Die Tora geht davon aus, dass nichtjüdische Frauen und Männer zum Judentum übertreten. Vier der insgesamt 613 Gebote schreiben vor, wie jüdische Menschen sich diesen Proselyten (hebräisch: Gerim) gegenüber zu verhalten haben. Im Talmud (Bava Metzia 59b) heißt es, dass die Tora an 36 Stellen (nach anderer Ansicht an 46 Stellen) davor warnt, Konvertiten unkorrekt zu behandeln. Eine Fülle von Literatur über Gerim liegt bereits vor. Jetzt ist ein umfangreiches Buch in englischer Sprache erschienen, das die Ansichten chassidischer Meister über das Phänomen des Übertritts zur jüdischen Religion referiert.
Der Verfasser, Dov ben Avraham, ein in Amerika aufgewachsener Konvertit, steht Rabbiner Aryeh Wohl nahe, dem Sudilkover Rebben, der zum vorliegenden Werk eine Einleitung beigesteuert hat. Auch andere chassidische Rabbiner wie der in Jerusalem residierende Bostoner Rebbe, Rabbiner Meir Horowitz, und der Bratzlawer Rabbiner Eliezer Raphael Brody loben Dov ben Avrahams Arbeit.
reinkarnation Viele werden erstaunt sein zu erfahren, dass man in chassidischen Kreisen Gerim mit dem Phänomen der Reinkarnation in Verbindung bringt. So lehrte Rabbi Zadok HaKohen aus Lublin, dass die aus der Bibel bekannte Ruth von Geburt an eine jüdische Seele besaß, die aber im Körper einer Moabiterin inkarniert war; Ruth ist der Prototyp einer Frau, die ihren Weg zum Judentum fand. Dov ben Avraham bringt eine längere Erzählung über den Baal Schem Tow, den Begründer der chassidischen Bewegung. Das rätselhafte Geschehen, so referiert er, sei die Reinkarnationsgeschichte eines Gerim.
Einige Texte diskutieren die verschiedenen Aspekte eines Übertritts zum Judentum, das nicht konversionsfeindlich ist – wie in einem Wikipedia-Artikel fälschlicherweise behauptet wird –, sondern nur nicht missioniert. Dov ben Avraham hat praktische Tipps für zum Judentum Übergetretene und jene, die dies noch tun möchten, zusammengetragen.
In einem solchen Prozess gibt es vielerlei Dinge zu bedenken, und daher ist es empfehlenswert, sich beraten zu lassen. Zwar kann kein Buch eine persönliche Beratung ersetzen, aber es kann helfen, die richtigen Fragen zu erkennen und manche Irrwege zu vermeiden.
selbstverlag Gerim in Chassidic Thought ist im Selbstverlag erschienen, kann aber problemlos über Amazon bestellt werden. Zur Überraschung des Autors wollten wichtige jüdische Verlage sein Werk nicht in ihr Programm aufnehmen. In den Absagebriefen wurde der Inhalt gelobt; ausschlaggebend aber war die Befürchtung, das Zielpublikum des Buches sei zu klein. Die Verleger dachten wohl an die geringe Zahl der Übergetretenen, die in Wirklichkeit gar nicht so klein ist. Ohne Zweifel ist das Buch aber nicht nur für Gerim von Interesse, sondern ebenfalls für geborene Juden. Oft wird die Frage gestellt, warum Nichtjuden die vielen Gebote der Tora auf sich nehmen wollen. In Dov ben Avrahams Buch findet man eine Antwort auf diese Frage in der Form einer Reihe von Konversionsgeschichten.
Aus dem vorliegenden Band kann der Leser sowohl über die jüdische Weltanschauung als auch über einige religionsgesetzliche Fragen viel lernen. Einen Fehler gibt es allerdings, der in der nächsten Auflage korrigiert werden sollte. Ein Bibelvers (3. Buch Moses 23,16) wird falsch ausgelegt. Der Autor meint, dass in der Zeit des Tempels das Omer der Schwingung mehrere Wochen lang täglich dargebracht wurde – tatsächlich wurde es nur ein einziges Mal gebracht.
toravorschriften Die Tora fordert von Juden, dass sie Gerim lieben sollen (siehe 5. Buch Moses 10,19). Ist es einfach oder schwierig, dieses Gebot zu erfüllen? Es kommt auf den Fall an. Erfahrungsgemäß sind manche Übergetretene in der Erfüllung der Toravorschriften geradezu vorbildlich, und es ist nahezu unmöglich, sie nicht zu bewundern und zu lieben. Einzelne Gerim leben aus Prinzip nicht observant und halten es für ihre Aufgabe, die jüdische Tradition radikal zu reformieren – durch dieses Verhalten machen sie es gesetzestreuen Juden schwer, sie zu akzeptieren. Die meisten Fälle sind allerdings auf dem Spektrum zwischen den zwei Polen einzuordnen.
Gerim spielten in der Vergangenheit eine nicht unwichtige Rolle. In unserer Zeit gibt es diese in fast jeder Gemeinde und wiederkehrende Debatten über deren Aufnahme und den Umgang mit ihnen. Das Buch kann helfen, die ewigen Diskussionen ein wenig zu versachlichen und zu vertiefen.