Herr Rabbiner, es ist Urlaubszeit. Immer mehr Juden besuchen auf ihren Reisen – zum Beispiel in Israel oder der Ukraine – Gräber von Zaddikim, jüdischen Weisen. Was sagen Sie zu diesem Phänomen?
Das ist eine Sache der Anschauung. In der aschkenasischen Welt ist die chassidische Tradition dafür, die litauische eher dagegen. Doch die Frage ist: Was macht man dort? Wenn man zu dem dort begrabenen Gelehrten betet, ist es schlecht. Wenn man das Grab besucht, um nur zu G’tt zu beten, dann ist es gut.
Das kann man auch an jedem anderen Ort. Doch gibt es an diesen Gräbern nicht eine besondere spirituelle Energie?
Man sagt, dass die Nähe zu diesen Gräbern als Möglichkeit dienen kann, die Verdienste dieses Zaddiks sozusagen als Leihgabe für sich selbst zu nutzen. Mit dieser Energie betet man dann an dieser Stelle zu Haschem.
Geht das, was an den Gräbern geschieht, nicht über die Verehrung für die Zaddikim hinaus?
Das ist das Problem. Wenn man einen Menschen an einem dieser Gräber beten sieht, weiß man nicht, ob er etwas Verbotenes tut. Betet er zu G’tt, ist das in Ordnung. Betet er zu dem, der in diesem Grab liegt, das ist eine der schlechtesten Sachen, die man überhaupt im Judentum tun kann.
Zum Beispiel in Tiberias gibt es am Grab des Rambam Schlüsselanhänger und Arak-Flaschen mit seinem Konterfei. Was ist zu diesen Souvenirs zu sagen?
Auch hier kommt es darauf an, was man damit macht. Wenn man diese Dinge missbraucht, kommt man gefährlich nahe an Awodat Zarah, den Götzendienst. Wenn wir jedoch zum Beispiel das Bild eines großen Rabbiners nehmen, um uns daran zu erinnern, gute Juden zu sein, dann ist es gut. Wenn wir uns davon inspirieren lassen, etwas von ihm zu lernen, seinen Weg zu gehen, dann ist es zu begrüßen. Aber wenn wir es missbrauchen, wenn wir diesen Rabbiner benutzen, als unseren Repräsentanten vor G’tt, dann ist es schlecht.
Wie steht es mit den roten Armbändchen, mit denen so viele Israel-Touristen wieder nach Hause kommen?
Das ist kein großes Problem. Man betet nicht zu diesem Band, es ist auch kein Bild. Wenn man fühlt, dass man durch dieses Bändchen eine besondere Kraft erhält, ist nichts dagegen zu sagen.
Mit dem Rabbiner der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg sprach Detlef David Kauschke.