Unsere Weisen haben festgelegt, dass am Schabbat von Chanukka die dem jeweiligen Wochenabschnitt zugeordnete Haftara durch eine andere ersetzt wird. Man liest am Makkabäerfest einen Abschnitt aus dem Buch des Propheten Secharja 2,14 – 4,7. Dieser Abschnitt bildet auch die Haftara zum Wochenabschnitt »Behaalotcha«.
Was der Verknüpfungspunkt zwischen Behaalotcha und der Secharja-Passage ist, fällt bei der Lektüre der zwei Texte gleich ins Auge. Die ersten Verse des Wochenabschnittes handeln vom Leuchter (Menora) mit den sieben Lampen (4. Buch Mose 8, 2–4), und der Prophet Secharja berichtet, er habe eine Menora mit sieben Lampen gesehen.
In der Übersetzung von Leopold Zunz lautet der Dialog zwischen dem Engel und Secharja wie folgt: »Und er sprach zu mir: Was siehest du? Und ich sprach: Ich sehe, und siehe, einen Leuchter, ganz aus Gold, und eine Schale oben darauf und die sieben Lampen darauf: je sieben Röhren zu den Lampen oben darauf. Und zwei Ölbäume darin, einen rechts von der Schale und einen zur Linken.«
Serubabel Weiter heißt es im Text: »Und ich hub an und sprach zu dem Engel, der mich anredete, also: Was sind diese, mein Herr? Und es antwortete der Engel, der mit mir redete, und sprach zu mir: Weißt du nicht, was diese sind?
Und ich sprach: Nein, mein Herr. Und er antwortete und sprach zu mir, also: Das ist das Wort des Ewigen an Serubabel, also: nicht durch Macht und nicht durch Stärke, sondern durch meinen Geist; spricht der Ewige der Heerscharen« Secharja (4, 2–6).
Ein Grund für die Lesung aus dem Buch Secharja am (ersten) Schabbat Chanukka ist nicht schwer zu finden. Am achttägigen Chanukkafest erinnern wir uns an das Ölwunder im Heiligtum, von dem der Talmud (Schabbat 21b) berichtet. Von Öl und einer Menora ist, wie wir im obigen Zitat gesehen haben, auch in der Haftara die Rede.
Bemerkenswert ist, dass die in der Synagoge vorgelesene Secharja-Passage an einer Stelle endet, die dem Hörer eine Erklärung vorenthält; die Bedeutung der beiden Ölbäume wird nämlich erst in den folgenden Versen deutlich gemacht.
Der Prophet Secharja konnte das Bild nicht deuten, und daher musste der mit ihm redende Engel dem Propheten das Gesehene erläutern: »Und ich hob an und sprach zu ihm: Was sind diese beiden Ölbäume zur Rechten des Leuchters und zur Linken? Und abermals hob ich an und sprach zu ihm: Was sind die beiden Olivenbüsche, die in die beiden goldenen Flaschen greifen, aus denen sie es goldhell herausleiten? Und er sprach zu mir also: Weißt du nicht, was diese sind? Und ich sprach: Nein, mein Herr. Und er sprach: Das sind die beiden Söhne des hellen Öles, die bei dem Herrn der ganzen Erde stehen« (4, 11–14).
Neubau Wie lautet die wichtige Botschaft, die an den politischen Führer Serubabel gerichtet ist? Der Bibelkommentator Raschi erklärt: So wie das Öl in der prophetischen Vision ohne menschliche Bemühungen in die Lampen fließt, so wird der anstehende Neubau des Heiligtums kampflos erfolgen; Gottes Geist wird den persischen Herrscher dazu bewegen, den Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem zu ermöglichen.
Wie Rabbiner Issachar Jacobson in seinem Werk Chason HaMikra bemerkte, besteht ein großer Unterschied zwischen der Zeit von Serubabel und der Zeit der Chanukkageschichte; eine jeweils andere politische Linie war zu verfolgen. Secharja riet dem führenden israelitischen Politiker von einer Aufwiegelung des Volkes gegen die Perser ab; Serubabel sollte sich vielmehr unbedingt auf Gottes Geist verlassen.
Hingegen lehnten die Makkabäer sich gegen antijüdische Verordnungen des griechischen Reiches auf und griffen zu den Waffen. Im Gebet an Chanukka danken wir Gott »für die Kämpfe, die Du für unsere Väter vollbracht hast, in jenen Tagen, zu dieser Zeit. Du übergabst Starke in die Hand der Schwachen, viele in die Hand von wenigen«.
Erlösung Was lehrt uns der offensichtliche Gegensatz in den politischen Stellungnahmen? Rabbiner Jacobson hat den Schluss gezogen, dass das Volk Israel verschiedene Formen der Erlösung (Ge’ula) kennt.
Manchmal hilft der Ewige den Israeliten auch dann, wenn sie ihrerseits kaum etwas zur Entwicklung beigetragen haben, und manchmal müssen Juden sogar militärisch aktiv werden; erst dann greift Gott in das Geschehen ein und verhilft den wenigen zum Sieg gegen die feindliche Übermacht.
Der Prophet Secharja hat über die Menora, die er sah, präzise Angaben gemacht (siehe Verse 2 und 3). Nahum Halevi hat in seinem bunten Bilderbuch The Color of Prophecy Secharjas Vision in einem farbigen Bild dargestellt.
rom Wie man auf den ersten Blick erkennen kann, hat der Künstler die Menora, die bekanntlich im Triumphbogen zu sehen ist, den Kaiser Titus nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels in Rom errichten ließ, zum Vorbild für sein Gemälde genommen. Es ist allerdings fraglich, ob man Secharjas Menora mit der Menora des Heiligtums gleichsetzen darf. Gewiss, hier wie dort leuchteten sieben Lampen an der Menora.
Die Bedeutung der Zahl sieben wird übrigens im Buch Secharja erklärt: »Diese sieben sind die Augen des Ewigen, die auf der ganzen Welt umherschweifen« (4,10). In der Tora heißt es, dass die Menora sechs Leuchterarme haben soll (2. Buch Mose 25,32). Hingegen ist bei Secharja eine ganz andere Konstruktion des Leuchters angedeutet.
Mordechai Zer-Kavod, der Ausleger des Buches Secharja in der »Daat Mikra«-Ausgabe, vertritt die Ansicht, dass die Lampen, die der Prophet sah, in einem Kreis angeordnet waren. Im Heiligtum hingegen waren sie auf einer geraden Linie angeordnet, wie die Menora auf dem Titusbogen beweist.
Auszug aus: »Weisungen und Preisungen. Aufzeichnungen beim Tora-Lernen«. Kiebitz Edition, Israel 2017, 160 S., 14 €