In Frankfurt am Main ist am Sonntag die internationale Konferenz »Bilanz und Neuaufbrüche. Gegenwart und Zukunft des christlich-jüdischen Dialogs. Historische und theologische Perspektiven« eröffnet worden. Bei der Tagung der Bildungsabteilung im Zentralrat der Juden in Deutschland kommen Forscher aus dem In- und Ausland zusammen, um Erreichtes zu bilanzieren und über Neuansätze zu beraten.
Zentralratspräsident Josef Schuster sagte laut Redemanuskript in seinem Grußwort: »Wenn ich mir die stolze Liste der Veranstalter ansehe, dann ist diese Konferenz gelebter christlich-jüdischer Dialog«. Interreligiöser Dialog sei manchmal anstrengend: »Wir alle wissen aber aus der deutschen Geschichte und aus unserer Erfahrung, warum sich diese Anstrengung lohnt«, sagte der Zentralratspräsident.
Antijudaismus Schuster betonte, einen Dialog könne nur führen, wer seinem Gegenüber wirkliches Interesse entgegenbringe. Erst die Schoa habe in beiden christlichen Kirchen dazu geführt, den uralten, eigenen Antijudaismus zu hinterfragen und das Judentum als gleichwertig anzuerkennen. »Und ich wage zu behaupten: Dieser Prozess ist in den Kirchen noch immer nicht abgeschlossen.«
Als Stichpunkte nannte Schuster laut Manuskript »eine klare Distanzierung vom Kairos-Dokument sowie von jeglicher Form von Judenmission auch bei evangelikalen Freikirchen« für die evangelische Seite sowie für die katholische Kirche »die lateinische Karfreitagsfürbitte, die Anerkennung der Pius-Bruderschaft sowie das immer noch laufende Verfahren zur Seligsprechung von Papst Pius XII.«.
Einige dieser Punkte seien der jüdischen Seite auch deshalb so wichtig, »weil sie zum Antisemitismus beitragen, der sich als Kritik an Israel tarnt und leider auch in Kirchenkreisen immer häufiger anzutreffen ist. Eine grundsätzliche Solidarität mit dem Staat Israel und ein deutliches Bekenntnis zur bleibenden Verantwortung Deutschlands für Israel erwarten wir von den Kirchen. Es reicht nicht, die Verbrechen der Schoa rückblickend zu verurteilen. Sie müssen Konsequenz für unser Handeln bis heute haben.«
Schuster unterstrich: »Wenn Sie diese unmissverständliche Haltung in Ihre Kirchengemeinden hineintragen, können Sie damit einen essenziellen Beitrag leisten, um den Antisemitismus in Deutschland einzudämmen.«
Beschneidungsdebatte Zugleich betonte der Zentralratspräsident, auf jüdischer Seite wisse man »die immense Entwicklung zu schätzen, die beide Kirchen seit Ende des Zweiten Weltkriegs gemacht haben. Neben EKD-Denkschriften und der Synoden-Erklärung zum Reformationsjubiläum sowie der Konzilserklärung Nostra Aetate und deren Bestätigung 50 Jahre später möchte ich auf ein Beispiel aus der jüngsten Zeit verweisen (…). Ich spreche von der Beschneidungsdebatte 2012.«
Die Kirchen hätten damals sofort und öffentlich Solidarität gezeigt und sich vehement für die weitere Erlaubnis der Beschneidung eingesetzt. Schuster unterstrich: »Ich bin mir sicher: Solche Situationen werden sich wiederholen. Denn so wie in unserer Gesellschaft die Kirchenbindung schwindet, schwindet auch der Respekt vor den Religionen.«
Muslime Zu Gesprächen mit Muslimen sagte der Zentralratspräsident: »Selbstverständlich brauchen wir das Gespräch mit muslimischen Verbänden und muslimischen Persönlichkeiten. Wenn jedoch ein christlich-jüdisch-muslimischer Trialog unseren bisherigen Dialog ersetzen sollte, dann halte ich dies nicht für sinnvoll. Denn der Dialog des Christentums mit seinem älteren Bruder ist unerlässlich.«
Auch einem interkulturellen Dialog anstatt eines interreligiösen Dialogs erteilte Schuster eine Absage: »Allein in unserer eigenen jüdischen Gemeinschaft haben wir einen Prozess hinter uns, damit aus Kultusgemeinden keine Kulturgemeinden wurden. Denn wir haben viele Menschen integriert, die nur noch einen kulturellen Bezug zum Judentum mitbrachten.«
Wenn er bereits im September im Supermarkt Adventskalender sehe oder schon kurz nach Dreikönig Schokoladen-Osterhasen, dann werde »allein an diesem profanen Beispiel ja deutlich, wie weit die Gesellschaft von Religion schon weg ist, und was übrig bleibt, wenn religiöse Feste nur noch als Folklore gesehen werden«, so Josef Schuster. ja