Meinung

Polens Oberrabbiner: In der Ukraine geht es um Vernichtung

Polens Oberrabbiner Michael Schudrich hat mit Blick auf den Ukrainekrieg von »Vernichtung« gesprochen. »Ich sage offen: Das ist eine Aggression, die durch nichts zu rechtfertigen ist. Es geht ja nicht einfach um Krieg und Gewalt, es geht um Vernichtung, um Verbrechen. Sie zeigen die Immoralität Putins«, sagte Schudrich im Interview der Deutschen Welle (Dienstag) während der bis Mittwoch andauernden Generalversammlung der orthodox geprägten Konferenz Europäischer Rabbiner (CER) in München. Das sagten nicht alle Rabbiner laut. Aber in dieser Frage gebe es »gewiss keine Meinungsverschiedenheit, keine Fraktionen zwischen uns«.

Schudrich sagte: »Das ist ja letztlich kein Krieg - im Krieg richten sich Angriffe gegen militärische Einrichtungen.« Er vergleiche das Vorgehen Russlands mit dem Vorgehen der islamistisch-terroristischen Palästinenserorganisation Hamas in Nahost.

Die Hamas sage bei Anschlägen, sie töte Soldaten, sie sei im Krieg. »Aber sie ermorden sehr bewusst Kinder, Frauen, Zivilisten. All das ist kein Krieg, sondern das sind Massaker, das ist nur unmoralisch. Aber letztlich zerstört die Hamas ihre eigene Gesellschaft, die palästinensische Gesellschaft. Die Israelis werden überleben.«

Die CER hatte Schudrich Anfang März zum Koordinator der Rettungs- und Hilfsmaßnahmen für Flüchtlinge aus der Ukraine ernannt. Er betonte in dem Interview, dass es zwar um Hilfe für jüdische Flüchtlinge gehe, man sich aber genauso für nichtjüdische verantwortlich fühle. »Jetzt ist nicht die Zeit, da zu unterscheiden.« Teilweise hätten Menschen kaum mehr bei sich als das, was in eine Tasche passe.

»Sie brauchen ein Quartier und ein Bett, Kleidung und Medikamente, Lebensmittel, man muss sich um psychischen und rechtlichen Beistand kümmern, die Kinder sollten irgendwie unterrichtet werden. Vielleicht brauchen Menschen einen Job«, unterstrich der Oberrabbiner.

Viele Menschen in Polen beteiligten sich an der Hilfe. Geholfen werde auch Menschen direkt in der Ukraine: »Nicht wir seitens der polnischen jüdischen Gemeinschaft, aber es gibt eine jüdische Hilfsorganisation, die 30.000 Menschen mit Essen versorgt, Tag für Tag.«

Auf die Frage, ob alle jüdischen Gemeinschaften in Europa in der Hilfe engagiert seien, antwortete Schudrich: »Nicht alle, aber viele, sehr viele. Und klar ist: Wir sind da alle beieinander. Alle wollen, dass den Flüchtlingen geholfen wird. Flüchtlingshilfe ist Flüchtlingshilfe, das ist kein politisches Statement.«

Schudrich erinnerte an geglückte Fluchten von Schoa-Überlebenden. Allerdings sei davon auszugehen, dass noch immer welche in der Ukraine seien. »Nicht jeder wollte seine Wohnung, sein Häuschen verlassen. Und nicht alle sind transportfähig.« kna/ja

Lesen Sie mehr zu der Europäischen Rabbinerkonferenz in der kommenden Printausgabe der Jüdischen Allgemeinen.

Halacha

Kann ein Jude die Beerdigung des Papstes besuchen?

Papst Franziskus wird diesen Samstag, an Schabbat, beerdigt. Observante Juden könnte das vor komplizierte Fragen stellen

von Vyacheslav Dobrovych  25.04.2025

Schemini

Offene Türen

Die Tora lehrt, auch Fremde freundlich zu empfangen

von Rabbiner Bryan Weisz  25.04.2025

Nachruf

Förderer des katholisch-jüdischen Dialogs, aber auch harter Kritiker Israels

Papst Franziskus im Alter von 88 Jahren gestorben. Sein langjähriger Gesprächspartner, Rabbiner Jehoschua Ahrens, nimmt Abschied

von Rabbiner Jehoschua Ahrens  28.04.2025 Aktualisiert

Chol Hamoed

Nur Mosche kannte die Freiheit

Warum das Volk Israel beim Auszug aus Ägypten ängstlich war

von Rabbinerin Yael Deusel  17.04.2025

Geschichte

Waren wir wirklich in Ägypten?

Lange stritten Historiker darüber, ob die Erzählung vom Exodus wahr sein könnte. Dann kamen die Archäologen

von Rabbiner Igor Mendel Itkin  17.04.2025

Berlin

Berlin: Gericht bestätigt fristlose Kündigung von Rabbiner

Das Berliner Arbeitsgericht hat die fristlose Kündigung eines Rabbiners wegen sexueller Belästigung eines weiblichen Gemeindemitglieds bestätigt

 16.04.2025

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025

Feiertage

Pessach ist das jüdische Fest der Freiheit - und der Frauen

Die Rolle und Verdienste von Frauen würdigen - dafür ist Pessach eine gute Gelegenheit, sagen Rabbinerinnen. Warum sie das meinen und welchen Ausdruck diese Perspektive findet

von Leticia Witte  11.04.2025

Exodus

Alle, die mit uns kamen …

Mit den Israeliten zogen noch andere »Fremde« aus Ägypten. Was wissen wir über sie?

von Sophie Bigot Goldblum  11.04.2025