Die Sterbehilfe soll in Deutschland gesetzlich geregelt werden. Doch der Gesetzentwurf erntet Kritik – von Gegnern und Befürwortern der Sterbehilfe. Die Koalition will die gewerbsmäßige »Förderung der Selbsttötung« unter Strafe stellen: Wer mit Suizidbeihilfe Geld verdient, müsste demnach mit bis zu drei Jahren Gefängnis oder einer Geldstrafe rechnen. Aktuell ist die Rechtslage unklar: Während die Selbsttötung und die Beihilfe dazu nicht verboten sind, steht die Tötung auf Verlangen unter Strafe. Die Abgrenzung ist schwierig. Gerichte haben in Einzelfällen unterschiedlich geurteilt.
Die jüngste Fassung des in der vergangenen Woche vorgelegten Referentenentwurfs aus dem Bundesjustizministerium sorgt für zusätzlichen Konfliktstoff. Denn danach sollen Ärzte und Pflegekräfte, die beim Suizid helfen, straffrei bleiben, wenn sie eine enge Beziehung zu dem Patienten haben. Sie würden in einem solchen Fall Angehörigen und nahestehenden Personen gleichgestellt. Die Ärzteschaft lehnt das strikt ab.
Missbrauch Damit werde die Rechtsgrundlage für Ärzte als Sterbehelfer geschaffen, kritisiert der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery. Kritik kommt auch aus der Union. Vor Missbrauch warnte der gesundheitspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Jens Spahn. Er sei grundsätzlich dagegen, »dass berufsbedingt nahestehende Personen bei aktiver Sterbehilfe und auch bei der Beihilfe zur Sterbehilfe generell straffrei gestellt werden«.
Der Vorsitzende des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, Alois Glück, warnte vor dem Überschreiten einer Grenze, die zu einem Dammbruch führen könne. Statt sich über eine Akzeptanz der Sterbehilfe Gedanken zu machen, müsse die Gesellschaft die Schmerzmedizin massiv ausbauen, sagte Glück der »Passauer Neuen Presse«.
Die meisten Menschen hätten Angst vor einem Lebensende mit großen Schmerzen und Qualen. »Wir brauchen eine saubere Unterscheidung zwischen einer Sterbebegleitung, die dem Menschen im letzten Lebensabschnitt hilft, und einer aktiven Beihilfe zur Selbsttötung«, sagte Glück. Die Frauenbeauftragte des Zentralrats der Muslime, Houaida Taraji, lehnt den Gesetzesentwurf ab. Sie warnte, dass eine »Tür zur Beihilfe zum Mord geöffnet« werde. Der Gesetzentwurf werde bei Muslimen nicht befürwortet und sollte überarbeitet werden.
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) verteidigt den Gesetzentwurf des Justizministeriums zur Sterbehilfe. »Vieles wird in der Debatte bewusst missverstanden«, sagte Bahr. »Es ist ausdrücklich nicht das Ziel, Ärzte zu Sterbehelfern zu machen.« Es solle ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden, damit Sterbehilfe nicht zum Geschäftsmodell wird.
Entwurf Der Referentenentwurf soll demnächst im Kabinett verhandelt werden. Sterbehilfegegnern geht er nicht weit genug. Sie stört vor allem das Wort »gewerbsmäßig«. Davon wären nur Personen und Organisationen erfasst, die sich durch Sterbehilfe »eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang« verschaffen wollen. Diese Formulierung weckt bei Montgomery schlechte Erinnerungen. »Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Sterbehelfer einfach auf eine Organisationsform ausweichen, die das Kriterium der Gewerbsmäßigkeit nicht erfüllt«, sagte er.
Gemeint ist der Fall Roger Kusch. Der ehemalige Hamburger Justizsenator half 2008 mit seinem Verein »Dr. Roger Kusch Sterbehilfe« fünf Menschen beim Suizid und kassierte dafür jeweils 8.000 Euro. Nachdem ihm das von einem Gericht verboten wurde, gründete Kusch 2010 den Verein »Sterbehilfe Deutschland«, der Mitglieder bei der Selbsttötung begleitet – ohne Honorar. Sie zahlen aber pro Jahr 100 Euro Mitgliedsbeitrag. 2010 und 2011 hat der Verein nach eigenen Angaben 48 Menschen beim Suizid begleitet.
Eugen Brysch, Geschäftsführer der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, befürchtet, dass das geplante Gesetz Vereinen wie »Sterbehilfe Deutschland« den Stempel der Rechtmäßigkeit aufdrückt, weil sie nicht kommerziell arbeiten. Der Entwurf sei nicht praxistauglich. Kritiker wie die evangelische Kirche fordern, die »geschäftsmäßige« Sterbehilfe zu verbieten. Sie meinen damit organisierte und auf Wiederholung angelegte Suizidbeihilfe, gleich ob Geld fließt oder nicht.
Verbot Das Justizministerium lehnt ein weitergehendes Verbot aber ab. Die Abgrenzung zu zulässigen Formen der Sterbehilfe sei schwierig, heißt es – etwa wenn Ärzte in Einzelfällen Patienten beim Suizid helfen. Sie handeln dabei im Rahmen ihres Berufs, also streng genommen geschäftsmäßig. Während die Bundesärztekammer ärztliche Suizidbeihilfe strikt ablehnt, erklärte das Berliner Verwaltungsgericht sie in Ausnahmefällen jüngst für zulässig.