Dass Verdauungsstörungen einen nicht unbeträchtlichen Einfluss auf das körperliche Befinden haben, ist eine altbekannte Tatsache. Und so beschäftigen sich auch die talmudischen Rabbinen mit diesem profanen Thema. Dabei gilt ihnen anscheinend faserreiche Kost als eher schädlich. In Pessachim 42ab warnen sie nämlich vor dem Verzehr von Brot aus grobkörnigem Mehl und von rohem Gemüse.
Anstelle von Vollkornprodukten und Rohkost empfehlen sie tatsächlich Brot aus feinem weißen Mehl und fettes Fleisch, da weniger Ballaststoffe in der Ernährung auch weniger Stuhlgang bedeuteten und, wie es wörtlich heißt, die Statur eines Menschen aufrichten und die Augen leuchten lassen.
Die Rabbinen empfehlen tatsächlich Brot aus feinem weißen Mehl und fettes Fleisch
Nun mag uns diese Empfehlung nach heutigem Verständnis ziemlich fragwürdig erscheinen. Vermutlich steckt darin jedoch die tiefere Bedeutung, dass jemand, der sich Weißbrot und Fleisch von einem fett gemästeten Tier leisten konnte, sicherlich der wohlhabenden Bevölkerungsschicht zuzurechnen war und daher andere gesundheitliche Grundlagen aufweisen konnte als ein armer Mensch.
Allerdings bestand bei dieser Art von Ernährung doch die Gefahr einer Verstopfung, was auf seine Weise ebenso unangenehm ist wie Durchfall. Anzustreben war ein regelmäßiger allmorgendlicher Toilettengang.
Berachot 62ab beschäftigt sich ausführlich mit diesem Thema und weist hier noch auf einige praktische Überlegungen hin, was eine ungestörte Benutzung des Aborts gewährleisten sollte. Denn schließlich war ein individuelles Klosett zu jenen Zeiten in der Regel nicht verfügbar. In öffentlichen Toiletten oder gar auf einem freien Platz konnte es zu peinlichen und mitunter sogar gefährlichen Situationen kommen. Schon aus diesem Grund war eine geregelte Verdauung äußerst wünschenswert.
In Gittin 69b beschreibt der Talmud, wofür man Kamillentee verwenden kann
Kamillentee kann dabei von Nutzen sein, sowohl zur Stillung von Durchfällen als auch zum Abführen bei Verstopfung, je nachdem, ob man eine Zubereitung aus frischer oder aus getrockneter Kamille ins Wasser gibt, wie uns schon der Talmud in Gittin 69b lehrt.
Auch der Verzehr von Datteln wirkt abführend. Nur kann man leider nicht genau sagen, wann deren Wirkung eintritt. So warnt man in Ketubot 10b davor, eine Rechtsentscheidung zu treffen, wenn man zuvor Datteln gegessen hat. Zwar führt man es an dieser Stelle auf eine gewisse euphorisierende Wirkung von Datteln zurück, die hier mit dem Genuss von Wein verglichen wird. Doch erklärt Rav Abaye, seine Mutter habe ihm gesagt, dies gelte nur für den Verzehr von Datteln auf nüchternen Magen. Als Nachspeise seien Datteln dagegen zur Förderung der Verdauung sehr zu empfehlen, denn sie vertreiben trübe Gedanken, helfen gegen Bauchschmerzen und beugen der Bildung von Hämorrhoiden vor.
Als Abführmittel eignen sich zudem unreife Feigen, und noch stärker wirken Koloquinten (Talmud Jeruschalmi Scheviit 3,1). Die Koloquinte ist ein Kürbisgewächs, das, nebenbei bemerkt, aufgrund seiner abführenden und harntreibenden Wirkung im Jahr 2012 zur »Heilpflanze des Jahres« gewählt wurde.
Das »Ägyptische Sitom« (Pessachim 42) reguliert nach heutigem Wissen den Fettstoffwechsel
In Pessachim 42 wird unter der Bezeichnung »ägyptisches Sitom« schließlich ein Mittel beschrieben, das sowohl gegen Verstopfung als auch gegen Durchfall hilft. Es handelt sich dabei um ein Getränk, offenbar eine Art Bier, aus je einem Drittel Gerste, Safflor und Salz. Safflor oder Färberdistel enthält Wirkstoffe, die nicht nur der Verdauung dienen, sondern nach heutigem Wissen den Fettstoffwechsel regulieren, den Blutzucker senken, das Immunsystem stärken und sogar gegen Osteoporose wirken und obendrein den Muskelaufbau fördern sollen. Zudem helfe es gegen Reizbarkeit und depressive Verstimmungen.
Daher gilt es heute als ein Heilmittel der ganzheitlichen Medizin. Es zählt aber auch zu den Anabolika im weiteren Sinne. Ob der Talmud (Pessachim 42b) wohl deswegen vor seinem Genuss in der Schwangerschaft warnt?