Mizwot

Quartett mit Damen

Monogamie: Heute könnte Jakow nur eine von ihnen heiraten. Foto: Thinkstock

Jakow verlässt sein Haus in Beer Sheva und macht sich auf nach Charan. Auf dem Weg dorthin lässt er sich an einem Ort zum Übernachten nieder und träumt von einer Leiter, die das Land und den Himmel verbindet, und auf der Engel hinauf- und hinabsteigen. In diesem Traum erscheint ihm G’tt und verspricht ihm, dass seine Nachkommen dieses Land bekommen werden.

In Charan lässt sich Jakow bei seinem Onkel Lawan nieder und arbeitet für ihn als Hirte. Lawan verspricht ihm seine Tochter Rachel, wenn er sieben Jahre bei ihm arbeitet. Nach Ablauf der Frist wird Jakow jedoch von Lawan betrogen, und statt Rachel heiratet er Lawans andere Tochter Lea. Er bemerkt den Betrug erst am Morgen. Nach einer Woche heiratet Jakow schließlich auch Rachel – aber er muss zustimmen, weitere sieben Jahre für Lawan zu arbeiten.

Unfruchtbar Lea gebärt sieben Kinder: die Söhne Reuven, Schimon, Levi, Jehuda, Jissachar, Sevulun und die Tochter Dina. Rachel jedoch bleibt unfruchtbar und beschließt deshalb, ihre Dienerin Bilha mit Jakow zusammenzuführen. Aus dieser Verbindung entstehen Dan und Naftali. Lea macht dasselbe mit ihrer Dienerin Zilpa, dadurch werden Gad und Ascher geboren. Nach diesen Ereignissen wird Rachels Gebet erhört und sie bekommt einen Sohn: Josef.

Nachdem zwei mal sieben Jahre vergangen sind, äußert Jakow den Wunsch, nach Hause zurückzukehren, doch Lawan verspricht ihm einen Teil des Zuwachses der Herde sowie einen Lohn und überredet ihn zu bleiben. Obwohl Lawan mehrmals versucht hat, Jakow zu betrügen, wird Jakow sehr reich. Nach sechs Jahren gelingt es ihm, Lawan unbemerkt zu verlassen, doch Lawan verfolgt ihn und holt ihn ein. Davor erscheint G’tt jedoch Lawan im Traum und warnt ihn davor, Jakow Schaden zuzufügen. Lawan und Jakow schließen einen Pakt auf dem Hügel Gal-Ed, und Jakow macht sich auf den Weg ins Heilige Land, wo er von Engeln empfangen wird.

Prophezeiung Der Wochenabschnitt erzählt also von den vier Frauen Jakows: Lea, Rachel, Bilha und Zilpa. Raschi (1040–1105) kommentiert, dass alle vier Frauen Töchter von Lawan waren. Hier tut sich ein Widerspruch auf: Die Tora verbietet es, mit mehreren Schwestern gleichzeitig verheiratet zu sein. Und obwohl die Tora erst später übergeben wird, kannten nach traditioneller Meinung Awraham, Jizchak und Jakow die Gebote dank der Gabe der Prophezeiung bereits vor der Übergabe und befolgten sie.

Interessanterweise scheint Raschi auf dieses Problem nicht einzugehen. Eine wichtige Regel in Raschis Kommentaren besteht darin, dass er immer versucht, auftretende Schwierigkeiten mit einer möglichst einfachen Lösung zu erklären. Falls das nicht möglich ist, schreibt er etwas wie: »Ich weiß nicht, wie dies zu lösen ist«. Treten Schwierigkeiten auf, auf die Raschi gar nicht erst eingeht, heißt das meist, die Antwort ist derart einfach, dass sie sogar von einem fünfjährigen Kind (in dem Alter fangen jüdische Kinder an, Tora zu lernen) verstanden wird.

schwierigkeit
Ausgehend von dieser Tatsache verwundert es, dass wir in diesem Wochenabschnitt auf eine Passage stoßen, die mehrere andere Kommentatoren versucht haben zu erklären, aber Raschi scheint sie als Schwierigkeit nicht zu bemerken.

Wir könnten nun versuchen zu erklären, dass Raschi auf dieses Problem nicht eingeht, weil ein fünfjähriges Kind beim ersten Lesen der Tora ja noch nichts von dem Verbot, mehrere Schwestern zu heiraten, weiß, denn dieses Verbot taucht im Text der Tora erst später auf, und somit ergeben sich vorerst keine Schwierigkeiten. Wäre dies die Antwort, so müsste Raschi aber später im Text, spätestens beim Auftauchen der gegebenen Gesetze, auf dieses Problem eingehen. Doch dies passiert nicht.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, der Erklärung des Ramban (1194–1270) Aufmerksamkeit zu schenken. Er teilt uns mit, dass die Vorväter alle 613 Gebote nur im Land Israel befolgten. Jakow jedoch heiratete, als er sich in Charan befand. Diese Erklärung hilft uns schon mehr, doch leider nicht, um Raschi zu erklären, da in einer anderen Textpassage festgehalten ist, dass Jakow, ebenfalls als er sich bei Lawan befand, also in Charan, alle 613 Gebote befolgte.

Freiwillig Die endgültige Antwort besteht wohl in der Art und Weise, wie unsere Vorväter Awraham, Jizchak und Jakow die Tora befolgten: Das Einhalten der 613 Gebote war vor der Übergabe der Tora nämlich ausschließlich freiwillig und wurde von unseren Vorvätern aus freien Stücken auf sich genommen. Aus diesem Grund hat, sollte nun ein Widerspruch zwischen einem direkten Gebot von G’tt und etwas freiwillig Aufgenommenem auftreten, das direkte Gebot selbstverständlich Vorrang.

Außer den bekannten sieben Geboten Noachs, die für alle Völker gelten, gab es nämlich auch andere Einschränkungen, welche die Nachkommen Noachs auf sich nahmen. So erklärt Raschi, dass die Völker freiwillig jegliche Art von Unzucht mieden. Dies wurde getan in Erinnerung an die große Flut, welche die Bestrafung für genau diese Sünde war. Nahmen die Völker etwas gemeinsam auf sich, so erhielt dies in gewissem Maße den Status eines Gebots. Sollte nun wiederum ein Widerspruch zwischen solch einem »Gebot der Völker« und etwas freiwillig auf sich Genommenem unserer Vorväter auftreten, so hatte das Erste Vorrang.

Eine weitere Angelegenheit, die die Völker auf sich nahmen, war, die Mitmenschen nicht zu belügen. Außer der Liebe zu Rachel war einer von Jakows Beweggründen ein Versprechen, das er Rachel gegeben hatte: Er versprach ihr, sie zu heiraten. Hätte er sie nicht geheiratet, so hätte er im Nachhinein gelogen, und das wiederum wäre eine viel schwerere Sünde gewesen im Vergleich zu dem Gebot, keine Schwestern zu heiraten, das Jakow freiwillig befolgte.

Inzwischen hat die Übergabe der Tora bereits stattgefunden. Wir haben heute unsere 613 Gebote, die Pflicht und Teil unseres Lebens sind. Ihre Einhaltung führt zu einer endlosen Belohnung und die Missachtung zur Bestrafung. Sollte ein Mensch sich jedoch aus gutem Willen entscheiden, mehr auf sich zu nehmen, als G’tt von ihm verlangt, sollte er zuerst sicherstellen, dass dies keinesfalls seinen Mitmenschen schadet.

Der Autor studiert an der Yeshivas Beis Zion in Berlin.

Inhalt
Der Wochenabschnitt Wajeze erzählt von einem Traum Jakows. Darin sieht er eine Leiter, auf der Engel hinauf- und hinuntersteigen. In diesem Traum segnet der Ewige Jakow. Nachdem er erwacht ist, nennt Jakow den Ort Beit-El. Um Rachel zu heiraten, muss er sieben Jahre für ihren Vater Lawan arbeiten. Doch der führt Jakow hinters Licht und gibt ihm Rachels Schwester Lea zur Frau. So muss Jakow weitere sieben Jahre arbeiten, bis er endlich Rachel bekommt und als reicher Mann seinen Schwiegervater Lawan verlässt.
1. Buch Mose 28,10 – 32,2

Wajischlach

Wahre Brüder, wahre Feinde?

Die Begegnung zwischen Jakow und Esaw war harmonisch und belastet zugleich

von Yonatan Amrani  13.12.2024

Talmudisches

Licht

Was unsere Weisen über Sonne, Mond und die Tora lehren

von Chajm Guski  13.12.2024

Hildesheimer Vortrag

Das Beste im Menschen sehen

Der Direktor der Yeshiva University, Rabbiner Ari Berman, zeigt einen Ausweg aus dem Frontendenken unserer Zeit

von Mascha Malburg  13.12.2024

Debatte

Rabbiner für Liberalisierung von Abtreibungsregelungen

Das liberale Judentum blickt anders auf das ungeborene Leben als etwa die katholische Kirche: Im jüdischen Religionsgesetz gelte der Fötus bis zur Geburt nicht als eigenständige Person, erklären liberale Rabbiner

von Leticia Witte  11.12.2024

Vatikan

Papst Franziskus betet an Krippe mit Palästinensertuch

Die Krippe wurde von der PLO organisiert

 09.12.2024

Frankfurt

30 Jahre Egalitärer Minjan: Das Modell hat sich bewährt

Die liberale Synagogengemeinschaft lud zu einem Festakt ins Gemeindezentrum

von Eugen El  09.12.2024

Wajeze

»Hüte dich, darüber zu sprechen«

Die Tora lehrt, dass man ein Gericht anerkennen muss und nach dem Urteil nicht diskutieren sollte

von Chajm Guski  06.12.2024

Talmudisches

Die Tora als Elixier

Birgt die Tora Fallen, damit sich erweisen kann, wer zur wahren Interpretation würdig ist?

von Vyacheslav Dobrovych  06.12.2024

Hildesheimer Vortrag 2024

Für gemeinsame Werte einstehen

Der Präsident der Yeshiva University, Ari Berman, betonte die gemeinsamen Werte der jüdischen und nichtjüdischen Gemeinschaft

von Detlef David Kauschke  05.12.2024