Netilat jadajim«, das Waschen der Hände vor und auch nach dem Essen, ist ein Gebot, das im Talmud ausführlich beschrieben wird (Chullin 105a–107b, Joma 83b).
Wohl ist es heute in der Regel nicht mehr so, dass man mit den Fingern isst; und so wurde die ursprünglich grundsätzliche Verpflichtung des Händewaschens nach der Mahlzeit schon vor langer Zeit gelockert. Aber das Waschen der Hände vor dem Essen, verbunden mit der entsprechenden Bracha, ist auch heute noch unverändert gültig.
Händewaschen Es dient nicht nur der Sauberkeit, sondern auch der rituellen Reinheit, entspricht doch das jüdische Heim dem einstigen Tempel und der Esstisch dem einstigen Altar. So wie man sich für den Dienst im Tempel Hände und auch Füße zu waschen pflegte (2. Buch Mose 30, 19–21), so ist das rituelle Übergießen der Hände mit Wasser vor der Mahlzeit bleibende Vorschrift.
Gleichzeitig ist es unverfänglich genug, um sich damit nicht sofort aller Welt als Jude oder Jüdin zu erkennen zu geben. Lediglich der jüdische Beobachter mag seine Schlüsse daraus ziehen, was vor allem in Zeiten der Verfolgung von Bedeutung ist.
Von einer solchen Zeit handelt die Begebenheit von einem jüdischen Wirt, der nicht nur koscheres Fleisch, sondern zu seiner eigenen Tarnung auch Schweinefleisch servierte (Chullin 106a, Midrasch Tanchuma Balak). Dabei gab er genau acht, ob sich seine Gäste vor dem Essen die Hände wuschen und auf welche Weise sie dies taten.
So unterschied er die jüdischen von den nichtjüdischen Gästen, ohne dass diese sich ihm erklären mussten. Den einen setzte er, wenn sie nach Fleisch verlangten, unaufgefordert koscheres Fleisch vor. Die anderen bekamen Schweinefleisch.
Bracha Wohl gilt das Brot und nicht etwa das Fleisch als der entscheidende Nahrungsbestandteil, vor dessen Verzehr Netilat Jadajim und Bracha erforderlich sind, aber in jenen Zeiten betrachtete man eine Mahlzeit nur dann als vollständig, wenn zu ihr Brot gereicht wurde.
Nun kam eines Tages ein Jude in das Gasthaus, der sich die Hände nicht wusch und auch die Bracha nicht sagte, und verlangte vom Wirt einen Braten. Der Wirt hatte genau aufgepasst, und da der Fremde keine rituelle Handwaschung durchgeführt hatte, setzte er ihm wie selbstverständlich Schweinefleisch vor, war er doch der Meinung, der Gast sei kein Jude.
Der Mann aß, und schließlich ging es ans Bezahlen. Als der Wirt die Rechnung über Brot und Fleisch präsentierte, wurde der Gast unwirsch, weil das Fleisch so teuer war. Der Wirt sagte ihm, Schweinefleisch koste nun einmal so viel. Da erschrak der Gast zutiefst und bekannte dem Wirt leise, er sei doch Jude, weshalb er ihm denn Schweinefleisch vorgesetzt habe? Ungerührt erklärte ihm der Wirt, woran er es erkenne, wer Jude sei, und schalt den Mann wegen seiner Nachlässigkeit im Händewaschen, die schuld daran sei, dass er nun trejfe gegessen habe.
Verhängnis Dass aber auch das Waschen nach dem Essen sinnvoll ist, und nicht nur der Reinlichkeit wegen, erklärt uns der Talmud ebenfalls mit einer drastischen Geschichte, die von einem diebischen Wirt erzählt. Dieser verriet sich dadurch, dass er sich nach dem Essen eben nicht gewaschen hatte. Zum Verhängnis wurde ihm, dass die zwei Männer, die er bestohlen hatte, an seinem Bart sahen, was er zuvor gegessen hatte.
Sie gingen zu seiner Frau und sagten ihr, sie solle ihnen die Geldbeutel wiedergeben, das lasse ihr Mann ihr ausrichten, und zum Zeichen, dass er sie selbst zu ihr geschickt habe, nannten sie als Erkennungsmerkmal, dass er zu Mittag Linsen gegessen habe.
Sie gab das Geld also heraus. Als ihr Mann am späten Abend nach Hause kam und erfuhr, was sie getan hatte, da erschlug er sie im Zorn. Darum lehrte Rav Abba (Chullin 106b), das Unterlassen des Waschens vor dem Essen führe zum Verzehr von Schweinefleisch und das Unterlassen nach dem Essen zu Mord.