Unter den vielen Übertretungen, die in der talmudischen Literatur als Ursachen für die Zerstörung des Zweiten Tempels aufgezählt werden, finden wir eine, die uns als eher rätselhaft erscheint. Unsere Weisen berichten, dass Tur Schimon, eine große Stadt in den Hügeln von Judäa, wegen Ballspielens zerstört wurde. Nach Ansicht vieler Kommentatoren bestand ihre Sünde darin, dass am Schabbat Ball gespielt wurde.
Aber konnte ein so »geringfügiger« Verstoß solch katastrophale Folgen haben? Vielleicht deuten damit unsere Weisen auf einen allgemeinen spirituellen Zustand in Tur Schimon an. Menschen, die die kostbaren heiligen Stunden des Schabbats mit einer alltäglichen sportlichen Aktivität wie dem Ballspielen verbringen, zeigen damit sicherlich, dass es sehr viel Nachholbedarf in ihrem Engagement für Tora und Mizwot gibt.
unverständnis Ihre Wahl des Zeitvertreibs ist symptomatisch für einen düsteren geistigen Zustand und das Unverständnis, wofür uns der Schabbat gegeben wurde. Somit wurde das ursprünglich für viele andere größere Sünden erlassene Vernichtungsdekret besiegelt.
Tatsächlich missbilligen alle halachischen Autoritäten jede Art von Ballspiel am Schabbat, denn es beeinträchtigt die Aura der Heiligkeit, die ihn von den anderen Wochentagen unterscheidet. Doch mit der Verbreitung von Schabbat-Eruwim in vielen Gemeinden sieht man immer mehr Kinder am Schabbat Ball spielen. Daher stellt sich die Frage, ob Eltern ihren Kindern erlauben dürfen, am Schabbat Ball zu spielen.
VERSTÖSSE Es gibt sechs halachische Verstöße, die möglicherweise aus dem Ballspielen an Schabbat resultieren können.
1. Offensichtlich ist das Ballspielen nur dort erlaubt, wo das Tragen erlaubt wäre (innerhalb eines Eruws, eines geschlossenen Hofes oder innerhalb eines Hauses).
2. Obwohl einige Poskim der Meinung sind, dass ein Ball Mukze ist (also auch innerhalb eines Eruws nicht bewegt werden darf, da er keinem Zweck dient, ähnlich wie ein Stein), sagt Rama eindeutig, dass ein Ball nicht Mukze ist. Ballspielgeräte wie Schläger, Handschuhe und Ähnliches sind ebenfalls nicht Mukze.
3. Wenn man spielt, um zu üben, kann dies verboten werden, da bestimmte Arten von Übungen am Schabbat verboten sind.
4. Es ist rabbinisch verboten, Spiele zu spielen, bei denen ein Ball oder ein anderer Gegenstand, wie Murmeln oder Nüsse, auf dem Boden gerollt wird. Das Spielen dieser Spiele kann den Spieler leicht dazu bringen, das Spielfeld zu ebnen, was eine Form des Pflügens ist, welches ein Toraverbot darstellt. Die Interpreten sind jedoch mit einem gepflasterten Platz oder Bodenbelag nachsichtig. Spiele, die auf einem Tisch (Pingpong, Billardtisch oder Airhockey) oder auf einer Matte gespielt werden, sind nach allen Auffassungen erlaubt. Spiele, die auf dem Boden gespielt werden, wo aber kein Ball auf dem Boden gerollt wird (zum Beispiel Baseball, Basketball, Fußball), sind in dieser rabbinischen Verordnung nicht enthalten.
5. Wenn der Ball in einem Baum oder Busch mit einer Höhe von mehr als 25 Zentimetern stecken bleibt, ist es verboten, den Ball zu holen oder zu entfernen, auch wenn das Entfernen ohne den Busch zu schütteln oder auf den Baum zu klettern erfolgen kann. Fällt der Ball von selbst vom Baum oder Strauch, darf damit weitergespielt werden.
6. Viele Interpreten verbieten, einen Ball am Schabbat aufzupumpen. Einige verbieten es, weil es eine profane Aktivität darstellt, die man während der Woche tut, doch andere meinen, dass es als Reparatur (oder Erschaffung) eines Objekts (Tikkun Mana) betrachtet wird und biblisch verboten sein kann.
zeitverschwendung Neben den oben aufgeführten möglichen halachischen Verstößen gibt es eine zusätzliche wichtige Überlegung. Die Poskim verurteilen das Ballspielen am Schabbat fast einstimmig als leichtfertiges und unangemessenes Verhalten, als Zeitverschwendung und als eine Praxis, die oberflächlichen Individuen angemessen ist. Dementsprechend, auch wenn es nicht ausdrücklich gegen Schabbat-Verbote verstößt, wird Erwachsenen ab ihrer Bar- beziehungsweise Batmizwa dringend davon abgeraten, an jeglicher Art von Ballspielen am Schabbat teilzunehmen.
Es ist daher lobenswert, wenn Eltern ihren Kindern das richtige Verständnis des Geistes des Schabbats vermitteln. Auch wenn es für Kinder technisch nicht verboten ist, Ball zu spielen, sollte ihnen beigebracht werden, dass dies nicht der Schabbatatmosphäre entspricht. Kindern einfach zu verbieten, Ball zu spielen, und ihnen aber zu erlauben, ziellos durch die Straßen zu ziehen, ist jedoch nicht der Weg, sie mit dem heiligen Geist des Schabbats zu erfüllen.
Haschem hat uns den Schabbat geschenkt, einen heiligen Ruhetag, den wir im Gebet und im Torastudium verbringen können. Dieses Konzept sollte auch Kindern vermittelt werden, und es liegt an den Eltern, den Schabbat mit sinnvollen und erfüllenden Aktivitäten zu füllen.
Der Autor ist Rabbiner der Synagogengemeinde Konstanz und Mitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD).