Schützen die Menschenrechte Religionen, oder schränken sie deren Freiheit ein? Fördern religiöse Gemeinschaften die Menschenrechte, oder betrachten sie diese eher als ein Hindernis bei der Ausübung ihrer Praxis? Fragen wie dieser gingen in der Katholischen Akademie in Berlin bei einer kirchenrechtlichen Tagung christliche, jüdische und muslimische Experten am Dienstag vergangener Woche näher auf den Grund. Schließlich ist das Thema nicht nur in der Politik ein Dauerbrenner.
»Die Kirchen zählten keinesfalls immer zu den Verteidigern und Förderern der Menschenrechtsideale«, brachte es Ludger Müller, Professor für Kirchenrecht an der Universität Wien, selbstkritisch auf den Punkt. Offensichtlich hapert es daran auch ein wenig in der Gegenwart, wie die Zusammensetzung des Podiums vermuten ließ. Die Tatsache, dass unter den sieben geladenen Referenten keine einzige Frau zu finden war, fiel unangenehm auf und blieb vom Publikum nicht lange unkommentiert.
In den lebhaften Diskussionen rückte auch schnell die Frage nach dem Verhältnis zwischen Staat und Religionsgemeinschaften in den Mittelpunkt, wobei das eigentliche Thema Menschenrechte aber gelegentlich ein wenig zu kurz kam.
Blasphemie Während Prälat Karl Jüsten, Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe, in diesem Kontext wenig überraschend für den Erhalt des sogenannten Blasphemieparagrafen eintrat, der die Religionen vor Beschimpfungen schützen soll, verwies Daniel Botmann, Geschäftsführer des Zentralrats der Juden, auf die Tatsache, dass dieses Gesetz dem grassierenden Antisemitismus, mit dem man täglich konfrontiert werde, keinen Riegel vorzuschieben vermag und im jüdischen Kontext wenig hilfreich ist: »Die uns täglich erreichenden Hass-Schreiben fallen durch sämtliche Raster der Straftatbestände.«
Genau deshalb stellten die Staatsanwaltschaften im Regelfall alle Verfahren ein. »Viel wichtiger als ein Blasphemieparagraf sind deshalb Gesetze, die eine Diskriminierung zum Inhalt haben. Vor allem dann, wenn allein die Religionszugehörigkeit dazu führt, dass man gehasst wird«, sagte Botmann.
Staat Lobende Worte dagegen fand er für das in Deutschland geltende Religionsverfassungsrecht, das seiner Auffassung zufolge nicht nur das Gleichgewicht zwischen Staat und Religionsgemeinschaften regelt, sondern ebenfalls dafür Sorge trägt, dass das herrscht, was gemeinhin als Religionsfrieden bezeichnet wird.
Zudem biete es zahlreiche interessante integrative Ansatzpunkte. »Auch die islamischen Gemeinden können auf diese Weise einen Status als Körperschaften des öffentlichen Rechts erreichen«, sagte Botmann. Das würde dem Islam helfen, in Deutschland seinen Platz zu finden. Genau deshalb sieht der Jurist im Religionsverfassungsrecht auch alles andere als ein Auslaufmodell. Vielmehr besitze es sogar das Potenzial, als Vorbild für andere europäische Staaten zu dienen.
Wie schwer sich mitunter Vertreter des organisierten Islams mit dem Thema Menschenrechte tun, bewies der Politologe und Islamwissenschaftler Mohammed Khallouk, der den Zentralrat der Muslime berät.
Zwar betonte er, dass Religion und Menschenrechte für ihn nicht automatisch im Widerspruch stehen: »Sie sind aber kontextgebunden und daher westlich definiert und nicht immer übertragbar.« Oftmals überforderten sie die Muslime – vor allem dann, wenn im Namen der Menschenrechte Kriege geführt werden oder wenn religiösen Überzeugungen mit dem Hinweis auf die Pressefreiheit nicht der nötige Respekt gezollt werde.
Mohammed-Karikaturen Auf diese Weise stellte Khallouk, der auch Associated Professor am College für Scharia- und Islamstudien der Universität von Katar ist, die Universalität der Menschenrechte infrage und vermittelte zudem den Eindruck, dass diese für ihn nur dann relevant sind, wenn sie den Islam vor Kritik schützen. Das wurde insbesondere bei seinen Einwänden gegen die vor rund zehn Jahren veröffentlichten Mohammed-Karikaturen deutlich.