Talmudisches

Vom Reiz schöner Kleider

Der Hohepriester mit Brustpanzer und Ephod Foto: Thinkstock

Talmudisches

Vom Reiz schöner Kleider

Warum ein Nichtjude konvertieren wollte

von Rabbiner Boris Ronis  11.09.2017 18:45 Uhr

Im Talmudtraktat Schabbat (31a) wird von einem Nichtjuden erzählt, der an einem Lehrhaus vorbeikam. Von drinnen hörte er die Stimme eines Lehrers: »Und das sind die Kleider, die sie machen sollen: ein Brustpanzer und ein Ephod.« Da fragte der Nichtjude: »Für wen sind diese Dinge?« »Für den Hohepriester«, wurde ihm gesagt. Da sprach er zu sich selbst: Ich will gehen und ein Jude werden, damit man mich zum Hohepriester ernennt.

Er trat vor Schammai und sprach zu ihm: »Mache mich zu einem Juden – unter der Bedingung, dass du mich danach zum Hohepriester ernennst.« Aber Schammai stieß ihn weg. Daraufhin ging er zu Hillel und trat bei ihm zum Judentum über. Anschließend sagte Hillel zu ihm: »Wen man zu einem König macht, der muss wissen, wie man regiert. Gehe du und lerne die Künste des Regierens!« Daraufhin ging der frisch Übergetretene und las.

Als er zu der Stelle kam: »Und der Fremde, der zu nahekommt (dem Tempeldienst), wird getötet«, fragte er Hillel: »Für wen gilt dieser Vers?« – »Für alle, die nicht Priester sind, sogar für König David«, war die Antwort.

Zweifel Daraufhin überdachte der Nichtjude seine Haltung und kam zu dem Schluss: Wenn Israel als ein heiliges Volk gilt, die Kinder Israels »Söhne des Allmächtigen« genannt werden und selbst für sie geschrieben steht »Der Fremde, der nahekommt, wird getötet« – um wie viel mehr müssen diese Worte dann für mich gelten, für einen gerade Übergetretenen, der mit nichts außer seinem Wanderstab und seinem Beutel daherkommt?

Darauf trat er vor Schammai und sagte: »Bin ich denn berechtigt, ein Hohepriester zu sein? Steht nicht in der Tora geschrieben: ›Und der Fremde, der nahekommt (dem Tempeldienst), wird getötet‹?« Danach ging er zu Hillel und sagte zu ihm: »O sanftmütiger Hillel, Segnungen ruhen auf deinem Kopf, der du mich unter die Flügel der Schechina (der Obhut Gottes) bringst!«

Manche Menschen suchen ihr Leben lang nach den unterschiedlichsten Dingen. Bei manchen ist es die Suche nach Reichtum, andere bemühen sich um mehr Macht oder um einen besseren Status in der Gesellschaft. All diese Menschen haben eines gemeinsam: Sie bleiben nicht auf der Stelle stehen, sondern wollen ihre Ausgangslage verbessern. Das ist grundsätzlich gut – doch befinden sie sich auf dem Holzweg, weil sie von falschen Voraussetzungen ausgehen. Aber wie ist dies beispielsweise unserem Übergetretenen zu erklären?

sprichwort Ein altes Sprichwort sagt: »Ist der Schüler bereit, erscheint sein Meister.« Gemeint ist das Zusammentreffen von Lehrer und Schüler. Beide sind aufeinander angewiesen: der Schüler, der lernen möchte, und der Meister, der sein Wissen und Können weitergeben will. Hillel und Schammai gehen dabei unterschiedliche Wege: Der eine ist sehr streng und oft abweisend, der andere nimmt auf und ist zuvorkommend.

Der Schüler befindet sich in diesen Geschichten oft in der Lage eines Menschen, der falsch denkt, dessen Vorstellungen ihn auf den Holzweg gebracht und seine Suche eigentlich in die Irre geleitet haben.

Nun gibt es zwei mögliche Lösungsansätze, um dem Dilemma des Schülers entgegenzuwirken: Man kann ihn wegschicken, oder man kann ihn aufnehmen und mithilfe von vernunftbegabter Einsicht und Lehre auf ein höheres Level hieven.

Wie so oft, so auch im Falle des Nichtjuden, der gern Hohepriester werden will, entscheidet sich Schammai gegen einen solchen Schüler, weil ihm dessen Begehren absurd vorkommt. Hillel hingegen scheint mehr zu sehen: Ein irrationaler Wunsch gibt eine Bahn vor, die den Suchenden »unter die Flügel der Schechina«, auf den Weg mit Gott bringt. In unserem Beispiel hat es ein Lehrer tatsächlich geschafft, seinen Schüler weiterzubringen, und ihm unabhängig von seinen Vorstellungen und Wünschen eine Realität präsentiert, die er annehmen kann.

Wajigasch

Mut und Hoffnung

Jakow gab seinen Nachkommen die Kraft, mit den Herausforderungen des Exils umzugehen

von Rabbiner Jaron Engelmayer  19.12.2025

Mikez

Füreinander einstehen

Zwietracht bringt nichts Gutes. Doch vereint ist Israel unbesiegbar

von David Gavriel Ilishaev  19.12.2025

Meinung

Heute Juden, morgen Christen

»Judenhass führt konsequent zum Mord. Dafür darf es kein Alibi geben«, schreibt Rafael Seligmann

von Rafael Seligmann  19.12.2025

Chanukka

»Wegen einer Frau geschah das Wunder«

Zu den Helden der Makkabäer gehörten nicht nur tapfere Männer, sondern auch mutige Frauen

von Rabbinerin Ulrike Offenberg  18.12.2025

Essay

Chanukka und wenig Hoffnung

Das hoffnungsvolle Leuchten der Menorah steht vor dem düsteren Hintergrund der Judenverfolgung - auch heute wieder

von Leeor Engländer  18.12.2025

Chanukka

Berliner Chanukka-Licht entzündet: Selbstkritik und ein Versprechen

Überschattet vom Terroranschlag in Sydney wurde in Berlin am Mittwoch mit viel Politprominenz das vierte Licht an Europas größtem Chanukka-Leuchter vor dem Brandenburger Tor entzündet

von Markus Geiler  18.12.2025

Chanukka

Wofür wir trotz allem dankbar sein können

Eine Passage im Chanukka-Gebet wirkt angesichts des Anschlags von Sydney wieder ganz aktuell. Hier erklärt ein Rabbiner, was dahinter steckt

von Rabbiner Akiva Adlerstein  17.12.2025

Attentat in Sydney

»Was würden die Opfer nun von uns erwarten?«

Rabbiner Yehuda Teichtal hat bei dem Attentat in Sydney einen Freund verloren und wenige Stunden später in Berlin die Chanukkia entzündet. Ein Gespräch über tiefen Schmerz und den Sieg des Lichts über die Dunkelheit

von Mascha Malburg  16.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  15.12.2025