Künstliche Intelligenz

Respekt für den Urheber

Ohne Vorarbeit durch Menschen würden die Modelle der Künstlichen Intelligenz nie funktionieren Foto: Getty Images

Kelly McKernan, Sarah Andersen und Karla Ortiz haben im Januar 2023 die Firmen Midjourney, Stable Diffusion sowie Dream­Up verklagt. Alle drei sind Künstlerinnen und leben vom Verkauf ihrer Bilder. Die verklagten Firmen hingegen bieten Künstliche-Intelligenz-Generatoren für Bilder an. Man möchte ein Bild von Theodor Herzl im Stil von Kelly McKernan? Kein Problem – die Software generiert es sofort.

KI-Bildgeneratoren arbeiten ganz ähnlich wie KI-Sprachmodelle, die Benutzer­eingaben beantworten und dann Texte erstellen. Sie basieren ebenfalls auf dem Prinzip der Wahrscheinlichkeit. Taucht ein Muster oder eine Textkombination häufig in einem Kontext auf, gilt dies als wahrscheinliche Lösung.

software Ohne Vorarbeit durch Menschen würden die Modelle der Künstlichen Intelligenz jedoch nie funktionieren. Deshalb verschaffen sich die Unternehmen Zugriff auf das digitalisierte menschliche Wissen und lassen es durch ihre Software auswerten. Zwar sind Bilder und Texte sehr häufig urheberrechtlich geschützt, dennoch sind sie die Grundlage für Produkte, deren Gewinn an die entsprechenden Konzerne fällt. Die eigentlichen Content-Urheber sehen nichts davon.

Daraus ergeben sich gleich zwei Problemfelder, die im KI-Hype bis dato kaum Beachtung fanden. Denn normalerweise wird vor allem der Output wahrgenommen oder über mögliche ethische Folgen dessen diskutiert, was da produziert wird.

Auch rabbinische Autoritäten, vor allem in den Vereinigten Staaten, beschäftigen sich zunehmend mit den Fragen zur Nutzung von KI, aber nun auch vereinzelt damit, was das eigentlich für diejenigen bedeutet, auf deren Wissen zurückgegriffen wird.

Produkt Heißt es doch in den Pirkej Awot, den Sprüchen der Väter (6,6), dass derjenige Erlösung in die Welt bringe, der »ein jedes Wort im Namen seines Urhebers ausspricht«. Das genau erklärt auch die Überlieferungsketten im Talmud: »Rabbi X hat im Namen von Rabbi Y gehört, dass Rabbi Z gesagt hat …«

Das heutige Urheberrecht ist eine moderne Erfindung zum Schutz derer, die Mühe und Kosten in ein Produkt, auch ein geistiges, investiert haben. Bereits mit dem aufkommenden Buchdruck haben sich Rabbiner mit derartigen Fragen auseinandergesetzt. Drucker wandten sich an die Gelehrten ihrer Zeit und wollten ihre Investitionen schützen lassen. So fragte die Druckerei »Slavita« 1806 bei Rabbiner Levi Jitzchak von Berditschew um Erlaubnis für den Druck des »Rif« und erhielt so das Recht auf einen exklusiven Druck des Werks für einen Zeitraum von 20 Jahren.

Diese Erlaubnis wurde als »Haskama« in die Bücher eingefügt. Ein Druck des Schulchan Aruch von Yehuda Leib Balaban aus Lviv aus dem Jahr 1836 präsentiert dem Leser gleich drei Haskamot von bekannten Rabbinern ihrer Epoche mit einer »Laufzeit« von zehn Jahren.

Im Talmud heißt es oft: »Rabbi X hat im Namen von Rabbi Y gehört, dass Rabbi Z gesagt hat …«

Als Wolf Heidenheim, der in Rödelheim eine Druckerei betrieb, im Jahr 1800 einen überarbeiteten Machsor herausgab, veröffentlichte der nichtjüdische Verleger Anton von Schmid aus Wien eine preiswertere Ausgabe des Machsors und verwies sogar auf Heidenheim als denjenigen, der den Text überarbeitet hatte. Es kam zum Streit.

Der Oberrabbiner von Mähren, Rabbi Mordecai Benet, entschied 1807 für den Schutz von Heidenheims Werk. Von Schmid meldete daraufhin den Rabbiner bei den Behörden, dieser wurde verhaftet – und nach seiner Haft entschied der Rabbi das Gegenteil. Der Rabbiner von Pressburg, Rabbiner Mosche Sofer (der Chatam Sofer), griff den Fall auf und veröffentlichte dazu ein eigenes Gutachten (Choschen Mischpat 8 und 79). Er sah darin einen ungerechten Wettbewerb (Hassagat gewul) und unterstrich den Fakt, dass dieser vermieden werden sollte.

Rabbiner Seligman Bär Bamberger (1807–1878) veröffentlichte ein Werk von Rabbi Abraham Hirsch Eisenstadt, das den Titel »Pitchej Teschuwa« trug, obwohl die Rechte daran durch den Autor gesichert wurden.
Bamberger schützte sich vor einem Einschreiten des Druckers mit dem Argument, dass seine Version keineswegs unter ein Verbot der Reproduktion falle, schließlich habe er das Werk nicht wortgetreu nachgedruckt und zudem verbessert.

HALACHA Der amerikanische Chabad-Rabbiner Yehuda Shurpin aus St. Louis Park knüpft genau an dieses Argument an. Seine Frage in dem Zusammenhang lautet: Wie sieht es mit dem Urheberrecht und der Halacha aus?

Dabei kommt er zu folgendem Schluss: »Enthält das KI-generierte Werk erhebliche Änderungen, sodass es im Vergleich zum Original kaum wiederzuerkennen ist, könnte es nicht als dasselbe Produkt angesehen werden, und der Urheber hätte keinerlei Rechte daran. Daher wäre die Verwendung von KI-generierter Kunst unbedenklich, selbst wenn sie Elemente enthält, die von Werken bekannter Künstler inspiriert sind.«

Rabbiner Zalman Nechemia Goldberg (1931–2020) argumentiert in einem Fall, der die Weitergabe von Software betrifft, analog zu den älteren Regelungen des Chatam Sofer. Er war der Meinung, dass jemand, der ein Computerprogramm kopiert, von diesem profitiert und dem Hersteller des Programms einen Verlust zufügt, da die kopierte Version den Verkauf des Programms beeinträchtigt.

vorteil Das aber sei ein Vorteil auf Kosten eines anderen. Derjenige, der kopiert, müsse den Hersteller des Programms entschädigen (Techumin 6, 195–197). Wie bereits der Chatam Sofer argumentierte, steht der Schutz der Mühen der Urheber im Vordergrund.

Derzeit verhält es sich so, dass die meisten KI-Werkzeuge wie beispielsweise ChatGPT keinerlei Auskunft über die Quellen ihrer Informationen geben. Die Diskussionen dazu dürften gerade erst am Anfang stehen. Und der Rechtsstreit von Kelly McKernan ist noch lange nicht beendet.

Der Autor ist Blogger und lebt in Gelsenkirchen.

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