Israel

Rabbis, ist das koscher?

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Israels neuer Religionsminister Matan Kahana hat eine Reform der Koscher-Zertifizierung angekündigt Das Kaschrut-System des Staates Israel müsse erheblich modernisiert werden, sagte Kahana, der der Partei HaJamin HeChadasch von Regierungschef Naftali Bennett angehört, am 20. Juli. »Die Bürger Israels verdienen ein besseres Kaschrut«, fügte er an. Das Oberrabbinat und ultraorthodoxe Knesset-Mitglieder reagierten empört. Wozu dient die geplante Reform, und warum ist sie so umstritten?

VERTRAUEN Vielleicht nicht zuletzt deshalb, weil es um etwas sehr Grundsätzliches geht. Der wichtigste Bestandteil einer Kaschrut-Zertifizierung ist, neben den »technischen« und logistischen Voraussetzungen im Restaurant- oder Imbissbetrieb, Vertrauen. Observante Kunden vertrauen dem Zertifikat, damit indirekt auch der ausstellenden Behörde und dem Restaurantbetreiber, dass er die Auflagen gewissenhaft befolgt, auch dann, wenn kein Kontrolleur anwesend ist.

Bisher unterlag die Kaschrut-Aufsicht dem charedisch dominierten Oberrabbinat.

In Israel ist, oder besser war, dieser Prozess hierarchisch geregelt. Die Kaschrut-Aufsicht unterlag dem orthodoxen Oberrabbinat des Staates Israel, und diese charedisch dominierte Einrichtung ließ die Aufsicht durch die lokalen Rabbinate durchführen. Faktisch sind diese Rabbinate also Behörden – mit allen Vor- und Nachteilen, die man mit Behörden verbindet. Ein Restaurant, das sich als »koscher« bezeichnen wollte, durfte dies ausschließlich dann tun, wenn es das Zertifikat des entsprechenden Rabbinats vorweisen konnte.

Dieses Zertifikat gibt es in einigen Städten des Landes sogar in unterschiedlicher Ausprägung, in Jerusalem etwa »Mehadrin«-Zertifizierungen in unterschiedlichen Stufen – verliehen durch das offizielle Rabbinat. Für Orte ohne diese Sonderstufen gilt das »reguläre« Zertifikat des Rabbinats.

KONTROLLEN Aber weil nicht allen Konsumenten diese Ausprägung ausreicht und nicht alle ihr vertrauen, auch aufgrund der Tatsache, dass nicht permanent kontrolliert wird, gibt es den Bedarf nach strengeren Kontrollen. Dem kommen die lokalen Rabbinate nicht nach, stattdessen aber »private«.

Das führt dazu, dass es zusätzlich zu den »Basis-Zertifikaten« mit dem Wort »koscher« auch solche gibt, die aussagen, der entsprechende Betrieb stehe »unter Aufsicht«, weil ja nur das lokale Rabbinat bestimmen darf, ob ein Betrieb koscher ist oder nicht.

Das bekannteste Zertifikat ist vermutlich das der »Badatz Edah Haredit« für die charedischen Gemeinden des Landes. Den Zusatzzertifizierungen ist gemein, dass sie eine höhere Überwachung garantieren und dementsprechend als vertrauenswürdiger wahrgenommen werden.

Doch allein die Tatsache, dass nur die »behördlichen« Rabbinate, die oft charedisch dominiert sind, über den Begriff »koscher« wachen durften, verursachte Widerstand. Denn wer hat die Deutungshoheit darüber, was koscher ist? Zudem bemängelten Kritiker immer wieder, dass Kaschrut-Aufseher direkt von den Betrieben bezahlt werden, die sie überwachen – in den Augen vieler ein Zustand, der Korruption begünstigt.

KLAGEN Israelische Bürger klagten verschiedene Male vor dem Obersten Gerichtshof des Landes, bis 2017 dann ein bahnbrechendes Urteil gefällt wurde: Betrieben sei es durchaus erlaubt, die Konsumenten selbst darüber zu informieren, dass das verarbeitete Fleisch oder der servierte Fisch koscher seien. Der Verbraucher könne selbst entscheiden, wie er mit dieser Information umzugehen habe. Weiterhin sei es aber nicht erlaubt zu behaupten, das Restaurant sei insgesamt koscher.

Kurze Zeit später kündigte die Organisation Tzohar an, sich dafür einzusetzen, die Kaschrut-Aufsicht in Israel öffnen zu wollen. Tzohar wurde 1995 gegründet und vereinigt modern-orthodoxe Rabbiner des religiösen Zionismus. Ziel des Verbandes ist es, auch Israelis für das Judentum zu gewinnen, die einem religiösen Leben eher fernstehen. Tzohar wolle transparente Regeln schaffen durch eine eigene Kaschrut-Beaufsichtigung, so die Organisation.

Viele modern-orthodoxe Rabbiner und die Organisation »Tzohar« unterstützen die Reform.

Doch das Thema kam erst nach Bildung der neuen Regierung in Israel wieder auf den Tisch. Die Initiative ergriff das Religionsministerium unter dem neuen Minister Matan Kahana, der erst seit dem 13. Juni im Amt ist. Er stellte nun einen Initiative vor, die eine Einbindung nichtstaatlicher Zertifizierer in das Gesamtsystem vorsieht, den Plänen von Tzohar sehr nahekommt und neue Spieler in das System einbindet.

AUFSICHT Die neuen Zertifizierer sollen dann noch immer »unter Aufsicht« Zertifikate ausstellen, aber sie werden von einem Rabbiner geleitet werden, der wiederum vom lokalen Rabbinat bestätigt wird. Der Standard soll nachvollzogen werden können und die neuen Einrichtungen in der Lage sein, wirtschaftlich zu arbeiten.

Mit weiteren Änderungen wie der Einrichtung eines Aufsichtsgremiums über die neuen Einrichtungen wird das Oberrabbinat zu einer Art Regulierungsbehörde für eine Vielzahl von Zertifizierern. Das Oberrabbinat soll in Zukunft also nicht in jedem Fall das letzte Wort haben. Möchte ein Betrieb zertifiziert werden, der die Vorgaben des Oberrabbinats nicht erfüllen kann und nach Ansicht anderer Rabbiner aber als koscher betrachtet werden sollte, gäbe es die Möglichkeit, ein Zertifikat zu erhalten, das von drei örtlichen Rabbinern genehmigt wird, die wiederum anerkannte Rabbiner sind.

Unter religiösen Zionisten gibt es auch Gegner der Initiative. Sie sorgen sich um Standards.

Das Oberrabbinat hält den Vorstoß, sein de facto-Monopol abzuschaffen, für eine »gefährliche Initiative, Kaschrut in Israel zu zerstören«. Tatsächlich aber ist sie auch Ausdruck eines steigenden Selbstbewusstseins der religiös-zionistischen Bewegung – deren Anhänger ihren Rabbinern in Sachen Kaschrut ebenfalls Vertrauen schenken und deren Zertifizierungen anerkennen. Die Behörden sollen dies in Zukunft auch abbilden. Ein Indikator dafür ist, dass auch ein weiteres kontroverses Feld aus der Hand des charedischen Judentums genommen werden soll: Minister Kahana hat eine Reform der Regelungen zu Konversionen angekündigt.

Unter religiösen Zionisten gibt es allerdings auch Gegner der Kaschrut-Reform. In einem Brief schrieben die Rabbiner Chaim Druckman, Dov Lior, Yaakov Ariel und Chaim Steiner, die Reformen richteten sich gegen das Oberrabbinat und würden daher von ihnen nicht unterstützt. Und der Oberrabbiner von Petach Tikwa, Rabbiner Micha Halevi, äußerte seine Besorgnis darüber, dass Betriebe, die wegen unzureichender Standards das Kaschrut-Zertifikat einer Behörde verlören, sich in Zukunft einfach an eine andere Behörde wenden könnten.

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