»Überraschung!«, jodelt mein Mann und wedelt mit einem goldgeprägten Umschlag vor meinem Gesicht herum. »Die Einladung zur großen Plutschnik-Barmizwa war heute in der Post! Freust du dich?«, schmettert er, stürzt schnell noch einen doppelten Kaffee hinunter und ist weg, ab ins Büro.
Schlaftrunken öffne ich den Umschlag: tatsächlich, die Einladung zum Event des Jahres, in fetten goldenen Buchstaben auf hellblauem Grund. »Aufruf ... Synagoge ... Kiddusch«, lese ich leise vor mich hin. Und? Wo ist der Hauptteil? Das kleine Kärtchen mit der Einladung für den Abend? Die Soiree? Die eigentliche Party? Fehlt. Ich schüttele den Umschlag. Nichts. Muss rausgefallen sein. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass ich den Briefträger noch erwischen kann, um die Sache zu regeln.
Hundekeks Keuchend hole ich ihn wenige Minuten später ein, und werfe mich mit letzter Kraft über sein Wägelchen. Ich entleere den Inhalt auf den Gehweg. Hundekekswerbung, Test-Bons für Tantra-Massagesalons, Briefe, Päckchen, Zeitungen – aber keine Einladung. Der Briefträger packt mich am Pyjamakragen und schüttelt kräftig, verspricht aber dann schließlich, die Polente außen vor zu lassen, wenn ich alles wieder einräume und in Zukunft einen weiten Bogen um ihn mache.
Deprimiert schleppe ich mich nach Hause. Ich fühle mich ausgestoßen. Da fällt mir mein alter Kumpel Janki ein, das schwarze Schaf des Plutschnik-Clans, mit dem die Eltern des Barmizwa seit Jahren keinen Kontakt mehr haben. Janki wird mein Eintrittsticket zur Plutschnik-Feier sein! Ich werde eine große, rührselige Familien-Wiedervereinigung inszenieren.
Janki ist von der Idee begeistert. Doch wir haben nicht mehr viel Zeit, in drei Wochen ist die Feier, und ich muss noch Jankis Wildwuchsfrisur trimmen, ihm einen passablen Anzug verpassen, seine Zahnprobleme kaschieren und seinen Alkoholpegel auf ein erträgliches Maß reduzieren. Uns stehen harte Wochen bevor.
Lichtkegel Am Tag der Barmizwa verstecke ich mich mit Janki in der Küche im Hilton-Hotel, wo die Fete steigt, gleich hinter der baumhohen Barmizwa-Torte. Wenn diese unter einem großen goldenen Lichtkegel hereingerollt wird, springt Janki hervor, und die Familienfehde wird sich in Heiterkeit und Wohlgefallen auflösen. Ich könnte mich selbst küssen vor lauter Rührung.
Nie im Leben hätte ich geahnt, dass das Gesicht von Vater Plutschnik bei Jankis Anblick vor Wut blauviolett anlaufen würde und er seine großen haarigen Fäuste schwingt. Was Janki dazu veranlasst, panisch kreischend auf die nächste Zimmerpalme zu flüchten, während Großvater Plutschnik mich wutschnaubend am Kragen packt und mein Gesicht in die meterhohe Sahnetorte drückt. Mutter Plutschnik stößt derweil polnische Flüche aus, die mich vermuten lassen, dass mir nun der Eintritt zu sämtlichen noch bevorstehenden Plutschnik-Hochzeiten und -Beschneidungsfeiern verwehrt sein wird.
Janki und ich nehmen die Beine in die Hand und machen, dass wir wegkommen, zum Hotelparkplatz, wo wir in meinem Auto in Sicherheit sind. Hier packt Janki die in seinen Manteltaschen versteckten riesigen Tortenstücke aus, die er unbemerkt abgesäbelt hat. Aus der Küche hat er außerdem Roastbeef und Hors d’oeuvres mitgehen lassen. Ich schmeiße eine Mordechai-Ben-David-CD ein, und als Janki seine Flachmann-Sammlung auspackt, kommt richtige Partystimmung in meinem Opel Corsa auf. Mucke, Sahnetorte und Alk – mehr braucht man nicht für eine gelungene Barmizwa-Party!