Spiritualität

Tefillin und Yogamatte

Zum Weltyogatag am 21. Juni: Gedanken über Gemeinsamkeiten zwischen dem Judentum und der philosophischen Lehre aus Indien

von Martin Schubert  21.06.2021 08:52 Uhr

Yoga in Ramat Beit Shemesh (Israel) Foto: REUTERS

Zum Weltyogatag am 21. Juni: Gedanken über Gemeinsamkeiten zwischen dem Judentum und der philosophischen Lehre aus Indien

von Martin Schubert  21.06.2021 08:52 Uhr

Die Digitalisierung zeigt es seit Jahren, und die Corona-Krise hat die Einsicht verschärft: Orthodoxie macht Sinn. Wenn man in der eigenen Wohnung hockt und die Tage sich eher zeitlich denn räumlich unterscheiden, sind es tägliche Routinen und Rituale, mit denen wir uns der immer schneller vergehenden Zeit entgegenstellen.

Meistert das Judentum denn nicht diese Kunst? Das Erwachen in Dankbarkeit, das Morgen­gebet, die Smartphone-Pause am Schabbat und ausgewählte Speisen mit Segenssprüchen dazu? Die Heiligung gewisser Zeiten verbindet uns mit den kosmischen Kräften, wir leben nicht unter Spannung wie eine verschreckte Katze, sondern öffnen uns mit dem Sonnenaufgang wie die Blüten auf dem Feld und schließen uns wieder am Abend.

BAUCHATMUNG Aber wenn andere Juden auf der ganzen Welt morgens die Tefillin herausholen, rolle ich die Yogamatte aus. Yoga ist keine leere Selbstoptimierung. Es geht nicht um Bauch-Beine-Po und auch nicht um den Chia-Maulbeer-Smoothie für 8,90 Euro in Berlin-Mitte. Die Haltungen verkörpern Wahrheiten mit dem Ziel, trotz größter Anstrengung genau dann bewusst zu entspannen und in eine ruhige Bauchatmung zu kommen. Körper und Geist werden so für den Tag eingestimmt.

Gibt es einen Punkt, an dem die jüdische Tradition und die dem Hinduismus entstammende Lehre sich treffen? Nicht bloß im Sinne eines zusätzlichen Freizeitangebots im Gemeindehaus und nicht in der Hipster-Synagoge, wo hebräische Buchstaben als »Kabbalah Yoga« nachgetanzt werden?

KABBALA Das Judentum wird für seine rationale Diesseitigkeit bewundert. Die mystische Tradition des Judentums dagegen gilt als kabbalistische Geheimlehre. Diese sei erst im Alter von 40 Jahren anzufassen, wenn man den Pflichten für die Gemeinschaft nachgekommen ist. Das neue »Briefing« über die Illusion des Selbst wird einen dann nicht mehr aus der bürgerlichen Zufriedenheit werfen, so die Annahme.

Schlagen wir im Lexikon nach, findet sich unter Kabbala ein Verweis auf die Gnosis, die Lehre, dass wir Einsicht und Wissen von G’tt haben. Doch im Judentum geht es nie um eine Idee, die – wenn begriffen – alles andere ersetzt. Die Nächstenliebe ist laut Hillel zwar die ganze Tora, das Folgende nur Kommentar, doch gelten alle 613 Gebote und Verbote als verpflichtend.

SEELE Für die Kabbala heißt dies, dass G’ttes Wille sich in den 613 Geboten der Tora verdichtet hat und wir erst dann koscher leben, wenn sich der blinde Trieb dieser kühlenden Weisheit im Hier und Jetzt unterwirft. Die chassidische Auslegung der Kabbala erklärt dies mit den fünf Ebenen der Seele: Nefesch, Ruach, Neschama, Chaja und Jechida.

Nefesch gilt als körperliche Seele, die organischen Funktionen, die wir nicht bewusst steuern. Ruach ist das Energetisch-Emotionale. In Neschama werden wir bewusst, doch – wie Martin Buber sagen würde – in einer Ich-Es-Beziehung zur Welt. Einer spirituellen Ich-Du-Beziehung nähern wir uns erst in Chaja durch die Verbindung der Einzelseele mit dem Volk über die gelebte Tora. Ob Jechida eine Ich-Ich-Beziehung ist? Im Judentum wird nie von Wesensgleichheit mit dem Höchsten gesprochen.

KOSHAS Die Lehre von den fünf Ebenen der Seele ist der Yogi-Philosophie zum Verwechseln ähnlich. Die vedischen Upanischaden, eine Sammlung philosophischer Schriften des Hinduismus, sprechen von den fünf Mänteln, genannt Koshas. Der mentalen Ebene von Neschama entspricht der Manomaya Kosha.

Der vierte Mantel, Janamaya Kosha, ist wie Chaja die Ebene, wo Wahrheit durch Rituale in das alltägliche Leben fließt. Das Ziel ist, die eigene Seele an die Yoga-Praxis und Mythologie zu binden, wie ein Jude seine Neschama an die Tora. Einzig der fünfte Mantel, Anandamaya Kosha, wird im Vergleich zur jüdischen Entsprechung der Jechida genau definiert. Es ist die Glückseligkeit über das Einswerden mit der Ewigkeit.

Rheinland-Pfalz

Volker Beck kritisiert Verträge mit Islam-Verbänden

Zu den Partnern des Bundeslandes gehören jetzt Ditib, Schura und Ahmadiyya Muslim Jamaat

 22.12.2024

Hessen

Darmstadt: Jüdische Gemeinde stellt Strafanzeige gegen evangelische Gemeinde

Empörung wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024 Aktualisiert

Debatte

Darmstadt: Jetzt meldet sich der Pfarrer der Michaelsgemeinde zu Wort - und spricht Klartext

Evangelische Gemeinde erwägt Anzeige wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024

Hessen

Nach Judenhass-Eklat auf »Anti-Kolonialen Friedens-Weihnachtsmarkt«: Landeskirche untersagt Pfarrer Amtsausübung

Nach dem Eklat um israelfeindliche Symbole auf einem Weihnachtsmarkt einer evangelischen Kirchengemeinde in Darmstadt greift die Landeskirche nun auch zu dienstrechtlichen Maßnahmen

 19.12.2024

Wajeschew

Familiensinn

Die Tora lehrt, dass alle im jüdischen Volk füreinander einstehen sollen – so wie Geschwister

von Rabbiner Jaron Engelmayer  19.12.2024

Berlin

Protest gegen geplantes Aus für Drei-Religionen-Kita

Im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ist demnach ein Lernort geplant, in dem das Zusammenleben der verschiedenen Religionen von frühester Kindheit an gelebt werden soll

 16.12.2024

Feiertage

»Weihnukka« - Weihnachten und Chanukka beginnen am selben Tag

In diesem Jahr starten ein hohes christliches und ein bekanntes jüdisches Fest am selben Tag, am 25. Dezember. Ein Phänomen, das manche »Weihnukka« nennen

von Leticia Witte  16.12.2024

Wajischlach

Wahre Brüder, wahre Feinde?

Die Begegnung zwischen Jakow und Esaw war harmonisch und belastet zugleich

von Yonatan Amrani  13.12.2024

Talmudisches

Licht

Was unsere Weisen über Sonne, Mond und die Tora lehren

von Chajm Guski  13.12.2024