Am Donnerstagabend beginnt Schawuot. Wir haben eine Rebbetzin und eine Rabbinerin gefragt, wie sie das Fest verbringen und was es für sie bedeutet.
»Schönheit des Festes«
Dieses Jahr ist der Monat Mai besonders intensiv und ereignisreich. Daher freue ich mich auf die Tage des Schawuotfestes, auf 48 Stunden ohne WhatsApp und Laptop. Ich und meine Töchter machen uns ganz viele Gedanken um die Schönheit beim Fest. Nicht nur, was man anzieht und wie man den Tisch dekoriert, sondern wie wir das Fest für andere Frauen und Kinder wunderschön gestalten können. Denn wir erwarten einige Flüchtlingsfamilien aus Deutschland, die mit uns in Belgien Schawuot feiern werden. Traditionell wird gemeinsam gelernt: über Themen zu »Matan Tora« - »Geschenk der Tora«. Und ich werde über Megillat Ruth sprechen. Da freue ich mich besonders darauf, denn die Bedeutung von Schawuot kommt da unheimlich aufregend zur Sprache.
Viele Menschen plagen sich mit Problemen in der Familie, werfen sich selbst falsche Entscheidungen vor, sehen Dinge negativ oder verfallen gar in Depression. Diese und ähnliche Paradigmen werden durch die Geschichte von Ruth verschoben. Tiefgründig, aber auch logisch und nachvollziehbar entdeckt man die Hoffnung und Zuversicht, dass alles im Leben absoluten Sinn hat und wundervolle Wendungen oft die harte und schwere Arbeit an unserem Charakter widerspiegeln. Schawuot ist das Fest der (Wieder)Entdeckung der Tora mit ihren Geboten - unser roter Faden fürs Leben.
Leider hat es in meiner Kindheit in Kiew keine jüdischen Feste gegeben, eine strahlende Erinnerung an Schawuot habe ich erst aus Israel, wo ich im Batmizwa-Alter lernte. Dann gab es wieder eine graue Lücke während meiner Jugend in Nürnberg. Erst nach der Hochzeit und Integration der jüdischen Werte und Traditionen in unser gemeinsames Leben mit meinem Mann gibt es wieder Erinnerungen an üppige milchige Mahlzeiten, himmlischen Jom-Tow-Gesang, an viele Gäste und lange Spaziergänge im Grünen mit der Familie. Julia Konnik, Antwerpen
»In der Synagoge übernachten«
Für die Kinder in unserer Synagoge ist Schawuot »das Fest, bei dem man in der Synagoge übernachtet« – ich hoffe sehr, dass wir dieses Jahr nach der Corona-Pause wieder viele Kinder haben werden, die in der Synagoge übernachten, ein eigenes Programm zu Schawuot haben und sich nach einer Schatzsuche müde in die Schlafsäcke kuscheln.
Seit Jahren lernen wir gemeinsam durch die Nacht in der Synagoge Oranienburger Straße, und der Morgengottesdienst um vier Uhr oder halb fünf ist etwas ganz Besonderes. Schon während der letzten Schiur schauen alle sehnsüchtig durch die Fenster, ob es nicht endlich hell wird. Ich bin stolz, dass wir in der Synagoge so viele Menschen haben, die gerne Schiurim anbieten, und die Sammlung von Themen über die Jahre ist eindrucksvoll. Eine der Schiurim, an die ich mich am liebsten erinnere, war von meiner Kollegin, Rabbinerin Bea Wyler, die am Tag vorher in unserer Küche gewirkt hatte, um dann über Kaschrut von Käse zu lernen, mit Geschmacksproben.
Ich persönlich bin auch sehr froh über meine Entdeckung von New York Cheesecake, denn ich fand es immer ein bisschen peinlich, dass ich Käsekuchen, das traditionelle Schawuot-Essen, einfach nicht mag: zu sauer und zu krümelig. Aber New York Cheesecake gleicht das völlig aus!
Schawuot ist ja das am wenigstens bekannte große jüdische Fest, und das ist wirklich schade, denn wir feiern hier das, was unsere Identität ganz besonders macht: die Tora – und zwar nicht nur die schriftlich gegebene, sondern auch die Mündliche Tora, und das bedeutet ja nicht nur die klassische rabbinische Literatur, sondern in Erweiterung auch alles das, was wir heute noch lernen und wie wir die jüdische Tradition für uns und unsere Zeit relevant machen. Es ist also nicht ein einmaliges Ergebnis, sondern braucht viel Lernen, Nachdenken und Arbeit: Wie verbinde ich mich mit der Tradition, und was sagen die jüdischen Texte für unser Leben heute? Gesa Ederberg, Rabbinerin in Berlin