Die Tora, der Talmud und die Halacha, das jüdische Religionsgesetz, kennen die Maßeinheit Tefach (Plural: Tfachim), die ungefähr einer Handbreite entspricht. Es gibt verschiedene Meinungen darüber, wie groß ein Tefach ist, aber man kann wohl von ungefähr neun Zentimetern ausgehen.
Laut dem talmudischen Traktat Sukka (4b) muss eine Sukka (Laubhütte) mindestens zehn Tfachim (also 90 Zentimeter) hoch sein, um als koscher zu gelten. Ist sie nicht zehn Tfachim hoch, kann sie nicht zur Erfüllung des Gebotes verwendet werden.
Direkt im Anschluss (5a) sagt der Talmud etwas Bemerkenswertes: Die Präsenz von Gʼtt ist niemals tiefer als zehn Tfachim herabgestiegen. Selbst während der Offenbarung am Berg Sinai, über die geschrieben steht: »Gʼtt stieg auf den Berg Sinai herab (2. Buch Mose 19,20)«, stieg Gʼtt laut dem Talmud nicht wirklich herab, sondern seine Präsenz (Energie) schwebte zehn Tfachim über dem Boden am Berg Sinai.
Der Talmud benennt die zehn Tfachim über dem Boden als Sphäre des Menschen und alles darüber als Sphäre Gʼttes
Über die gʼttliche Offenbarung während der Ankunft des Maschiach heißt es im Buch Secharja (14,4): »An diesem Tag werden seine (Gʼttes) Füße auf dem Olivenberg stehen.« Gemeint ist laut dem Talmud genau dasselbe wie im Fall des Berges Sinai: Die Präsenz Gʼttes wird 90 Zentimeter über der Erde schweben. Grund dafür ist, dass sich die gʼttliche Ehre nicht auf die Erde begeben kann.
»Der Himmel gehört Gʼtt, und die Erde gehört dem Menschen«, so heißt es darüber in den Psalmen (115,16). Der Talmud benennt die zehn Tfachim über dem Boden als Sphäre des Menschen und alles darüber als Sphäre Gʼttes. Die gʼttliche Sphäre ist zu erhaben, um in den Bereich des Menschen einzutreten. Spannenderweise ist diese Idee in der Praxis halachisch relevant und scheint gleichzeitig auch eine Metapher für etwas anderes zu sein.
Die Verbindung zur Laubhütte ist eindeutig: Die Sukka muss mindestens 90 Zentimeter hoch sein, weil sie ein Ort der gʼttlichen Präsenz ist und diese nicht tiefer als zehn Tfachim vom Boden aus herabsteigt. Auf der anderen Seite schreibt der Talmud über den Propheten Elijahu: Er »stieg im Sturm in den Himmel« nie weiter als zehn Tfachim (also 90 Zentimeter) vom Boden hinauf, weil ein Mensch niemals die zehn Tfachim überschreiten könne.
Diese Aussage kann ganz klar nicht wörtlich gemeint sein. Sie deutet darauf hin, dass die in der Halacha festgeschriebenen zehn Tfachim in den nicht halachischen Aussagen unserer Weisen eine Metapher für etwas völlig anderes sind. Wir wissen nicht genau, welche tiefen Geheimnisse sich in den Worten unserer Weisen verstecken. Wir können allerdings davon ableiten, dass zehn Tfachim die Symbolik einer praktisch unüberbrückbaren Grenze von Sphären ausdrücken.
Nur eine Grube, die zehn Tfachim tief ist, kann ein Tier töten
Der Talmud sagt, dass nur eine Grube, die zehn Tfachim tief ist, in der Lage ist, ein Tier zu töten. In der besagten talmudischen Stelle gibt es eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Weisen bezüglich dessen, wer den Schadenersatz leisten muss, wenn Person A eine Grube von neun Tfachim gräbt und Person B einen weiteren Tefach hinzufügt. Auch hier sind die zehn Tfachim ein Zeichen für die Trennung von unüberbrückbaren Sphären: der des Todes und des Lebens.
Die Thematik der zehn Tfachim hat auch einen Bezug zum Chanukkafest. Insgesamt gibt es 613 Mizwot aus der Tora und sieben Mizwot, die von den Weisen eingeführt wurden. 620 insgesamt. 620 hat den Zahlenwert von Keter – hebräisch für Krone. In der Kabbala steht die Krone für die höchste gʼttliche Sphäre, die den Willen des Schöpfers ausdrückt. Die 620. Mizwa ist das Zünden der Chanukkakerzen. Es ist der finale Abschluss, der die Krone zur Krone macht. Die ideale Höhe für die Chanukkia liegt laut der Halacha bei drei bis zehn Tfachim. Die Botschaft auf der Metaebene ist klar: Der Abschluss von allem ist, dass das Licht Gʼttes selbst an Orten leuchtet, an die es normalerweise nicht dringen kann.