (Schabbat 10b).

Aus Gottes Bitte an Mosche zog ein Amoräer einen Schluss, der für den Umgang der Menschen miteinander von Bedeutung ist: »Es sagte Raba Bar Mechasja im Namen von Raw Chama Bar Gorja im Namen Raws: ›Wenn jemand seinem Nächsten ein Geschenk macht, so muss er es ihm kundtun!‹«

RESPEKT Der mittelalterliche Kommentator Raschi erklärt, durch die Ankündigung des Geschenks zeige der Schenkende, dass er den Empfänger respektiert. Denn vielleicht wird der Beschenkte sich zuerst genieren, das Präsent anzunehmen, und erst nach einem Gespräch einwilligen. Hat der Gebende das Geschenk im Hause des Freundes ohne dessen Wissen deponiert, so sollte er den Beschenkten informieren, damit dieser Bescheid weiß, welcher Wohltäter ihm ein Geschenk machte, den er dann lieben wird.

Rabbi Menachem Treves nennt einen weiteren Grund, warum der Beschenkte den Wohltäter kennen sollte: damit er weiß, wem er eine Gegenleistung schuldet.

Die Tosafot zu unserer Passage merken an, dass Raw von einer Freundschaftsgabe gesprochen hat. Bei der Unterstützung von Bedürftigen (hebräisch: Zedaka) ist es nämlich keineswegs erforderlich, dass der Beschenkte den Spender kennt. Im Gegenteil, die Schrift sagt: »Geschenk im Heimlichen bezwingt den Zorn« (Mischle 21,14).

Über den Amoräer Mar Ukwa erzählt der Talmud (Ketuwot 67b), dass er sich einmal sogar in einem noch warmen Ofen versteckt hat, weil der Mann, dem er immer Münzen vor die Tür legte, nicht erfahren sollte, wer ihm Zedaka gibt.

EINWAND Gegen Raws Anweisung erhebt die Gemara im Traktat Schabbat einen Einwand: »Dem ist aber nicht so. Raw Chama Bar Chanina sagte ja, wer seinem Nächsten ein Geschenk macht, brauche ihm dies nicht kundzutun, denn es heißt: ›Und Mosche wusste nicht, dass die Haut seines Angesichts strahlend geworden war, weil er mit Gott geredet hatte‹« (2. Buch Mose 34,29).

Der Fall von Mosche, der von Gott beschenkt wurde, ohne darüber informiert zu werden, scheint Raws Schlussfolgerung zu widersprechen. Doch stellt der Talmud fest: »Das ist kein Einwand. Dies bei einer Sache, die auch sonst bekannt wird – jenes bei einer Sache, die sonst nicht bekannt wird.« Wird also der Beschenkte am Ende keinen Zweifel haben, wem er das Geschenk verdankt (wie im angeführten Fall von Mosche), dann ist eine Mitteilung nicht nötig.

Eine interessante halachische Frage, die das Schenken an Purim betrifft, hat Rabbiner Abraham Jaffe-Schlesinger behandelt: Jemand hatte einem Freund Mischloach Manot geschickt, die obligaten Geschenke an Festspeisen. Doch die Leckereien wurden unterwegs gestohlen, sodass der Freund das ihm zugedachte Essen nicht erhielt. Hat der Absender in diesem Fall seine Pflicht von Mischloach Manot erfüllt oder nicht?

Rabbiner Jaffe-Schlesinger entschied, dass die Antwort auf die gestellte Frage von der Mitteilung des Vorgefallenen abhängt. Hat der Geber seinem Freund vom Diebstahl der Speisen erzählt, dann hat er die Mizwa erfüllt. Denn Mischloach Manot soll die Freundschaftsbande stärken, und eine solche Stärkung sei durch die Erzählung von der guten Absicht erfolgt. Wenn der Freund hingegen vom Diebstahl nichts erfährt, dann hat der Geber seine Mischloach-Manot-Pflicht nicht erfüllt.

Mikez

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