Purim ist zum jüdischen Faschingsfest geworden, einem Tag des Feierns, des Trinkens und der Maskerade. Eine seltsame Äußerung im Talmud (Megilla 7b) ordnet an, uns an Purim zu berauschen, »bis wir den Unterschied zwischen dem bösen Haman und dem gesegneten Mordechai nicht mehr merken«. Aber Purim ist viel mehr als das.
Purim ist der Feiertag im Verborgenen. Man muss schon unter die Oberfläche blicken, um die darunterliegende spirituelle Dimension zu entdecken. Tatsächlich sollen die Verkleidungen und Masken die wesentliche Verborgenheit dieses Tages unterstreichen.
Esther Dieses Thema der Verborgenheit findet sich bereits bei Esther, der Heldin der Purimgeschichte. Niemand außer Mordechai weiß, wer sie wirklich ist. Selbst König Achaschwerosch wird im Dunkeln gelassen. In der Megilla (2,20) lesen wir: »Esther hat ihre Herkunft nicht preisgegeben …« – das ist das Motto des Tages: Nichts wird enthüllt! Sogar G’tt selbst scheint in der Purimgeschichte verborgen. Auch wenn wir die Megilla von Anfang bis zum Ende durchsuchen, werden wir eine Erwähnung Seines Namens nicht finden können. Ist das nicht seltsam für ein biblisches Buch? Einem Hinweis auf G’tt kommen wir am Nächsten, wenn Mordechai zu Esther sagt, dass die Erlösung für die Juden von »einem anderen Ort« kommen wird.
Um die Verborgenheit G’ttes zu unterstreichen, scheint die gesamte Geschichte von Zufall, Zufälligkeit und Fügung geprägt zu sein. In der Megilla ist die Rolle G’ttes unsichtbar, seine Hand unsichtbar.
Königin Waschti weigert sich zufällig, zum königlichen Festmahl zu erscheinen; der König entledigt sich zufällig ihrer und sucht eine neue Königin; Mordechai ist zufällig im richtigen Moment am richtigen Ort, um ein Komplott gegen das Leben des Königs zu vereiteln; der König hat zufällig eine schlaflose Nacht, und seine Höflinge erinnern ihn daran, dass Mordechai ihm das Leben gerettet hat; Haman ist zufällig in den Gemächern der Königin, als der König hereinkommt. Auch das Datum, an dem die Juden ausgerottet werden sollen, wird durch das Los bestimmt (Esther 3,7).
Wunder Sogar das Wunder von Purim ist ein verstecktes Wunder. An Chanukka brennt das Öl, das für einen Tag gereicht hätte, acht Tage lang. Ein offenes Wunder, das jeder sehen kann. Aber das Purim-Wunder – bei dem die gesamte jüdische Gemeinschaft vor der Zerstörung bewahrt wird – ist ein verborgenes Wunder. Die helfende Hand G’ttes ist unsichtbar. Man könnte es leicht dem Zufall zuschreiben, so wie alles andere in der Geschichte zufällig zu sein scheint.
Allmählich beginnen wir, die Rolle der Masken in der Purimgeschichte zu verstehen. Die gesamte Befreiung des jüdischen Volkes ist eine Geschichte in einer Verkleidung, versteckt hinter einer Maske.
Und tatsächlich sind die am weitesten verbreiteten Purim-Traditionen das Verkleiden und die Maskierungen. Man begann damit im 13. Jahrhundert in Italien, zur Zeit der Frührenaissance. Purim wird ungefähr zur gleichen Zeit gefeiert wie der Karneval in Venedig, dessen Anfänge vermutlich im 12. Jahrhundert liegen. Von Italien aus breitete sich der Brauch des Verkleidens innerhalb von zwei bis drei Jahrhunderten in die ganze jüdische Welt aus.
essen Purim ist das »körperlichste« all unserer Feste. Das feierliche Purim-Essen, das Verschicken von Essensgeschenken, die Ermutigung zum Trinken – das sind Dinge, die mit dem Körper zu tun haben. An Jom Kippur ist es uns verboten, zu essen und zu trinken – an Purim ist es uns geboten, zu essen und zu trinken. Jom Kippur ist in erster Linie spirituell – Purim ist in erster Linie physisch. Aber an beiden Tagen dienen wir dem Herrn voll und ganz, mit unserem Körper und mit unserer Seele.
Die Lektion ist klar: G’tt kann nicht nur in der Feierlichkeit von Jom Kippur gedient werden, sondern auch in der Fröhlichkeit von Purim. Purim ist das Fest im Verborgenen. Aber seine Botschaft soll nicht vor uns verborgen werden.