Talmudisches

Parfum

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»Parfum ist wie die Liebe. Ein bisschen ist nie genug.« Dieses Zitat stammt von der amerikanisch-jüdischen Kosmetik-Unternehmerin Estée Lauder, die mit Schönheitsprodukten ein Vermögen machte.

Auch das wohl berühmteste Parfum der Welt, Chanel No. 5 aus der Parfümerie Chanel, hat eine jüdische Geschichte. Denn Produktion und Marketing wurden von den Brüdern Wertheimer gemanagt. Während der deutschen Besatzung Frankreichs hatte die Modedesignerin Coco Chanel versucht, das Unternehmen an sich zu reißen, doch nach dem Krieg konnten sich die Wertheimers und Chanel zu einer Verständigung zusammenraufen.

Marilyn Monroe verhalf dem Parfum zu noch größerer Berühmtheit

Und als die später zum Judentum konvertierte Marilyn Monroe 1952 auf die Frage: »Was tragen Sie im Bett?« antwortete: »Chanel No. 5«, verhalf sie dem Parfum zu noch größerer Berühmtheit.

Der Handel mit dem guten Geruch hat eine jüdische Tradition, die weit vor dem 20. Jahrhundert begann. Im Talmud-Traktat Bava Metzia (114b) wird folgende Geschichte erzählt: Der Prophet Elija wunderte sich darüber, dass Rabbi Bar Avuh sich nicht mit einem bestimmten Traktat in der Mischna auskannte. Der Rabbi antwortete dem Propheten, dass er bestimmte Wissenslücken habe, da er aufgrund der ständigen Arbeit keine Zeit fürs Studium finde.

Der Prophet Elija versetzte Rabbi Bar Avuh daraufhin in den Garten Eden. Der Rabbi sammelte dort einige Blätter auf. Als er am Ausgang des Paradieses stand, ertönte eine Stimme und verkündete: »Wer gleicht Rabbi Bar Avuh? Der seinen Lohn im Jenseits für das Diesseits eintauscht.« Der Rabbi brachte die Blätter wieder zurück ins Paradies.

Zu Hause angekommen, merkte er, dass seine Kleidung den Geruch des Paradieses absorbiert hatte, und er konnte seine Jacke für ein Vermögen verkaufen. Weil der fromme Rabbi allerdings nicht von seinem jenseitigen Lohn im Diesseits profitieren wollte, übergab er den Erlös für die Jacke an seine Schwiegersöhne und ging weiter seiner Arbeit nach. Wie ist diese Geschichte zu verstehen? Kann ein Stück vom Paradies, eines spirituellen und ewigen Ortes, in Geld umgerechnet werden?

Um eine Antwort darauf zu geben, möchte ich den Kommentar des Gaons von Wilna (1720–1797) zu einer anderen Stelle im Talmud zitieren. So wird im Traktat Nidda (30b) gelehrt, dass ein Kind im Bauch der Mutter die gesamte Tora von einem Engel lernt und dann, einen Moment vor der Geburt, alles vergisst – allerdings nur deshalb, um dieses Wissen im Laufe des Lebens wieder neu zu erwerben. Hinter dieser Vorstellung steckt die Idee, dass wir uns von dem angezogen fühlen, was ursprünglich ein Teil von uns war. Und auch, wenn das Erlernte vergessen wird, so bekommen wir durch das Lernen mit dem Engel die Kraft, um zu unseren ganz persönlichen Einblicken in die Tora geführt zu werden.

Der Gaon von Wilna fragt ferner, warum wir in diesem Fall nicht vor einer schwangeren Frau aufstehen müssen, wenn diese den Raum betritt – schließlich besagt das jüdische Gesetz, dass man aufzustehen hat, wenn ein Gelehrter den Raum betritt. Wenn also das Baby im Bauch der Mutter bereits ein Gelehrter ist, wieso verpflichtet uns das Gesetz dann nicht, vor einer Schwangeren aufzustehen?

»Wir stehen nicht vor dem Wissen des Gelehrten auf, sondern vor den Mühen, die dieser auf sich genommen hat«

Der Wilnaer Gaon antwortet auf diese Frage: »Wir stehen nicht vor dem Wissen des Gelehrten auf, sondern vor den Mühen, die dieser auf sich genommen hat, um ein Gelehrter zu werden! Das Paradies ist kein physischer Ort, sondern das Resultat unserer Arbeit für das Gute im Diesseits.«

Wenn also jemand sein Geld durch harte Arbeit verdient und parallel dazu versucht, Tora zu lernen, so ist der Lohn größer als bei einer Person, die keiner Arbeit mehr nachkommen musste.

Vielleicht kann die Geschichte auf einer Metaebene wie folgt verstanden werden: Der Rabbi hatte die Wahl zwischen härterer Arbeit im Diesseits und größerem Lohn im Jenseits oder weniger Arbeit im Diesseits und einem geringeren Lohn im Jenseits. Er sollte sich für Ersteres entscheiden.

Pekudej

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