2021 steht das große jüdische Festjahr an. Dann wird bundesweit an 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland erinnert. Köln wird dabei ein Schwerpunkt sein, denn Anlass ist die Erwähnung der Kölner jüdischen Gemeinde in einem Edikt des römischen Kaisers Konstantin von 321. Sie gilt als ältester Beleg jüdischen Lebens in Europa nördlich der Alpen. Ein Verein ist für das Festjahr zuständig; die Vorbereitungen laufen.
Der Kölner Greven Verlag hat zu den Feierlichkeiten ein besonderes Buch herausgebracht: einen schmuckvollen Nachdruck der Hagadah von Isaac Offenbach, Vater des Musikers und Komponisten Jacques Offenbach (1819–1880), dessen 200. Geburtstag im vergangenen Jahr gefeiert wurde und aus dessen Feder unter anderem der Cancan stammt. »Relativ viele Menschen kennen den Sohn, aber weniger den Vater«, sagt Melanie Brockes vom Verlag. In diesem Jahr wird der 170. Todestag des Vaters begangen.
RHEINLAND Die 1838 erschienene Pessach-Haggada von Isaac Offenbach (1779–1850) bezeichnet der Verlag als eine der wertvollsten Quellen zum jüdischen Leben im Rheinland des 19. Jahrhunderts – die zudem Einblick in eine unbekannte Seite der berühmten Musikerfamilie gebe. Das Doppelbuch ist aufklappbar: Links enthalten rund 30 Seiten Erläuterungen zum Werk, zu Pessach, zu Offenbach und seiner Zeit. Rechts befindet sich der Nachdruck inklusive Flecken und Schatten.
Offenbach scheute in seiner Vorrede keine Kritik.
Isaac Offenbach war 30 Jahre lang Kantor der Kölner Synagoge. »Das aus Offenbach stammende Multitalent prägte nicht nur das musikalische, sondern auch das jüdische Leben am Rhein im 19. Jahrhundert – als vielseitiger Künstler, streitbarer Reformer und als geistreicher Autor«, erklärt der Verlag.
Der reformorientierte Offenbach übertrug in seiner zweisprachigen Hagadah Texte und Lieder ins Deutsche und machte sie so Menschen zugänglich, die dem Hebräischen nicht mächtig sind. Der Band enthält neue Melodien und eine »Erklärung fremder Ausdrücke«, wie es auf dem Titelblatt heißt. Dort sind biblische Szenen und Symbole zu sehen sowie Moses, Aaron, David und Salomon. Das Titelblatt stammt von David Levy Elkan, einem Kölner Maler aus dem 19. Jahrhundert.
ÄGYPTEN In der Vorrede schreibt Offenbach unter anderem, dass die Herausgabe der »Hagadah, oder die Erzählung von Israels Auszug aus Egypten« – so der Originaltitel – ein »ehrenwerthes Mitglied« der Kölner jüdischen Gemeinde übernommen und »deren Reinertrag zu wohlthätigen Zwecken bestimmt« habe. Er wolle mit der Erstellung des neuen Bandes dem Wunsch von Freunden entsprechen.
Und Offenbach scheut in seiner Vorrede keine Kritik: Das Gebet und andere religiöse Bräuche seien »ein todter Formalismus« geworden. Seine Schlussfolgerung: »Darum müssen wir rüstig arbeiten, nicht die Religion, sondern das Gewand derselben zu reformieren. Denn jene wird ewig ein Bedürfniß unsres Herzens, ein theures Vermächtniß unsrer Väter bleiben.«
TRADITION Die Erläuterungen zu Offenbach, seiner Hagadah und jüdischer Tradition stammt von der Judaistin Christiane Twiehaus. Die Herausgeber Thomas Otten und Jürgen Wilhelm würdigen das Engagement Offenbachs, das seinerzeit nicht unumstritten gewesen sei.
Die Hagadah habe Offenbach als »sein bedeutendstes Werk zur Reformierung des Gottesdienstes« angesehen. Die Herausgeber betonen, dass seine konstruktiven Vorschläge für Neuerungen keine Abkehr vom Judentum gewesen seien – sondern dadurch motiviert, dass tradierte Rituale zeitgemäß angepasst werden sollten.