Pessachputz

Schluss mit sauer

Vor Pessach muss gekaschert werden. Hier wird die Küche der Lauder-Jeschiwa in Berlin für die Festtage vorbereitet. Foto: Gregor Zielke

Zahlreiche Pessach-Haggadot beginnen mit der Bedikat Chametz, der Suche nach Gesäuertem. Davor hat der Ewige allerdings den Pessachputz gesetzt, mit der Beseitigung von allem, was aus Sauerteig gemacht ist.

Sämtliche Schränke und ihr Inhalt werden bei dieser Gelegenheit gereinigt, sicherheitshalber sogar diejenigen, in denen eigentlich gar kein Chametz zu erwarten ist. Der Lebensmittelvorrat wird durchforstet, und schon eine ganze Weile vor Pessach werden Nudeln und andere Teigwaren aufgebraucht, einschließlich Müsli und Bier.

Tafel Was am Ende immer noch vorhanden ist, kann man an die Nachbarn verschenken oder den »Tafeln« für Bedürftige abgeben. Hat die Hausfrau gut gewirtschaftet, dann bleibt für einen ordentlichen Chametz-Verkauf, wie er mancherorts üblich ist, nicht mehr allzu viel übrig.

Nun bleibt aber noch der nicht essbare Inhalt der Schränke: Geschirr, Töpfe, Besteck, Koch- und Backutensilien jeglicher Art wollen ebenfalls gekaschert sein. Falls man in der komfortablen Lage ist, ein Extra-Set für Pessach zu besitzen, wohlgemerkt getrennt für milchig und fleischig, dann holt man dieses hervor und legt dafür die chametzdiken Gegenstände beiseite bis nach Pessach. Diesen Luxus kann sich jedoch nicht jeder Haushalt leisten.

Herd
Man kaschert zuerst Ofen und Herd; beide werden gründlich gereinigt und anschließend für etwa eine halbe Stunde auf den höchstmöglichen Hitzegrad aufgeheizt; bei der Gelegenheit werden auch die Backbleche, Bratpfannen und die gusseisernen Schmortöpfe (letztere bis zum Rand mit Wasser gefüllt) mitgekaschert. Vorsicht, dies erfordert eine sorgfältige Überwachung, damit in der Küche kein Brand entsteht!

Auch die Spülmaschine lässt man leer auf der höchsten Stufe durchlaufen, und man wechselt auch gleich das Dichtungsgummi aus. Alles, was nicht ausgeglüht oder ausgekocht werden kann, wie zum Beispiel Besteck oder Kochlöffel aus Metall beziehungsweise Holz, gibt man in ein bereits gekaschertes Gefäß mit kochendem Wasser, ebenso Geschirr aus feuerfestem Glas; vorher müssen diese Gegenstände natürlich gründlich gesäubert werden, außerdem lässt man sie vor dem Kaschern 24 Stunden unbenutzt.

Und was macht man mit Geschirr aus Glas, das kein kochendes Wasser verträgt? Man legt es für drei Tage in lauwarmes Wasser, wobei das Wasser täglich erneuert wird.

Die moderne Küche enthält aber noch eine ganze Menge anderer Gegenstände, die man weder ausglühen noch in Wasser legen kann, ob kochend oder lauwarm. Freilich gibt es auch dafür Regeln, zu erfragen beim zuständigen Rabbiner oder der zuständigen Rabbinerin. Wem das aber zu kompliziert ist, der kann sich an einen ganz einfachen Merksatz halten: im Zweifel einfach vor Pessach aus der Küche beziehungsweise aus dem Gebrauch verbannen.

Haushaltsabteilung Zu (Ur-)Großmutters Zeiten praktizierte manche Hausfrau folgenden »Minhag« zur Vereinfachung der Sache: Man ging vor Pessach in die Haushaltsabteilung eines Kaufhauses und gab an, sich neues Geschirr und Besteck kaufen zu wollen; vorher müsse man aber zu Hause probeweise damit den Tisch eindecken, um die Eignung beurteilen zu können. Nach Pessach wurde das gesamte Sortiment wieder zurückgegeben, da es bedauerlicherweise nicht in den Haushalt passe, sehr zum Ärger des Kaufhausbesitzers.

Schließlich ist das Haus von oben bis unten geputzt, Geschirr und Besteck für Pessach stehen bereit, dazu die (nicht gestärkten) Tischtücher und Servietten, und natürlich auch die Speisen und Getränke koscher le-Pessach. Kinder und Ehemänner, die meist vor dem Hausputz geflüchtet waren, bekommen ihrerseits am Vorabend des 14. Nissan noch eine spezielle Aufgabe zur Vorbereitung auf die Pessachwoche, nämlich die offizielle Suche nach womöglich übrig gebliebenen Chametzresten, in der Mischna gefordert und als lieb gewordenes Ritual alljährlich wiederholt.

Natürlich ist kein Chametz mehr da; aber um den eifrig Suchenden nicht die Freude zu verderben (und das Ritual nicht sinnlos werden zu lassen), hat die Hausfrau da und dort ein bisschen Chametz versteckt. Es empfiehlt sich übrigens, sich die Verstecke gut zu merken und zu kontrollieren, ob auch alles gefunden wurde.

Kerze Früher ging der Familienvater, meist zusammen mit den Kindern, durch das Haus und untersuchte alle Ecken im Schein einer brennenden Kerze; alles gefundene Chametz kehrte er dann sorgfältig mit einer Feder zusammen, damit es hernach vernichtet werden konnte. Längst hat die Taschenlampe die Kerze ersetzt. Aber der Ausdruck »etwas mit der Kerze suchen« ist im Sprachgebrauch erhalten geblieben, wenn man ausdrücken will, dass etwas ganz gründlich untersucht werden soll.

Ein gründlich geputztes Haus, frei von Chametz und koscher le-Pessach, ist der Stolz einer jeden Hausfrau und zudem unerlässliches Gebot für einen jeden Juden. Aber ist das wirklich alles, die äußerliche Sauberkeit? Es geht dabei nicht nur um Frühjahrsputz; es geht auch nicht allein um die Erfüllung eines Gebotes nur um des Gebotes willen.

Mikwe Man kann die Pessachvorbereitungen ein wenig vergleichen mit einem Besuch in der Mikwe. Auch dieser erfordert zunächst eine äußerliche, physische Reinigung zur Vorbereitung. Durch das Untertauchen wird die Sauberkeit dann zur Reinheit im spirituellen Sinn, immer vorausgesetzt, dass alle Vorschriften erfüllt wurden.

Allein die Erfüllung der Vorschriften gewährleistet jedoch die innere Reinheit nicht. Daran erinnern uns auch die Schabbatot vor Pessach, nicht nur die Schabbatot Schekalim, Para und Hachodesch, mit Darlegung von Sühne, Reinigung und Chametzverbot, sondern auch der Schabbat Sachor, dessen Leitmotiv eben nicht Unversöhnlichkeit und das Hegen von Rachegedanken ist, sondern im Gegenteil die Ermahnung, diese zur gegebenen Zeit abzulegen, sich frei zu machen vom inneren Chametz, das unsere Gedanken »säuerlich« macht.

Betrachten wir die Vorbereitungen für Pessach also nicht als ein notwendiges Übel, sondern als eine einmalige Gelegenheit, nicht nur unser Haus, sondern auch unser Inneres zu reinigen – jedes Jahr von Neuem.

Talmudisches

Birkat HaIlanot

Warum für unsere Weisen mit dem Anblick der blühenden Bäume nicht nur eine visuelle Freude verbunden ist

von Rabbinerin Yael Deusel  04.04.2025

Geschichte

Das Rätsel der christlichen Kabbala

In einer Dorfkirche im Schwarzwald hängt ein außergewöhnliches Gemälde. Unser Autor ist hingefahren, um die evangelische Sicht auf die jüdische Mystik zu verstehen

von Valentin Schmid  04.04.2025

Rabbinerausbildung

»Wenn es kriselt: durchatmen«

Dmitrij Belkin ist Vorstand der neuen Nathan Peter Levinson Stiftung. In seinem ersten Semester am Potsdamer Standort, der durch den Homolka-Skandal vorbelastet ist, hat er gelernt, Ruhe zu bewahren

von Mascha Malburg  03.04.2025 Aktualisiert

Wajikra

Kraft der Demut

Warum Bescheidenheit der Schlüssel zu wahrer Größe und innerem Frieden ist

von Samuel Kantorovych  03.04.2025

Berlin

»Wunder der Geschichte«: Der Zentralrat der Juden in Deutschland wird 75

Die früheren Bundespräsidenten Gauck und Wulff würdigen den jüdischen Dachverband

von Imanuel Marcus  02.04.2025

Pekudej

Eine Frage der Hingabe

Warum Gʼtt den Künstler Bezalel auswählte, das Stiftszelt in der Wüste zu bauen

von Rabbiner Joel Berger  28.03.2025

Talmudisches

Scheidungsurkunden im Krieg

Was unsere Weisen über eine ungewöhnliche Maßnahme lehren

von Yizhak Ahren  28.03.2025

Gebet

Beim ersten Hahnenschrei

Morgens soll der Mensch eine Reihe von Segenssprüchen sprechen, um Gʼttes Welt »zu seiner« zu machen

von Rabbiner Avraham Radbil  27.03.2025

Talmudisches

Brot

Was unsere Weisen über das wichtige Nahrungsmittel lehren

von Chajm Guski  21.03.2025