Talmudisches

Nachts, wenn alles schläft

Schon Rav Chisda sagte: »Ein ungedeuteter Traum ist wie ein ungelesener Brief.« Foto: Getty Images/iStockphoto

Rabbi Jehuda sagte im Namen Ravs, man müsse um drei Dinge beten, dass sie einem der Ewige in Seiner Barmherzigkeit zuteilwerden lasse: um einen guten König, ein gutes Jahr und einen guten Traum. Nun, wer will nicht gern angenehm träumen? Aber Vorsicht, sagt Rav Huna und erklärt: Ein guter Mensch wird niemals einen guten Traum sehen, ein schlechter Mensch keinen bösen Traum.

Wieso das? Der gute Mensch werde für seine wenigen Verfehlungen mit schlimmen Träumen bestraft, damit er sich bessere. Und dem bösen Menschen werden seine wenigen Wohltaten mit schönen Träumen abgegolten.

Gute Träume sind also nicht unbedingt ein Grund zur Freude, sie können auch eine ernste Warnung sein. Und wenn einer gar nicht träumt, dann ist er noch schlechter dran, denn sieben traumlose Nächte weisen ihn als einen Übeltäter aus, noch dazu als einen, der noch nicht einmal an eine Umkehr gemahnt wird.

Kann denn einer wirklich gar nicht träumen? Vielleicht ist es ja nur so, dass er mit seinem Traum nichts anfangen kann; er weiß ihn nicht zu deuten.

Dazu sagt Rav Chisda: »Ein ungedeuteter Traum ist wie ein ungelesener Brief.« Chisda meint, dass alle Träume etwas zu bedeuten haben, außer man wäre zuvor hungrig zu Bett gegangen. Für alles, was man während des Fastens träumt, sieht er gewisse Einschränkungen. Das mag allerdings auch für das Gegenteil gelten, das Schlafengehen mit einem übervollen Magen.

Botschaft Auch wenn die Gelehrten des Talmuds weniger schöne Träume vorziehen, ist ih­nen doch bekannt, dass sich weder ein guter noch ein böser Traum je vollständig erfüllt. Und sie wissen auch, dass sich neben der eigentlichen Botschaft eines Traumes regelmäßig etlicher Unsinn darin findet: Rabbi Schimon bar Jochai sagt, so wie das Korn nicht ohne Stroh wächst, so gebe es auch keinen Traum ohne unnütze Elemente.

Zudem wussten unsere Weisen von der psychologischen Wirkung eines Traumes. Es kann einen durchaus verstören, wenn man schlecht geträumt hat. In einem solchen Fall raten sie dazu, drei Leute um Rat zu fragen, die einem einerseits helfen sollen, den Traum zu verstehen, und andererseits durch Segenssprüche und Zitate aus dem Tanach dazu beitragen, den schlechten Nachgeschmack zu etwas Gutem, Positivem umzuwandeln.

Selbst wenn einer sich nicht mehr genau erinnern kann, was er geträumt hat, und nur noch den negativen Eindruck zurückbehalten hat, könne ihm geholfen werden, wenn er ein entsprechendes Gebet während des Birkat Hakohanim, des Priestersegens, an den Ewigen richte. Wurden einst doch selbst die Flüche des Bile’am durch das Einwirken des Ewigen in Segen verwandelt!

Traumdeuter Der Rat, nicht nur einen einzigen Menschen wegen eines Traumes zu konsultieren, ist durchaus sinnvoll, wie die Geschichte des Traumdeuters Bar Hadaja zeigt, der anderer Leute Träume umso negativer auslegte, je weniger ihm diese dafür zahlten. Er verursachte auf diese Weise viel Leid, obwohl ihm bewusst war, dass sich die Bedeutung eines Traums für den Betroffenen nach seiner Auslegung richtet.

Schmuel dagegen half sich selbst, wie die Gemara überliefert. Wenn er schlecht geträumt hatte, berief er sich auf Secharja 10,2: »Träume reden Falsches.« Nach einem guten Traum dagegen sagte er sich: Können denn Träume lügen? Sagt nicht der Ewige: »Im Traum werde Ich zu ihm sprechen« (4. Buch Mose 12,6)?
Tatsächlich kann durch einen Traum Lebenswichtiges mitgeteilt werden, wie die Träume des Pharaos zeigen, die von Josef richtig gedeutet wurden.

Und Josefs eigene Jugendträume? Auch sie wurden wahr, wenn auch erst nach 22 Jahren. Und wir sehen an ihnen, dass ein guter Traum nicht immer Unheil bedeuten muss, auch wenn er meist nicht so in Erfüllung geht, wie wir es uns zunächst dachten. Die Entschlüsselung der Botschaft eines Traumes mag dem Menschen obliegen, seine Umsetzung in die Realität aber ist und bleibt die Sache des Ewigen.

Ki Tissa

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